Gletscher, Fußball, Wasserfälle und das Ende der Welt - 5 Wochen in Südamerika

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mm_aa_ii_kk

Erfahrenes Mitglied
22.07.2009
321
4
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Was lange währt, wird endlich gut. Eigentlich wollte ich den Bericht schon eher fertig haben, aber die liebe Zeit... ;) Aber jetzt ist er fertig, über 300 Bilder und ein paar Videos meiner fünfwöchigen Reise durch Südamerika sind eingefügt. Als kleine "Vorwarnung": wer den kompletten Bericht liest, wird dafür mindestens eine Stunde, eher Richtung zwei Stunden benötigen. Fußballspiele sind deutlich gekennzeichnet, wer kein Fußballfan ist, kann daher leicht drüber springen. Dennoch empfehle ich jedem, auch die Berichte der Spiele zu lesen. Zu viele kuriose und tolle Dinge sind dort passiert. Wem dieser Bericht so gut gefällt, dass er den in einer farbig gedruckten Broschüre noch einmal lesen möchte, schreibt mir bitte eine PN. Für 4 Euro inkl. Porto gehört das Heft Euch.
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Doch jetzt wünsche ich Euch viel Spaß!

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Vorgeschichte

Bereits seit über zehn Jahren war es ein Traum von mir, einmal nach Südamerika und dort insbesondere nach Argentinien zu reisen. Während in der Anfangszeit mein fast ausschließliches Interesse dem Fußball galt, haben sich in den letzten Jahren die Prioritäten etwas verschoben. Neben dem Fußball rückten Land und Leute auf die gleiche Ebene. Eine Reise dorthin hatte ich aber immer noch nicht geschafft. Im letzten Jahr rückte Argentinien deutlich stärker in mein Blickfeld. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen waren da die Berichte von der erstmaligen Reise anderer Magdeburger. Zum anderen steckte ich im Sommer und Herbst des letzten Jahres in den Vorbereitungen auf das Steuerberaterexamen. Wenn man sich vier Monate vom frühen Morgen bis zum späten Abend durch das deutsche Steuerrecht kämpfen muss, kann die Motivation schneller nach unten gehen, als einem lieb ist. Um die Prüfung zu bestehen, musste ich dem entgegen wirken. Und meine Motivationshilfe war die über meinem Schreibtisch hängende Weltkarte, auf der Fähnchen überall dort stecken, wo ich bereits war. Südamerika hatte entsprechend noch keine Fähnchen:
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Also lobte ich mir die Südamerika-Reise für dieses Jahr als persönliche Belohnung für den Fall des Bestehens der Steuerberaterprüfung aus. Jedes Mal, wenn die Motivation sank, schaute ich fortan auf die Weltkarte, sagte mir: „Du willst nächstes Jahr Fähnchen für Südamerika anbringen und den Mist nicht noch einmal machen, also setz dich hin und lern weiter!“ Es hat meistens geholfen.
Ein weiterer Antreiber ergab sich während der Steuerberatervorbereitung nebenbei. Während ich viele Joggingrunden drehte, um etwas in Form zu bleiben, kam mir der Gedanke, dass ein zweiter Marathon ja doch nicht so verkehrt wäre. Den ersten Marathon hatte ich selbstverständlich in Magdeburg gelaufen, aber für den zweiten sollte es schon eine andere Strecke sein. Aber wo? Vielleicht in Südamerika? Ich googelte nach Marathons dort und der erste Treffer war der Buenos Aires Marathon, der zufällig auch genau in dem Reisezeitraum stattfinden sollte, den ich eh geplant hatte. Das sollte ein Zeichen sein!
Kurz vor Weihnachten kamen die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung und ich hatte sogar eine ganz brauchbare Note. Daher buchte ich mir Ende Dezember, ohne dass ich einen genehmigten Urlaubsantrag hatte und die mündliche Prüfung noch vor mir lag, als letzte Motivationshilfe zumindest schon einmal die Langstreckenflüge. Es sollten Prämienflüge über Miles & More werden und das Risiko einer Umbuchung bzw. Stornierung erschien mir bei einer Gebühr von 50 EUR als überschaubar. Auf das Bestehen wollte ich mir etwas gönnen, also buchte ich die Flüge nicht in der Economy Class und auch nicht in der Business Class, sondern in der First Class. Im Vorfeld hatte ich gelesen, dass die First Class der Swiss besser sein soll als die der Lufthansa, also dachte ich mir, probiere ich am besten beides aus. Es wurde als Hinflug die Strecke Hannover-Frankfurt-Buenos Aires mit der Lufthansa und als Rückflug Sao Paulo-Zürich-Hannover mit Swiss gebucht.
Nachdem ich auch die mündliche Prüfung bestanden hatte und mich Steuerberater nennen darf, hatte mein Chef bei meinem Urlaubsantrag über fünfeinhalb Wochen zunächst etwas komisch geschaut, dann aber nur unter der Frage, wo es denn hingehen soll, ohne Weiteres den Antrag genehmigt. In die Detailplanung der Reise stieg ich ab Anfang Juli ein. Sehr behilflich war mir dabei das Online Reisebüro von Reallatino Tours, einem Spezialist für Reisen nach Lateinamerika. Das Büro hatte unter anderem ein Paket zum Buenos Aires-Marathon im Angebot, bei dem die ganze Organisation vor Ort übernommen wird. Das nahm ich dankend an und stöberte auf der Internetseite nach weiteren Reisebausteinen, die mir aber von Fred, dem Inhaber des Reisebüros, nach diversen Telefonaten und E-Mails größtenteils abgesagt wurden. Er meinte, er möchte mir verschiedene Ausflüge nicht verkaufen (und verzichtete somit auf Umsatz!). Wenn ich in Hostels übernachte, da gibt es in den Orten jede Menge Veranstalter, die Ausflüge jeder Art anbieten. Wenn ich dort buche, wird es für mich günstiger. Daneben meinte er, wenn ich dann Leute kennenlerne und die mich fragen, ob ich an einem der nächsten Tage etwas mit ihnen unternehmen möchte und sage „geht nicht, ich habe da schon was gebucht“, wäre ich nicht so glücklich. Er sollte Recht behalten, doch dazu später mehr. So buchte ich dort die Inlandsflüge, eine kleine Kreuzfahrt und den Trip nach Iguazu und mein grober Plan für die viereinhalb Wochen sah wie folgt aus: Ankunft in Buenos Aires für ein Fußballwochenende, anschließend nach El Calafate und weiter nach Ushuaia. Von dort eine Kreuzfahrt um Kap Hoorn herum nach Punta Arenas in Chile, über Ushuaia zurück für zehn Tage nach Buenos Aires, um Fußball zu schauen und den Marathon zu laufen. Nach ein paar Tagen in Iguazu sollte der Abschluss ein Wochenende in Sao Paulo sein.

Und dann war es endlich so weit, alle benötigten Impfungen waren eingesackt, Klamotten insbesondere für die Trekking-Touren frisch gekauft und das Marathon-Training deutlich besser als beim ersten Mal absolviert. Die Reise konnte beginnen.


