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Dann ziehst du die Gegebenheiten im Luftverkehr nicht in Betracht. Ich habe ja oben schonmal darauf hingewiesen, dass das Nachtflugverbot ja quasi über Nacht vom VGH kam. Gerade in Asien sind die Flughäfen aber proppevoll und dort interessiert sich aber gelinde gesagt keiner für irgendwelche deutschen Gerichte, die jetzt nachts Flughäfen schließen. Flugpläne sind etwas, was länger im Vorraus gemacht werden muss und was man wegen Slots&Co mal nicht von heute auf morgen ändern kann. Die Flüge nach CGN haben LH Cargo - wie schon von mir ausgeführt - ne Stange Geld gekostet und das war natürlich auf Dauer nicht Wettbewerbsfähig, sodass klar war, dass man bei entsprechender Slotverfügbarkeit in Asien nach FRA als Tagflug zurückkehrt. Natürlich kann man nun einige Produkte den Kunden nicht anbieten und einiges der "Abendfracht" hat nunmehr keinen Anschluss, dass geht jetzt halt mit der Konkurrenz über ausländische Standorte, womit wir wieder bei den wirtschaftlichen Interessen wären.
Erstmal vorweg, auch an die anderen Diskutanten: danke für die sachliche Diskussion
Man kann es so sehen, wie Du: „Das Nachtflugverbot kam über Nacht“.
Man hätte aber als Konzernlenker auch denken können: die Verfahren sind noch nicht endgültig abgeschlossen, daher kann aus dieser Ecke noch etwas kommen. Ich habe davon keine Ahnung, aber wäre es dann nicht möglich gewesen, sich diese Überflugrechte schon im Vorfeld zu sichern? Das wäre dann quasi eine Art Versicherung gewesen. Und wenn die Nachtflüge weiter erlaubt wären, wäre das halt eine Versicherungsprämie ohne Schadensfall gewesen. Entweder hat man diese Gefahr „Nachtflugverbot“ wirklich nicht gesehen – dann würde man wirklich sehr kurzsichtig agieren - oder die Kosten für diese Versicherung waren zu hoch, dann hat man eben eine unternehmerische Entscheidung getroffen, die immer risikobehaftet ist.
Ich versuche hier wirklich sachlich zu bleiben - aber genauso wie du da bei Lärm Schwierigkeiten hast, habe ich da manchmal Schwierigkeiten, wenn man sich anschaut wie wir im internationalen Wettbewerb manchmal unsere wirtschaftlichen Interessen mit Füßen treten - in D gibt es keine großen Rohstoffvorkommen oder ähnliches - wir müssen also woanders punkten.
Ich persönlich bin wirtschaftlichen Argumenten gegenüber ja keineswegs taub. Dafür stehe ich zu lange selbst im Wirtschaftsleben. Aber ab einem bestimmten Punkt kommt ganz einfach die Biologie ins Spiel. So, wie wir nicht permanent 48 Stunden arbeiten können – natürlich am Stück – so kommen Menschen nur eine relativ kurze Zeit ohne Schlaf aus. Und werden bei permanent gestörtem Schlaf nachweislich krank.
Man kann mit diesem Dilemma jetzt verschieden umgehen:
1. Die Betroffenen sollen sich nicht so anstellen, sie müssen ein Sonderopfer bringen und auf Kolateralschäden können wir keine Rücksicht nehmen.
2. Die Wirtschaft soll sich nicht so anstellen, auf wirtschaftliche Einbußen können wir keine Rücksicht nehmen.
3. Man findet Mittel und Wege für einen Kompromiss.
Bis zu den unerwartet massiven Protesten wurde eigentlich nur die Alternative 1) verfolgt. Erst jetzt überlegt man langsam an Alternative 3), wobei mir der Glaube für die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen fehlt. Sonst hätte man diese Überlegungen ja auch schon im Vorfeld der Inbetriebnahme der neuen Landebahn anstellen können. Gerichtlich entschieden wurde jetzt zumindest für eine Übergangszeit Alternative 2), wenn auch zunächst nur für eine „Rumpfnacht“.