Mittwoch, 14.09.2011

Mit der S-Bahn fuhr ich in Hannover zum Flughafen und stellte mich am First Class-Schalter der Lufthansa an. Die Waage zeigte für meinen Koffer 27 kg an, was mir aber egal sein konnte, ich hatte 40 kg frei. Nur für die Inlandsflüge musste ich mir etwas überlegen. Nach dem problemlosen Check-In durfte ich die restliche Wartezeit in der Senator-Lounge verbringen, wo ich mich an diversen kleinen Speisen und Getränken bediente. Der Flug nach Frankfurt ging pünktlich und in der voll besetzten Business Class (eine First Class gibt es innereuropäisch nicht) wurde auf dem 35-minütigen Flug nach Frankfurt ein kleiner Salat serviert.
Nach der Landung in Frankfurt wurde uns eine Außenposition zugewiesen. Ich wollte gerade in den wartenden Bus steigen, um zum Terminal zu fahren, als ich einen Mitarbeiter mit einem Schild in der Hand sah, wo mein Name drauf stand. Na gut, also hin. Als ich mich vorgestellt hatte, durfte ich mit zwei weiteren Passagieren in der neben dem Mann stehenden Limousine Platz nehmen und wir wurden ohne auf den vollen Bus warten zu müssen direkt zum Terminal gefahren. Sehr fein!
Auf direktem Weg durch die Passkontrolle machte ich mich auf in die First Class Lounge im Terminal B. Am Empfang wurde ich freundlich begrüßt und mir wurden die Möglichkeiten vorgestellt, wie ich meine drei Stunden Wartezeit (ich hatte extra einen etwas früheren Flug Hannover-Frankfurt gewählt, um die Zeit in der Lounge auch voll ausnutzen zu können) am besten überbrücken kann. Es gab jede Menge Computerarbeitsplätze, zwei große Fernseher, bequemste Sessel und Couches mit Blick auf das Rollfeld,
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Duschen, eine fantastische Bar
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und ein eigenes Restaurant. Ich machte es mir zunächst in einem Sessel bequem und keine Minute später stand die nette Bedienung neben mir und fragte, welches Getränk sie mir bringen dürfe. Das würde ein schöner Abend werden! Das Buffet bot mehrere warme und kalte Speisen, so dass ich mich satt essen konnte. Pünktlich zu Spielbeginn der Champions League-Partien wurden die Fernseher auf Fußball umgestellt und nach einem Whisky zur Verdauung gönnte ich mir zum Abschluss einen überdimensionierten Caipirinha, den ich aber nicht ganz austrank, da er sehr stark gemixt war und ich nicht schon sturzbesoffen im Flugzeug ankommen wollte.
Das Boarding ging sehr schnell, vorbei an der langen Economy-Schlange direkt ins Oberdeck der Boeing 747. Hier erwartete mich die alte First Class der Lufthansa (einige Maschinen sind bereits mit einer noch luxuriöseren Variante ausgestattet, aber ich will ja nicht meckern). Der Steward fragte mich, welchen meiner beiden Sitze ich für das „normale“ Fliegen benutzen und auf welchem ich schlafen möchte. Ich entschied für den Sitz am Gang und das flache Bett am Fenster, das daraufhin für mich vorbereitet wurde. Mit einem Glas Champagner vor dem Start hoben wir Richtung Südamerika ab. Die Menü-Karte wurde verteilt und ich dachte mir, oh Gott. Das kann ich unmöglich auch noch alles essen, durch das viele Essen zuvor war ich immer noch satt. Zum Glück bekam ich von meinem Nachbarn auf der anderen Seite des Gangs (der wurde vom Kapitän mit den Worten „Ach Herr xyz, auch mal wieder bei mir an Bord?“ begrüßt) mit, dass es auch eine kleine gemischte Platte für den kleinen Hunger gibt, die gar nicht auf der Speisekarte steht. Die nahm ich auch, es war gerade so das, was noch in mich rein passte.
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Zur Verdauung bot mir der Steward verschiedene Hochprozentige an. Eigentlich wollte ich gar keinen mehr nehmen, da ich schon leicht betüdelt war, aber der nette Herr überredete mich zu einem wirklich gut schmeckenden Grappa aus seiner italienischen Heimat. So konnte ich es mir im zur Verfügung gestellten Pyjama auf meinem Bett bequem machen und ins Reiche der Träume entschlummern. Nach mehr als sieben Stunden Schlaf wartete das Frühstück auf mich, der Steward hatte vor dem Schlafen extra noch gefragt, ob ich zum Frühstück geweckt werden möchte, und der frisch gepresste Orangensaft schmeckte mit dem frisch gemachten Omelette sehr gut. Nebenbei schaute ich den Film „The Spirit of Marathon“, einem sehr gelungenem Dokumentarfilm über den Chicago Marathon aus dem Jahr 2005. Hier wurden mehrere Teilnehmer, sowohl Spitzenathleten als auch Freizeitläufer, über ein Jahr in ihrer Vorbereitung durch alle Höhen und Tiefen begleitet. Zusammen mit dem Lufthansa-Magazin, das als aktuelles Titelthema „Patagonien“ hatte, sah ich das als ein weiteres Zeichen an, dass dieser Urlaub ein unvergesslicher werden sollte. Die Landung in Buenos Aires erfolgte pünktlich und für uns acht Passagiere der First Class, die anderen sieben würde ich als Vollzahler zum „kleinen“ Preis von 12.000 EUR für Hin- und Rückflug einschätzen, mussten die anderen Passagiere warten, bis wir von Bord waren.
Mit dem ersten Stempel der Reise im Pass, etwas getauschtem Geld und einer frisch gekauften Olé (täglich erscheinende Fußballzeitung in Argentinien mit allen wichtigen Informationen zu Anstoßzeiten, Stadien etc.) ging ich zum Schalter von Manuel Tienda Leon, einem privaten Transferunternehmen für den Transport in die Stadt. Per Bus fuhren wir bis zum zentralen Terminal der Gesellschaft und dort wurden alle Gäste per Auto zu ihren Unterkünften gebracht.
Ich checkte im Hostel Inn Tango-City in San Telmo für zehn Euro pro Nacht ein, wo mich an der Rezeption die freundliche Bulgarin Tanya empfing, die mir einen ersten umfassenden Überblick über die Umgebung des Hostels und die Stadt an sich gab. Das gebuchte Acht-Mann-Zimmer hatte ich zunächst für mich allein, auch eine freudige Überraschung. Auf einer kleinen Erkundungstour durch die Nachbarschaft tauschte ich ein paar Peso (Umrechnungskurs ca. 1 EUR = 5,8 Peso), um für das erste Fußballspiel der Tour gerüstet zu sein.


Copa Argentina am 15.09.2011
Club Almagro-Midland 0:0, 5:4 n.E.
Estadio Tres de Febrero, Zuschauer: 1.200 (Gäste: 51)


Tanya hat mir den besten Weg zum Stadion rausgesucht. Dafür fuhr ich für 1,10 Peso mit der Subte, der ältesten U-Bahn Südamerikas, auf der Linie A bis zur Endstation und von dort mit dem Taxi zum Estadio Tres de Febrero. Der Taxifahrer, vermutlich der einzige unter den 40.000 Taxifahrern in Buenos Aires, der englisch konnte, fragte mich, was ich um alles in der Welt bei diesem Spiel möchte. Denn es war Donnerstag, Spielbeginn 15 Uhr, und es war ein Pokalspiel zwischen einem Dritt- und einem Viertligisten. Meine völlig plausible Antwort: weil es zu diesem Zeitpunkt kein anderes Fußballspiel in Buenos Aires gibt! Er verstand es trotzdem nicht so richtig, gab mir noch zwei Tipps mit auf dem Weg, wo ich nach dem Spiel wieder ein Taxi nehmen sollte und ich solle Umsicht walten lassen, da es nicht die sicherste Gegend sei. An der Kasse holte ich mir für das Spiel der zweiten Zwischenrunde des erst im Jahr 2010 eingeführten argentinischen Pokalwettbewerbs eine Karte für die Haupttribüne (Platea) und betrat mein erstes argentinisches Fußballstadion. Das Stadion bietet Platz für 19.500 Zuschauer, ist in den Vereinsfarben blau-weiß-schwarz gehalten und verfügt aber nur auf der Haupttribüne über Sitzplätze.
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Im Gästeblock, der sich über eine Hintertortribüne und mehr als die Hälfte der Gegengerade erstreckte, verstreuten sich 51 Anhänger von Midland. Die Heimseite verfügt über eine kleine, aber feine Fanszene.
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Nach dem Einmarsch der Hauptgruppe (Barra) waren ca. 100 Fans (Hinchas) im Fanblock aktiv. Das ganze fast das ganze Spiel über und mit schönen Melodien, die ich in den nächsten Wochen noch aus deutlich mehr Kehlen hören sollte. Als die Mannschaften und die Unparteiischen das Spielfeld betraten, wunderte ich mich über einen kleinen Behälter, den der Schiedsrichter am Gürtel trug. Die Erklärung des Ganzen ließ nicht lange auf sich warten. Es handelt sich um eine Spraydose für Schaum. Bei bestimmten Freistößen markiert der Schiri damit auf dem Spielfeld, wo der Ball zu liegen hat und wo sich die Mauer aufzustellen hat. Interessante, aber effektive Methode, die bei allen Spielen in Argentinien zum Einsatz kommt. Über das sportliche hüllen wir mal lieber den Mantel des Schweigens, bei schönstem Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad vergaben beide Teams gleich dutzendweise gute Chancen. Dabei war das unterklassige Gästeteam sogar leicht überlegen. Folgerichtig endete die Partie 0:0 und ich freute mich schon auf die Verlängerung. Denkste! Es ging sofort ins Elfmeterschießen, welches vor dem Gästeblock stattfand. Nun versammelten sich auch die Gästeanhänger geschlossen hinter dem Tor, um hoffentlich die Überraschung mitzuerleben. Es sah zunächst ganz gut aus, der Gästekeeper hielt den ersten Schuss. Allerdings verschossen die Gäste im weiteren Verlauf zwei Elfer, so dass doch der Drittligist in die nächste Runde einzog. Direkt nach dem Spiel fuhr ich per Taxi und U-Bahn zurück ins Hostel und gönnte mir am Abend mein erstes Bife de lomo, ein Rinderfilet der allerersten Güte. Auf ein weiteres Pokalspiel am Abend, Temperley-Yupanqui, verzichtete ich, um früh schlafen zu gehen, da ich trotz des guten Flugs etwas müde war.
 

mm_aa_ii_kk

Erfahrenes Mitglied
22.07.2009
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Freitag, 16.09.2011

Am nächsten Morgen genoss ich beim Frühstück zum ersten Mal eine übergroße Portion Dulce de Leche, einem Brotaufstrich aus Milch, Zucker und Vanille. Eine Kalorienbombe hoch drei, aber so unglaublich lecker, dass ich in den folgenden vier Wochen niemals ohne in den Tag starten sollte. Bevor am Abend das nächste Fußballspiel auf dem Programm stand, drehte ich eine zehn Kilometer-Trainingsrunde in Puerto Madero, besuchte das Partnerreisebüro von Reallatino Tours vor Ort, um letzte Details zu meinen gebuchten Programmen zu klären und erkundete ein wenig die Stadt. Ich ließ mich in der Fußgängerzone der „Florida“ (viele Straßen tragen einfach nur den Namen von Städten oder Ländern ohne die Bezeichnung Avenida o.ä.) treiben und beobachtete die Szenerie. Erste Ansichtskarten für Freunde und Verwandte wurden inklusive DHL-Briefmarken gekauft und nach einem typisch argentinischen Mittagessen (im Big Mac ist schließlich auch Rindfleisch enthalten!) fuhr ich am späten Nachmittag mit dem Taxi für 25 Peso nach Avellaneda zum Spiel


Primera Division am 16.09.2011
CA Independiente-Colon de Santa Fe 0:1
Estadio Libertadores de America, Z: 16.000 (400)


Bei meiner Ankunft zwei Stunden vor Spielbeginn war noch nicht viel los. Ich holte mir an einem Wagen, der einem Zirkuswagen stark ähnelte, eine Karte für den Oberrang (Alta) der Haupttribüne „Erico“, Kostenpunkt 130 Peso. Schnell das Stadion (Cancha) geentert, um schöne Fotos von diesem zu machen
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und oben angekommen, spürte ich auf einmal ein starkes Stechen in meinem rechten Knie, genauer gesagt direkt unterhalb der Kniescheibe. Mein erster Gedanke ging sofort an den Marathon, auch wenn dieser noch drei Wochen weit weg lag. Und irgendwie war mir sofort bewusst, dass eine Genesung bis zum Marathon schwierig werden würde, da mir bei jedem Schritt und insbesondere beim Treppensteigen das Stechen einige Schmerzen hervorrief. Nun ja, fortan hieß es also das Knie möglichst schonen. So machte ich ein paar Fotos vom Stadion, das sich leider nach wie vor auf der mir gegenüberliegenden Seite im Bau befindet. Fertig (oder vielleicht auch nicht, ein Dach fehlt bislang komplett) waren die anderen drei Seiten, auf meiner Geraden Sitzplätze mit dem Vereinskürzel CAI, links von mir im Unterrang der Fanblock und im Oberrang Sitzplätze und rechts von mir komplett Stehplätze, wobei der Oberrang den Gästefans vorbehalten ist. Von meinem Sitzplatz hatte ich zudem einen eingeschränkten Blick auf das nur 300 Meter entfernte Stadion des Erzrivalen von Independiente, Racing Club.
Bis zum Spielbeginn konnte ich erstmals die komplette Vorbereitung der argentinischen Fans auf ein Spiel erleben. Nach und nach wurden von den Independiente-Fans die Fahnen über den Block gespannt und erste Gesänge hallten durch den Ground. 20 Minuten vor Beginn des Spiels marschierte die Barra „Los Diablos Rojos“ ein und fast alle Zuschauer im Stadion stimmten ein. Ich bekam ein erstes Gefühl dafür, was in Ekstase los sein kann. Leider war das heute nicht der Fall, lediglich 16.000 Zuschauer waren in das derzeit 35.000 Zuschauer fassende Stadion, nach dem endgültigen Ausbau sollen es 50.000 sein, gekommen.
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Doch die, die da waren, legten trotzdem einen guten Auftritt hin. Angetrieben von der Barra stiegen vor allem die Zuschauer auf der anderen Hintertortribüne direkt unter den Gästen in die Gesänge ein und ab und zu auch das Publikum auf meinen Plätzen.
Auf dem Platz machte Independiente das Spiel, doch mit dem ersten gescheiten Gegenangriff konnte Colon das 0:1 markieren, was die bis dahin anwesenden 100 Gästefans jubeln und erstmalig auch singen ließ. Ein wenig enttäuscht war ich von der Gästeanzahl schon, auch wenn das Spiel freitags um 17 Uhr stattfand und die Gäste ca. 500 km zurücklegen mussten. Allerdings wird es wohl an den 500 km gelegen haben, denn pünktlich zur Halbzeitpause kamen weitere 300 Hinchas aus Santa Fe unter dem Einmarsch der Barra in den Gästeblock und es wurden die Fahnen gespannt.
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So gab es in der zweiten Halbzeit doch noch einen kleinen verbalen Schlagabtausch. Aufgrund einiger vergebener Chancen auf beiden Seiten blieb es bis zum Ende beim 0:1, lange feiern konnten die Colon-Fans jedoch nicht. In Windeseile wurden die Fahnen zusammengepackt und der Block verlassen. In Argentinien reisen aus Sicherheitsgründen immer die Gästefans zuerst ab, während die Heimfans eine Blocksperre abwarten müssen, die je nach Gästeaufkommen zwischen 20 und 45 Minuten betragen kann. Nachdem die Blocksperre überstanden war, ging es per Taxi zurück nach San Telmo, wo ich mich nach einem erneut leckeren Bife de lomo zur Nachtruhe begab.


Samstag, 17.09.2011

Wenn ich schon einmal in Buenos Aires bin, kann ich eigentlich auch mal einen Ausflug nach Uruguay, genauer gesagt nach Montevideo machen. Ist ja „nur“ einmal über den Rio de la Plata auf der anderen Seite. Natürlich um Fußball zu schauen. Da der Ligaalltag in Uruguay sowohl sportlich als auch aus Fansicht nicht sonderlich attraktiv ist, kam für mich eigentlich nur ein Spiel im WM-Endspiel-Stadion von 1930, dem Centenario oder das Derby zwischen den beiden größten Vereinen des Landes Nacional und Penarol in Frage. Der Spielplan meinte es aber nicht so gut mit mir, das Derby sollte erst Ende November steigen und ein Heimspiel von Penarol, der einzigen Mannschaft, die regulär im Centenario spielt, war entweder an den Wochenenden, wo ich in Buenos Aires war, nicht angesetzt oder die Spiele in Buenos Aires waren so attraktiv, dass ich deswegen nicht nach Montevideo reisen wollte. Doch vier Tage vor meinem Abflug aus Deutschland wendete sich das Blatt, da auf einmal ein kompletter Spieltag verschoben wurde und sich für mich die Möglichkeit ergab, das Spiel Penarol Montevideo-Danubio zu sehen. Blieb nur die Frage der Anreise. Ich hatte die Wahl zwischen dem Flugzeug und der Fähre. Da eine Woche vor dem Reisedatum die Fähre von Buquebus, die zudem drei Stunden pro Richtung unterwegs sein sollte, teurer war als Hin- und Rückflug mit Pluna, wählte ich den Flieger. Ohne im Hostel auszuchecken ging es nur mit dem Rucksack beladen in Buenos Aires zum innerstädtischen Flughafen Aeroparque. Ich wollte kostengünstig mit dem Bus hinfahren und hatte mir an den ersten zwei Tagen extra die benötigten Münzen zusammengesammelt. Doch als der dritte Bus einfach an der Bushaltestelle und mir vorbeifuhr und die Zeit langsam enger wurde, stieg ich doch ins Taxi. Bei 40 Peso eine zu verkraftende Situation. Der Flug in einer Bombardier CRJ900
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startete mit 40 Minuten Verspätung, war dafür statt der geplanten 60 aber auch nur 30 Minuten in der Luft. Interessant waren die Instruktionen für den Fall einer Notlandung auf dem Wasser. Es gab keine Rettungswesten an Bord, stattdessen sollten die Passagiere in diesem Fall ihr Sitzkissen schnappen und sich daran festklammern.
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Während beim Abflug in Buenos Aires schönster Sonnenschein herrschte, zogen während des Fluges immer mehr Wolken auf und in Montevideo fiel ein starker Nieselregen bei unangenehmen Wind. Auf dem Flughafen wird man herzlich begrüßt
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und am zweiten Geldautomaten des Flughafens, der erste wollte nicht so richtig, konnte ich mich mit uruguayischen Pesos (Wechselkurs ca. 1 EUR = 27 Peso) eindecken und mit dem Linienbus ging es in 45 Minuten in die Stadt. Irgendwie schien ich aber das Stadtzentrum verpasst zu haben, da mich der Busfahrer an der Endstation in der Nähe des Hafens rausschmiss. Also ging ich, bzw. eigentlich war es mehr ein halbes Humpeln, zurück in die City. Nach einem typischen uruguayischen Mittagessen (auch die Uruguayer essen ihren Hamburger Royal mit Rindfleisch!) wollte ich zum Stadion laufen. Mit meinen rudimentären Spanisch-Kenntnissen (zehn Stunden an der Volkshochschule im Kurs „Spanisch für den Urlaub“) fragte ich einen Zeitungsverkäufer nach dem Weg. Immer die Hauptstraße geradeaus und dann durch den Park, es sei nicht weit. Ein paar Straßenblocks weiter machte sich mittlerweile mehr als deutlich mein Knie bemerkbar und nachdem ich auf dem Stadtplan im Lonely Planet die Entfernung überschlagen hatte, sagte ich mir, da muss eine andere Lösung her. Wenige Meter weiter erspähte ich einen Penarol-Fan an einer Bushaltestelle, dem ich mich unauffällig anschloss. Der Fan hatte einen Trinkbecher mit einer Art Teegemisch in der einen Hand und eine Thermoskanne mit Wasser in der anderen. Regelmäßig goss er nach und ich fragte mich, ob er damit ins Stadion will. Aber scheinbar schon, auf beiden Behältern war auch das Penarol-Wappen abgebildet. Wie sich beim späteren Recherchieren herausstellte handelte es sich um Mate, das in Argentinien und Uruguay von einem Großteil der Bevölkerung getrunken wird. Nach der zehnminütigen Busfahrt wurden die letzten Meter zu Fuß zurückgelegt und meine Nervosität schoss aufgrund der Historie des Stadions um einiges in die Höhe.