Und bedeutet Dein Standpunkt, dass man für die deutsche Wirtschaft statistisch betrachtet auch Menschenleben opfern soll? Ich meine das gar nicht polemisch. Auch die Zigarettenindustrie schafft Arbeitsplätze und die Tabaksteuer jede Menge staatlicher Einnahmen. Hier hat man ja ganz klar entschieden, dass „man“ das will. Und rechnet die Gesundheitskosten nicht dagegen.
Aber sollte man den Opfern nicht wenigstens eine faire Chance auf eine Wahl geben? Einen Raum mit Zigarettenrauch kann ich verlassen und selbst auf Zigaretten verzichten. Wie geht das bei Fluglärm? Und wie würde man diese Wahl organisieren und darstellen?
Ein anderer Punkt was mich persönlich noch interessieren würde: Wie macht ihr Fluglärmgegner das eigentlich untereinander? Das ist doch komisch, dass das als so eine homogene Masse auftritt?? Denn es gibt ja nicht mehr Lärm, der ist jetzt nur teilweie woanders oder breiter verteilt. Sollte das BVerwG jetzt die gesamte Bahn kippen, dann wäre ja der "alte" Flughafen wieder da. Klar dann hätten die konkreten Kläger sicher keinen Lärm mehr, aber es gäbe wieder wie vorher unbegrenzte Nachtflüge, sodass es für andere sicher schlimmer als jetzt wird.
Zunächst ist der Protest gar nicht so homogen, wie es offenbar scheint. In Rhein-Main gibt es inzwischen über siebzig Bürgerinitiativen, die meist sehr lokal organisiert sind. Diese sind wiederrum in einem Bündnis zusammengeschlossen und untereinander eng vernetzt.
Die Aussage, dass es aktuell nicht mehr Lärm gibt, ist so pauschal nicht korrekt, ich hatte es im OT-Thread schon mal geschrieben und setze es hier nochmal her:
Für die Gemeinden im direkten Umfeld des Flughafens trifft der geschilderte Sachverhalt wohl zu, wobei ich dies nicht aus eigener Anschauung beurteilen kann. Aber hier ist es wohl tatsächlich so, dass die Belastung von z.B. Flörsheim mit einer partiellen Entlastung von Raunheim einhergeht. Einfach weil ein Teil der Anflüge über die neue Bahn abgewickelt wird.
Was dabei aber übersehen wird: mit dem Abflug über die Südumfliegung an Mainz vorbei wird eine Vielzahl von Menschen neu belastet.
Und der Punkt, der jetzt zu einer solchen Mobilisierung in der Fläche führt, ist das Anflugverfahren. In Vorbereitung der erwarteten Flugbewegungen wurde der Luftraum neu geordnet und dabei der Gegenanflug massiv abgesenkt. Diese Absenkung ist es, die bei uns ganz konkret für die Probleme sorgt mit Überflughöhen von geschätzten gut 1000 Meter über Grund. Ich wüsste aber nicht, wer dadurch jetzt entlastet sein sollte? Das so neu betroffene Gebiet geht von Bad Orb bis Bad Kreuznach.
Und natürlich soll die partielle Entlastung einiger direkten Flughafenanlieger nicht von Dauer sein. Die neue Bahn ist ja nicht gebaut worden, um den Lärm zu verteilen, sondern um mehr Flugverkehr abwickeln zu können. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Lärmpegel an den „alten“ Standorten die alten Spitzen erreichen und an den neuen auch.
Was aber allen "Protestlern" klar ist: erreicht wird nur etwas, wenn wir gemeinsam vorgehen. Darum werden Entlastungen für Ortschaften, die nur mit Belastungen für andere Ortschaften erreicht werden können, keinen Erfolg haben. Und bei uns ganz persönlich: auch wenn wir relativ gute Chancen haben, durch geänderte Anflugverfahren wieder die relative Ruhe vor der Neuordnung des Luftraums zu erreichen, würden wir die unmittelbaren Flughafenanlieger weiter bei Demos & Co unterstützen. Weil wir jetzt aus eigener Erfahrung wissen, wie schlimm es ist.
Außerdem wird immer mehr deutlich: Lärm ist kein regionales Problem. Daher wird eine überregionale Vernetzung der Initiativen angestrebt
Grüße
Der, der Montags auf die Demo geht