Primera Division Uruguay am 17.09.2011
Penarol Montevideo-Danubio 2:1
Estadio Centenario, Z: 11.000 (500)


Beim Betreten des Stadions spürte ich, wieviel Geschichte jeder einzelne Stein zu erzählen hat. Eingeweiht im Jahr 1930 zur 100-Jahr-Feier der Unabhängigkeit Uruguays (daher der Name Centenario) und zur bevorstehenden ersten Fußball-Weltmeisterschaft. Das Stadion besteht aus den vier Tribünen Colombes, Olimpica, Amsterdam (jeweils mit drei Rängen) und America (mit zwei Rängen). Die Tribünen sind nach den Orten bzw. Turnieren der größten Triumphe der Nationalmannschaft Uruguays in den Jahren vor der Eröffnung des Stadions benannt, als das Team die Olympischen Turniere 1924 in Paris und 1928 in Amsterdam sowie 1924 und 1926 die Copa America gewinnen konnte. Hinter der Tribuna Olimpica steht zudem der berühmte Aussichtsturm. Ein Traum wurde wahr, einmal in diesem Stadion zu stehen.
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Ich holte mir versehentlich eine Karte für den Unterrang (Oberrang wollte ich eigentlich) für die Tribuna America. Naja, so war ich zumindest relativ nah am Spielfeld und ich nahm auf den Steinsitzen Platz, was angesichts des Nieselregens und des Windes nicht wirklich angenehm war.
In Uruguay kommen in dieser Saison 15 der 16 Erstligisten direkt aus dem Großraum von Montevideo, sodass an jedem Spieltag mehrfach Derbytime herrscht. Mit Penarol gegen Danubio war sogar ein Spitzenspiel angesetzt, Zweiter gegen Dritter. Die 400 Fans von Danubio verteilten sich relativ weitläufig im Gästeblock und nur ein kleiner Haufen beteiligte sich dauerhaft an der Stimmung. Ganz anders der Auftritt der Penarol-Fans. Angetrieben von der „Barra Amsterdam“ zogen dauerhaft um die 4.000-5.000 Fans bei den Gesängen mit.
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Wie üblich in Südamerika stimmten bei einigen Gesängen alle Zuschauer, unter anderem auch eine gut anzusehende junge Dame eine Reihe hinter mir (ich war kurzzeitig verliebt!) mit ein, so dass mir trotz der leider nur 11.000 Zuschauer öfter ein Schauer über den Rücken lief. Was für ein ohrenbetäubender Lärm hier fünf Monate zuvor im ausverkauften Stadion beim Finale um die Copa Libertadores (südamerikanisches Pendant zur Champions League) gegen den FC Santos herrschte, konnte ich mir gut vorstellen. Für alle, die es sich nicht vorstellen können, einfach mal bei youtube schauen. Von den zwei Tagen zuvor in Argentinien kamen mir schon einige Melodien bekannt vor. In den folgenden Wochen sollte sich vor allem in Argentinien zeigen, dass viele Lieder nur mit einem ausgetauschten Vereinsnamen bei fast allen Clubs gesungen werden. Ganz anders hier. Die Penarol-Fans konnten vor allem durch eine größere Abwechslung bei mir punkten. Auf dem Rasen waren die schwarz-gelben von Penarol deutlich überlegen. Doch auch hier merkte der neutrale Zuschauer sofort das Problem fast aller südamerikanischen Vereine: die besten Fußballer spielen in Europa. Fehlpässe und vergebene Torchancen zu Hauf gehören zu jedem Spiel dazu. Dennoch konnte Penarol bis zur Pause durch zwei schöne und erfolgreich abgeschlossene Spielzüge mit 2:0 in Führung gehen. Leider war es das auch schon. Auf dem Vorsprung wurde sich in der zweiten Halbzeit ausgeruht, wohlwissend, dass Danubio einfach nicht die spielerische Klasse hat, das aufzuholen. Zu mehr als einem Anschlusstreffer in der vorletzten Minute, der ein Bengalo im Gästeblock aufflammen ließ, reichte es dementsprechend nicht mehr.
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Die Penarol-Fans feierten trotzdem ausgiebig und laut. Ich beobachtete noch eine Weile die Szenerie und genoss die letzten Momente im sich leerenden traumhaften Stadion. Der Ausflug nach Montevideo hatte sich schon jetzt voll gelohnt.

Für den Rückweg in die Stadt wählte ich das Taxi, da mir das System der vielen Busse, die fuhren, nicht geläufig war. Und ich freute mich schon, wie günstig das wird, zeigte das Taxameter kurz vor meinem Ziel gerade einmal „25“ an. Doch zu früh gefreut. Auf dem Taxameter wird lediglich die Anzahl der Einheiten angezeigt. Anschließend holte der Taxifahrer eine Umrechnungstabelle mit dem Faktor drei hervor, was ca. 80 Peso, also nicht einmal drei Euro bedeutete. Er setzte mich direkt vor der Hauptpost ab, da ich für die Sammlung meines Vaters ein Foto eines Postbriefkastens aus Uruguay machen wollte. Aber selbst vor der Hauptpost in der Hauptstadt war keiner zu finden. Komisches Land! Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit ein wenig Sightseeing der wichtigsten Gebäude der Stadt
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und nach einer Pizza zum Abend ging ich ins gebuchte Willy-Fogg-Hostel. Das Hostel war noch nicht ganz ein Jahr alt und daher in einem sehr guten Zustand. Nur die Zimmer waren etwas hellhörig. In der Computerecke lernte ich einen Ungarn kennen, der sich auf einer achtmonatigen Tour durch Südamerika befand und zufällig auch Fußballfan und bei dem Spiel am Nachmittag war. Wir tauschten uns über das Gesehene aus und da eine offizielle Zuschauerzahl auch im Nachhinein nicht zu ermitteln war, einigten wir uns auf 11.000. Ich erzählte ihm natürlich auch vom Europacupsieg des FCM, woraufhin er meinte, das war doch in den 70ern gegen eine italienische Mannschaft, oder? Genau richtig! 2:0 gegen den AC Mailand. Er wollte noch ein bisschen mehr über den Fußball vor allem im Osten Deutschlands wissen, so dass es eine nette Abendunterhaltung wurde.
 

mm_aa_ii_kk

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Sonntag, 18.09.2011

Um halb sechs klingelte bereits mein Handy, denn mein Rückflug nach Buenos Aires sollte um acht gehen. Sonntags morgens fuhren allerdings noch keine Busse, so dass ich wohl oder übel ein Taxi nehmen musste. Am Abend zuvor hatte ich noch gelesen, dass beim Abflug aus Montevideo eine Ausreisesteuer von 36 US-Dollar (oder entsprechend in Peso) in bar zu zahlen ist. Eine Nachfrage beim Check-In ergab zum Glück, dass die bereits im Ticketpreis enthalten sei. Mit 20 Minuten Verspätung startete der Flug und landete dennoch pünktlich in Buenos Aires. Beim Landeanflug auf Buenos Aires hatte ich einen wunderbaren Ausblick auf das Stadion von River Plate, welches direkt in der Einflugschneise des Flughafens liegt. Leider bekam ich meinen Fotoapparat nicht schnell genug aus der Tasche. Mir blieben jedenfalls zwei Stunden bis zum ersten Spiel des Tages. Also schnell per Taxi ins Hostel Tango City, wo ich verwundert feststellte, dass ich mein Acht-Bett-Zimmer nicht mehr allein hatte, sondern es voll belegt war. Noch schnell das Frühstück eingeworfen und aufgrund der fortgeschrittenen Zeit erneut auf das Taxi zurückgegriffen, dass mich pünktlich zur Partie


Primera B Nacional am 18.09.2011
CA Huracan-Independiente Rivadavia 3:0
Estadio Tomas Adolfo Duco, Z: 10.000 (200)


brachte. Für ca. 15 Euro wurde ein steinerner Sitzplatz auf der Haupttribüne genommen. Das Stadion selber ist wieder einmal ein Glanzstück für Stadionnostalgiker. Im 1949 eröffneten und seither nicht renovierten Stadion finden 48.314 Zuschauer Platz. Die Haupttribüne und Gegengerade verfügen über Sitzplätze, hinter der Gegengerade steht ein Turm mit der Aufschrift Huracan und die beiden Kurven bestehen aus Stehplätzen, wo in einer Kurve ein Huracan-Schriftzug und in der anderen Kurve das Emblem abgebildet sind.
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Kein Wunder, dass das Stadion 2007 von der argentinischen Regierung zu einem historischen Bauwerk ernannt wurde. Huracan, dessen großer Erzrivale San Lorenzo ist, war 1973 einmal argentinischer Meister und stieg erst vor Saisonbeginn in die zweite Liga ab. Zur ungewöhnlichen Anstoßzeit, Sonntag 11 Uhr, und trotz Liveübertragung im Fernsehen waren immerhin 10.000 Zuschauer gekommen. Unter denen waren 200 Fans aus dem 1.000 km entfernten Rivadavia.
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Somit hat sich der Abstieg von River Plate, zu dem ich im Laufe des Berichts noch ausführlicher kommen werde, zumindest etwas Positives bewirkt und zwar, dass das Verbot für Gästeanhänger unterhalb der ersten Liga aufgehoben wurde. Die 200 Hinchas verteilten sich in der gesamten riesigen Kurve, beteiligten sich nach dem Einmarsch der Barra aber geschlossen am Support der Mannschaft. Auf der gegenüberliegenden Seite war jedoch tote Hose. Keine aufgehängten Fahnen, keine Barra und keine Gesänge. Ob die Fans einen Protest veranstalteten, entschließt sich meiner Kenntnis. Eine viertel Stunde nach Spielbeginn kamen die Fans von Huracan doch noch, flaggten an, spannten die Fahnen auf und begannen mit den Gesängen.
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Dumm für sie, dass sie damit eine viertel Stunde zu spät kamen. Es ging sofort mit dem Anpfiff rund. Nach exakt zwölf Sekunden netzte Huracan zum ersten Mal ein, was das schnellste Tor bedeutete, das ich live im Stadion gesehen habe. Auch in der Folgezeit spielte Huracan wie die Feuerwehr und sorgte für einen beruhigenden 3:0-Vorsprung zur Pause. Die Fans natürlich obenauf und ganz gut in Aktion. In der Halbzeit, pünktlich zur Mittagszeit, kam bei mir der Hunger durch. Was gibt es da besseres, als eine leckere Hamburguesa, einen simplen Hamburger bestehend aus Brötchen, Fleisch sowie wahlweise Senf, Ketchup oder Majonäse, zu probieren? In der zweiten Halbzeit passierte außer Gesängen bis zur 89. Minute nicht mehr wirklich viel. Doch dann gab es im Mittelfeld ein Kopfballduell, bei dem ein Gästespieler sofort zu Boden sank. Binnen einer Sekunde hatten alle Spieler und Schiedsrichter die Situation richtig, nämlich gefährlich, eingeschätzt. Sofort waren die Mannschaftsärzte zur Stelle und nach ein paar Minuten Spielunterbrechung wurde der Spieler mit einem Schädeltrauma ins Krankenhaus eingeliefert. In diesem Moment wird einem erst mal bewusst, wie gut man es hat. Man kann um die halbe Welt fliegen, um Urlaub zu machen und Fußballspiele zu sehen. Toi, toi, toi. Hoffentlich kann ich das noch eine ganze Weile so machen. Und was machen die argentinischen Fans in dieser Situation? Beide Seiten singen auch während der Unterbrechung einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Nun ja.

Nach der Heimblocksperre fuhr ich mit der U-Bahn zurück zum Hostel, wartete doch am Abend das sportliche Highlight des ersten Wochenendes auf mich:


Primera Division am 18.09.2011
CA Lanus-CA Boca Juniors 1:2
Estadio Nestor Diaz Perez, Z: 30.000 (3.000)


Bei der Partie Lanus-Boca Juniors handelte es sich um das absolute Spitzenspiel in dieser Zeit, Zweiter gegen Erster. Die Olé berichtete seit meiner Ankunft jeden Tag auf mehreren Seiten über dieses Spiel und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die ganze Stadt heiß auf das Spiel ist. Logisch, dass da bereits im Vorfeld ausverkauft vermeldet wurde. Die einzige zuverlässige Möglichkeit, das Spiel doch noch zu sehen, war eine geführter Stadionbesuch über die Agentur „Vamos a la Cancha“. Die verlangten natürlich einen saftigen Aufpreis, aber wenigstens war An- und Abreise inbegriffen. So wurde ich mit 50 Minuten Verspätung am Hostel abgeholt (klar, dass es am Ende zu einer großen Verspätung kommt, wenn allen Teilnehmern die gleiche Abfahrtszeit mitgeteilt wird) und wir fuhren mit ca. 20 Mann im Kleinbus in den Vorort Lanus. Dort wartete noch ein anderer Kleinbus, so dass es letztendlich um die 40 Leute waren. Beim Gang ins Stadion wurde mir auch bewusst, warum der Preis so unverschämt teuer war. Wir haben zwar eine offizielle Karte bekommen, aber ich will nicht wissen, wie viele Ordner dafür geschmiert werden mussten. Im Stadion wurde es lustig, zumindest für mich. Auf Anweisung sollte die ganze Gruppe geführt den Block betreten und Plätze suchen. Da dachte ich mir, das Schauspiel sehe ich mir lieber von außen an. Und es war wirklich lustig. An den Aufgängen standen im Drei-Meter-Abstand Typen von der Agentur, die die Touris auf die Plätze wiesen. Nicht nur mir fiel das auf, auch die normalen Einheimischen machten sich lustig darüber. Ich gesellte mich irgendwann in die Nähe und begutachtete das bereits gut gefüllte Stadion. Der Verein investiert relativ viel Geld in das Stadion, welches sich derzeit im Umbau befindet. Nach der Haupttribüne und Gegengerade hat mittlerweile auch die einheimische Fankurve ein Dach erhalten, was für Argentinien eher untypisch ist. An der Haupttribüne selber wird noch fleißig gebaut, u.a. sollen da wohl neue Presseräume entstehen.
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Wie es sich im Vorfeld angekündigt hatte, das Stadion war brechend voll. Die Leute standen unten am Zaun meistens in fünfer oder sechser Reihen, sie nahmen auf den Trennzäunen zwischen den Blöcken Platz, einfach überall, wo man gerade so Platz fand.
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Verwundert war ich im Nachhinein allerdings über die Zuschauerzahl. Offiziell fasst das Stadion über 46.000 Zuschauer, angegeben wurde aber nur 30.000, was aufgrund der Masse an Menschen nicht hinkommen kann. Zum Einlaufen der Mannschaften boten die Lanus-Hinchas einige optische Sachen auf. Auf der Gegengerade gab es zunächst eine Zettelchoreographie mit dem Schriftzug „La 14“, was der Name der Barra von Lanus ist,
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anschließend eine erste Blockfahne
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und weil es so schön war noch eine zweite Blockfahne. Die Heimkurve machte mit, zunächst mit mehreren tausend langgezogenen Luftballons,
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dann mit der ersten Blockfahne
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und natürlich mit der zweiten Blockfahne hinterher.
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Die Boca-Fans hatten wohl auch Luftballons im Angebot, allerdings konnte ich das von meinem Platz nicht so richtig einsehen. Insgesamt waren im Gästeblock 3.000 Fans dabei, wovon sich leider im Normalfall nur die Hälfte am Support beteiligte. Manchmal, so nach dem 0:1 in der fünften Minute, stiegen alle mit ein und dann wurde es richtig laut im Stadion. So macht Fußball Spaß. Die Lanus-Kurve war auch recht aktiv, zumindest konnte ich das von meiner Position, genau auf der anderen Seite des Stadions, sehen. Akustisch kam trotz des Daches leider nicht so viel bei mir an. Auch die Zuschauer auf den anderen Plätzen stimmten äußerst selten in die Gesänge mit ein. Nur nach dem 1:1 kurz nach Wiederanpfiff sang und stand bzw. hüpfte alles im Stadion. Doch nur eine viertel Stunde später waren die alten Verhältnisse wieder hergestellt, Boca führte und verwaltete die Führung souverän bis zum Ende. Ein guter Abschluss unter das erste Fußballwochenende.
Nach der Blocksperre und der sich länger hinziehenden Rückfahrt hatte ich noch einigen Hunger. Natürlich sollte es das gute Bife de lomo sein. Mittlerweile war es kurz vor 22 Uhr, doch die Restaurants waren voll. So lernte ich die anderen Abendessenzeiten der Argentinier kennen, musste ich doch dafür eine halbe Stunde auf einen freien Platz warten. Das Warten hat sich aber gelohnt und so nahmen die ersten Tage in Buenos Aires ein gutes Ende.
 

mm_aa_ii_kk

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Montag, 19.09.2011

Für zwölf Tage sollte nun erstmal Schluss mit Fußball sein, es galt Land und Leute sowie traumhafte Landschaften zu entdecken. Da ich für die Zeit im Süden des Landes nicht alle Klamotten benötigte, ließ ich einen Teil im Hostel in Buenos Aires zurück und fuhr per Bus, dieses Mal klappte es auch, da ich mittlerweile herausgefunden hatte, dass man dem Busfahrer ein Zeichen geben muss, wenn man mitfahren möchte, zum Flughafen Aeroparque. Hier erwartete mich das reinste Chaos. Um dem Chaos zumindest etwas zu entgehen, wollte ich am Automaten einchecken, was aus mir nicht bekannten Gründen aber nicht funktionierte. Also musste ich mich doch in die endlosen Schlangen einreihen. In einer glücklichen Sekunde wurden mehrere bis dato geschlossene Schalter geöffnet und ich stand so günstig, dass ich durch einen Wechsel der Schlange schätzungsweise eine halbe Stunde Wartezeit gespart habe. Meine 6kg Übergepäck interessierten den Mitarbeiter nicht und mit nur 20 Minuten Verspätung, was angesichts einer durchschnittlichen Verspätungszeit von 48 Minuten in den letzten Monaten ein Glücksgriff war, hob die B737 ab.
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Der „süße“ Flughafen von El Calafate,
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er besitzt gerade einmal zwei Fluggastbrücken sowie ein Gepäckband, empfing uns mit traumhaftem Wetter, Sonnenschein und strahlend blauer Himmel. Wenn Engel reisen… Der vorab bestellte Transfer war nicht zu finden, so dass ich leider auf ein Taxi für den Weg zum Hostel International Point zurückgreifen musste. Und das Hostel war ein absoluter Traum.
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Bis vor einem halben Jahr war es ein Hotel, dementsprechend ist das erst kurz vorher eröffnete Hostel fast schon als luxuriös einzustufen. Das Hostel liegt oberhalb des Ortes, wobei die Ortsmitte trotzdem in fünf Minuten Fußmarsch erreichbar ist, und bietet somit einen fantastischen Ausblick auf Calafate und den Lago Argentino.
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Und das Ganze für 10 € pro Nacht im Drei-Bett-Zimmer, wo ich auf Ben und Matt aus Australien traf, die bereits seit sieben Monaten durch Südamerika tourten und in den letzten Wochen ihres Urlaubs waren. Noch kurz bei Hostelmutti Natalie die Ausflüge für die nächsten beiden Tage klargemacht und dann wollte ich mit den beiden Aussie’s bei „Rick’s“ ein deftiges Abendmahl einwerfen. Für 75 Peso, also ca. 13 EUR, gibt es dort ein All-you-can-eat-Buffet mit Fleisch aus der argentinischen Küche und Beilagen. Doch leider hatte Rick’s an diesem Abend geschlossen, so dass wir mit einem normalen Bife de lomo vorlieb nehmen mussten. Es gibt schlimmeres!


Dienstag, 20.09.2011

Der Wecker klingelt und ich freue mich schon auf den Ausblick auf den Lago Argentino. Doch beim Blick aus dem Fenster bekomme ich einen kleinen Schock. Während tags zuvor noch Sonnenschein und 10 Grad plus herrschten, war alles, was ich sehen konnte, Schnee! Eine komplette Schneedecke und es schneite weiter. Vom See war nicht im Entferntesten etwas zu sehen. Nachdem ich den Schock überwunden hatte, genoss ich mein Frühstück und schmierte mir die Brötchen für mein Lunchpaket. Heute ging es zum Gletscher Perito Moreno, über den ich bereits einige Reportagen und noch mehr Fotos gesehen hatte. Der Bus benötigte für die 80 km von Calafate bis zum Gletscher etwa 5.400 Sekunden, unterwegs wurden 100 Peso Eintrittsgeld für den National Los Glaciares fällig, und das Wetter änderte sich auch nicht. Aber davon wollen wir uns die Laune nicht vermiesen lassen. Den Gletscher und die Landschaft im Schnee zu sehen, ist eben etwas ganz anderes, aber trotzdem atemberaubend. Unter schneebedeckten Bäumen ging es auf den angelegten Pfaden Richtung Gletscher.
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Ich konnte zunächst lediglich die Anfänge des Gletschers erahnen. Im Lauf der Zeit besserte sich das Wetter etwas, so dass nach und nach ein besserer Blick auf die Eismassen möglich wurde.
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Da hat es mir endgültig die Sprache verschlagen. Der Gletscher ist 30 km lang und ca. 250 Quadratkilometer groß. Damit nimmt der Gletscher eine Fläche ein, die um ein Viertel größer als das Stadtgebiet von Magdeburg ist. Auf einer Breite von 5 km war eine 60 Meter hohe Eiswand zu sehen. Dazu kommen nochmal ca. 140 Meter unter Wasser. Der Gletscher gehört zum nach der Antarktis und Grönland drittgrößten zusammenhängenden Festlandeisfeld der Erde und wächst als einer der wenigen auf der Welt auch heute noch regelmäßig und schiebt sich pro Tag ca. einen Meter vorwärts Richtung Lago Argentino. Das eigentliche Spektakel des Gletschers ist auch diesem Wachsen zu verdanken. In unregelmäßigen Abständen brechen Eisbrocken am Ende des Gletschers ab und fallen in den See, was zum Teil ziemlich große Flutwellen auslöst. Der Traum eines jeden Fotografen ist es, solch einen Abbruch, der in Sekundenschnelle vor sich geht, im Bild festzuhalten. Bei den heutigen Sichtverhältnissen war das leider nicht möglich. Man hörte nur alle paar Minuten das Knirschen des brechenden Eises und einen kurzen Moment später den Aufprall im Wasser, was zum Teil beängstigende vor allem aber faszinierende Geräusche ergibt. Nachdem ich eine Weile die verschiedenen Ausblicke genossen hatte, hieß es Abschied nehmen von dem Ausblick, denn es folgte das Highlight des Tages.
Per Bus ging es zu einem kleinen Boot, das uns zunächst auf 200 Meter an den Gletscher heranbringt.
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Näher ran geht es aus Sicherheitsgründen nicht. Während man von den Aussichtsterrassen schon ein erstes Gefühl für die Größe des Eises bekommt, wird es so noch besser. Man fühlt sich nur noch klein. Das Boot setzte uns auf der anderen Seite des „Brazo Rico“, einem Nebenarm des Lago Argentino, ab und es begann die zweistündige Trekking-Tour auf dem Gletscher. Hierfür wurden uns spezielle Steigeisen an den Schuhen angebracht, um auch immer einen festen Stand zu haben. In einer Gruppe von 30 Leuten wurden verschiedene Wege auf dem Eis erklommen und alle paar Meter gab es neue Aussichten auf die verschiedensten Eisformationen, kleine Gletscherbäche oder Seen, die sich gebildet hatten.
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Und vieles schimmerte aufgrund der Brechung des Lichts in verschiedenen Blautönen. Am höchsten Punkt unserer Wanderung, es hatte mittlerweile auch aufgehört zu schneien, hatten wir einen grandiosen Ausblick. Zum einen in die Richtung, aus der der Gletscher kommt und zum anderen abwärts auf das Eis und den dahinterliegenden See. Zum Ende der Wandertour gab es auf dem Gletscher Whisky. Normalerweise trinke ich Whisky natürlich ohne Eis, aber wenn das Eis Jahrtausende alt ist und frisch aus dem Gletscher geschlagen wird, kann man schon mal eine Ausnahme machen.
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Mit unglaublichen Eindrücken ging es zurück nach El Calafate, so hatte ich mir das, mit Ausnahme des Schneefalls, auch vorgestellt. Ich dachte mir, auf jeden Fall muss ich eines Tages nochmal zurückkommen, um den Gletscher auch bei gutem Wetter zu sehen. Eine Erfahrung hatte ich an diesem Tag gemacht. So hohl der Spruch „Es gibt kein falsches Wetter, es gibt nur falsche Kleidung.“ auch klingen mag, er hat sich bewahrheitet. Die extra vor dem Urlaub gekauften atmungsaktiven, aber auch wasser- und windabweisenden Klamotten waren ihr Geld wert. Dennoch dachte ich mir, einen dünnen Fleecepullover zum Unterziehen könnte ich noch gebrauchen. Im Touristenort Calafate gibt es natürlich jede Menge Läden, die derartige Dinge anbieten. Im ersten Laden passte gleich ein Pullover, Kostenpunkt sollten ca. 90 Euro sein. Ich würde aber 10 % Rabatt bekommen, wenn ich bar und nicht mit Kreditkarte zahlen würde. Da ich so viel Bargeld und die Pin für die Kreditkarte nicht dabei hatte, musste ich halt auf den Rabatt verzichten. Nur funktionierte meine Kreditkarte in dem Laden auch beim Bezahlen nicht, obwohl sie eine halbe Stunde vorher noch in einem anderen Laden ging. Nach dem dritten Versuch habe ich aufgegeben und bin in den nächsten Laden, wo es den gleichen Fleecepullover für 60 Euro gab. Hier funktionierte die Kreditkarte auch wieder, Glück gehabt!
Im Hostel waren die beiden Australier überraschend abgereist und ich bekam einen Argentinier als neuen Zimmergenossen, der es sich gleich in der Badewanne des Zimmers bequem machte. Als ich zweieinhalb Stunden später vom Essen zurückkam, lag er immer noch drin. Damit nicht genug. Als er endlich draußen war, fing er an seine Wäsche per Handwäsche im Waschbecken zu waschen. Irgendwann bin ich hin und meinte, ich müsste mal kurz ins Bad, da ich ins Bett will. Widerwillig ließ er mich für fünf Minuten rein, aber die Zeit reichte mir, um kurze Zeit später einzuschlafen.
 

mm_aa_ii_kk

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Mittwoch, 21.09.2011

Für diesen Tag hatte ich mir eine Trekking-Tour im kleinen und erst 1985 extra für den Tourismus gegründeten Dorf El Chalten
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bzw. dessen Umgebung ausgesucht. Für die 220 km wurde ein Linienbus gewählt, Kostenpunkt pro Richtung 75 Peso. Nach drei Stunden Fahrt inkl. einem Zwischenstopp an einer Polizeistation kurz nach dem Ortsausgang von El Calafate, wo von allen Reisenden per Reisepass gecheckt wird, ob sich diese auf der Passagierliste des Busfahrers befinden, und einem Zwischenstopp an der Estela Lodge, wo die erste von sieben Sandproben für einen befreundeten Sandsammler eingepackt wurde, folgte eine Einweisung im Infobüro des Nationalparks, wo erläutert wurde, dass es zwei Wanderwege zum Cerro Fitz Roy bzw. zum Cerro Torre gibt und ein paar Streckenabschnitte wegen des starken Schneefalls in den letzten Wochen nicht passierbar sind. Um beide Berge zu sehen, sollte man besser zwei Tage einplanen, ich hatte aber nur sieben Stunden, bis der Bus zurückfuhr und entschied mich für den Weg zum Cerro Torre.
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Da aber selbst die sieben Stunden nicht reichen würden, um bei zügigem Tempo den kompletten Weg zurückzulegen, das Wetter eh die Berge in den Wolken verschwinden ließ und mein Knie nach wie vor Probleme bereitete, wollte ich nur bis zum ersten Aussichtspunkt der Strecke und dann auf einem anderen Weg wieder zurück. Ich ließ es gemütlich angehen und das war auch gut so. In den nächsten Stunden wanderte ich durch eine zauberhafte Winterlandschaft, vorbei an schneebedeckten Bäumen und Sträuchern, über kleine Bäche usw.
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Und das allerschönste war, dass so gut wie keine Menschenseele unterwegs war. Ich war auf dem Hauptwanderweg zum Cerro Torre unterwegs und in den gut fünf Stunden meiner Wanderung begegneten mir gerade einmal sechs andere Menschen. An verschiedenen Stellen und kleineren Aussichtspunkten verweilte ich einfach mehrere Minuten, stand oder saß da, betrachtete die Landschaft und hörte nichts, absolut gar nichts! In diesen Momenten kam mir der Depeche Mode-Song „Enjoy the Silence“ immer wieder in den Kopf und ich genoss einfach die Stille fernab von der Zivilisation und von Hektik, Stress usw. Am bereits angesprochenen ersten Aussichtspunkt präsentierte sich vor mir eine dermaßen geile Winterlandschaft, dass ich hier fast eine Stunde verblieb und einfach nur immer und immer wieder in das Tal und auf die angrenzenden Berge blickte. Bob Ross hätte eine solche Landschaft nicht besser malen können!
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Für den Rückweg wählte ich die Nordroute des Cerro-Torre-Weges, wo ich beim Abstieg in Richtung El Chalten einen fantastischen Ausblick auf das kleine Dorf selber bekam. Traumhaft, wie es in einem riesigen Tal liegt und so klein und verträumt aussieht.
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Die Rückfahrt mit dem Bus zog sich dann leider unendlich in die Länge. Ca. 50km vor El Calafate, es war mittlerweile stockfinster, bremste der Fahrer plötzlich ab und bog auf einen einsamen Feldweg ab. Im Schritttempo ging es weiter, bis wir an einem kleinen Fluss waren, wo der Bus dann stoppte. Ein etwas mulmiges Gefühl bekam ich schon, irgendwie war mir die Situation nicht ganz geheuer. Doch die große Sorge war unbegründet. Der Bus hatte einfach keine Kühlflüssigkeit mehr und der Motor war heißgelaufen. Der Busfahrer watschelte also mehrfach zum Fluss, um Wasser für die Kühlung zu holen, womit wir endlich weiterfahren konnten. Allerdings nur bis zum nächsten Fluss, wo erneut Wasser geholt wurde. Das ganze wiederholte sich bis El Calafate noch weitere vier Mal und nach der obligatorischen Passkontrolle kurz vor dem Ort waren wir mit zwei Stunden Verspätung auch schon zurück.


Donnerstag, 22.09.2011

Vor meinem Weiterflug nach Ushuaia am späten Nachmittag konnte ich noch einmal richtig El Calafate erkunden. Doch was soll man erkunden, wenn die Hauptattraktion des Ortes 80 km entfernt liegt und das Zentrum des Ortes eine Straße bildet, die man mit zehn Minuten Fußmarsch beidseitig komplett erkundet hat und dies auch an den drei Abenden zuvor bereits getan hat? Mich zog es dann Richtung Lago Argentino, in erster Linie, um zu schauen, ob ich dort eine Sandprobe einsacken kann. Auf dem Weg dorthin sah ich Hinweisschilder für die Laguna Nimez, einer kleinen Lagune zur Vogelbeobachtung. Na, wenn das nichts ist! Für 20 Peso wurde mir der Eintritt gewährt und los ging es. Mit dem Informationsblättchen konnte sogar ich ein paar Vögel und Sträucher identifizieren. Am Punkt, der am weitesten vom Eingang, aber am kürzesten vom Lago Argentino entfernt war, bot sich mir die Möglichkeit, über den halb niedergetretenen Zaun zum See zu gehen und dort den Sand einzusammeln. Dabei bin ich kurzzeitig am Zaun hängengeblieben und hätte mich fast noch hingelegt. Aber ich bin ja selber schuld, wenn ich die Skizze auf dem Infoblatt vorher nicht genauer anschaue. Denn 100 Meter weiter, hinter der nächsten Kurve, gibt es ein offizielles Tor, durch das man zum See kommt und erneut traumhafte Ausblicke genießt.
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So richtig zogen mich die Vögel nicht in den Bann und ich ging zurück in den Ort. Nach einer Portion Nudeln wollte ich die restliche Wartezeit im Hostel bei dem bereits geschilderten traumhaften Ausblick genießen. Denn pünktlich zu meiner Abreise wurde das Wetter wieder gut, kein Wölkerneut chen am Himmel und die Sonne schien mir ins Gesicht. Der Flughafentransfer klappte diesmal auch und ich war gespannt auf den Check-In. Dank Mitbringseln für die lieben Verwandten hatte sich das Gewicht meines Koffers mittlerweile auf 23 kg erhöht, was 8 kg Übergepäck bedeutete. Und was passierte? Richtig, nichts! Das Boarding für die B737
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war so ziemlich das dämlichste, was ich je erlebt habe. Zunächst wurden wie üblich alle Passagiere für die hinteren Flugreihen herein gebeten. Klar, dass da auch Panik bei 80 % der anderen Passagiere aufkommt und diese Richtung Gate stürmen, es könnte ihnen ja jemand den nummerierten Sitzplatz wegnehmen. Was allerdings neu war, dass die Mitarbeiter auch wirklich keinen anderen Passagier aus den vorderen Sitzreihen an Bord gelassen haben, bevor nicht alle aus den hinteren Sitzreihen an Bord waren. Und da zwei Passagiere aus den letzten Reihen mehr als fünf Minuten auf sich warten ließen, mussten alle anderen eben noch warten. Irgendwann war auch dieses Thema durch und es ging nach Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt. Der Landeflug führte über zahlreiche Bergketten und natürlich Kanäle und aufgrund der langsam sinkenden Sonne boten sich fantastische Ausblicke auf die schneebedeckten Gipfel.
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Mit dem Taxi fuhr ich vom Flughafen zum Antarctica Hostel und schon auf dem Weg dorthin fiel mir sofort das örtliche Fußballstadion, welches selbstredend das südlichste der Welt ist, auf. Das Hostel hat einen sehr geräumigen, aber trotzdem gemütlichen Gemeinschaftsbereich, in dem mir ein paar Deutsche, die hier im Skiurlaub waren, über den Weg liefen. Einziger Nachteil im Hostel ist die räumliche Trennung von Schlaf- und Waschräumen. Beim Verlassen der Schlafräume tritt man zunächst auf einen Gang, der an der frischen Luft liegt, um dann wieder in das Gebäude und die Waschräume zu gelangen. Auch wenn der Gang je nach Lage des Zimmers maximal 20 Meter lang ist, bei Minusgraden überlegt man sich schon, ob man den ein oder anderen Gang wirklich machen muss.
 

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Freitag, 23.09.2011

Eigentlich wollte ich an diesem Tag am Ende der Welt
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eine Trekking-Tour durch den Nationalpark Tierra del Fuego machen. Doch als ich am Abend zuvor die Tour buchen wollte, hieß es, dass für diesen Tag eine Privatperson für eine größere Gruppe irgendwie alle Kapazitäten geblockt hatte. Halb so wild, dachte ich mir, mache ich das eben die Woche drauf, wenn ich nochmal wiederkomme. Und so startete ich morgens per Taxi zumindest in die Richtung und fuhr zur Bahnstation kurz vor dem Nationalpark.
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Hier fährt, stark touristisch angehaucht, die südlichste Eisenbahn der Welt.
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Beim Fahrkartenkauf wurde ich negativ überrascht. Es hieß im Vorfeld, dass ich die Fahrkarte mit der Visa-Karte bezahlen kann, da Visa der Hauptsponsor des Zuges ist und auf jedem Flyer für den Zug das Visa-Zeichen abgebildet ist. Doch akzeptiert wurde nur Bargeld. Wohlwissend, dass einem in Südamerika immer solche negativen Überraschungen unter kommen können, hatte ich gerade genug Bargeld für die Karte dabei. Dass man dann im Souvenirshop, der nur zehn Meter neben dem Fahrkartenschalter lag, mit der Visa-Karte bezahlen konnte, verstehe ich bis heute nicht wirklich. Die Fahrt des von einer Dampflokomotive gezogenen Zuges ging sehr gemächlich vonstatten. Für die fünf Kilometer lange Strecke wurden inklusive einer zehnminütigen Fotopause immerhin 50 Minuten benötigt. Mit dem gleichen atemberaubenden Tempo ging es auch wieder zurück, nur ohne Zwischenstopp, und ein Taxi brachte mich wieder zurück nach Ushuaia.

Am Nachmittag startete ich zu einer kleinen Bootstour auf dem Beagle-Kanal. Auf dem Boot waren außer mir noch fünf andere Passagiere, zwei Holländer, zwei Brasilianer und ein Spanier. Den beiden Holländern erklärte ich auf der Fahrt ausführlich, warum der nächste Europa- und Weltmeister niemand anderes außer Deutschland sein kann und natürlich erzählte ich ihnen von diesem Europapokalsieg 1974, der sich im Kuip von Rotterdam zugetragen hat. Wenn es gerade einmal nicht um Fußball ging, hatte die Landschaft einiges zu bieten. Links schneebedeckte Berge in Argentinien, rechts schneebedeckte Berge in Chile
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und wir auf einem kleinen Boot auf dem Weg zu einer kleinen vorgelagerten Insel, wo der Leuchtturm Ushuaias den Schiffen den Weg weist.
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Gleich neben dem Leuchtturm liegt eine weitere Insel, wo Kormorane ihr Brutgebiet eingerichtet haben. Da unser Boot sehr klein war, konnten wir auch bis auf drei Meter an die Insel und die Tiere heranfahren und so aus nächster Nähe die Tiere beobachten.
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Zeitgleich mit uns kam ein größeres Touriboot an, das mit mehr als 100 Leuten beladen war und aufgrund der Größe 30 Meter von der Insel entfernt lag. Alles richtig gemacht würde ich sagen. Weiter ging unsere Fahrt zur nächsten Insel, wo eine Kolonie von Seelöwen ihr zu Hause hat und sich überwiegend faul aber glücklich aussehend der wärmenden Sonne hingab.
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Nach einer weiteren Insel mit Kormoranen
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folgte ein kurzer Landgang, wo uns einiges über die Flora und Fauna in dieser Gegend erzählt wurde. Mit einer warmen Tasse Tee und einem Glas Whisky fuhren wir zurück nach Ushuaia.

Nach der Bootsfahrt dachte ich, dass der Tag nicht mehr besser werden kann. Doch ich sollte mich täuschen. Gegen halb acht machte ich mich auf den Weg, ein Restaurant zu finden, um meinen Hunger mit einem Bife de lomo zu stillen. Ich ging Richtung Hafen und sah, dass in dem bereits erwähnten Stadion das Flutlicht an war. Irgendein inneres Gefühl sagte mir, dass es sich dabei an diesem Freitagabend nicht nur um ein Training handeln kann. Also schnell die zwei Kilometer hingewatschelt und siehe da, dort spielten tatsächlich zwei Teams:


Freundschaftsspiel am 23.09.2011
Los Oros del Fin del Mundo-Polizeiauswahl Ushuaia 3:2
Estadio Hugo Lumbreras, Z: 8


Dass es kein gewöhnliches Fußballspiel war, konnte ich mir schon denken, waren außer mir doch lediglich sieben andere Zuschauer anwesend. Aber es standen zwei Mannschaften in Trikots auf dem Platz und ein Schiedsrichter leitete das Spiel. Mich interessierte natürlich, was das für ein Spiel war und wer hier spielte. Ich fragte alle sieben anderen Zuschauer, ob jemand von ihnen „ingles“ sprechen würde. Leider verneinten alle, so dass ich erstmal auf der ca. 3.000 Zuschauer fassenden Holztribüne Platz nahm. Nach einiger Zeit ging einer der Zuschauer in den Innenraum, rief ein paar Anweisungen auf das Spielfeld. Dann winkte er mir zu, dass ich mal zu ihm kommen sollte. Ich also hin und schon kam der Torwart der einen Mannschaft zu mir. Er sprach zumindest etwas Englisch und sollte mir nun erklären, wer hier spielt. Wohlgemerkt, das Spiel lief in der Zwischenzeit weiter und der Torwart rief noch kurz seinem Abwehrspieler zu, er solle mal kurz auf das Tor aufpassen. So richtig gut Englisch konnte er leider auch nicht, so dass meine einzige neue Information war, dass es sich um ein Freundschaftsspiel handelte. Einige Zeit später kam der Mann, der mich vorher auch in den Innenraum gewunken hatte, zu mir und drückte mir sein Handy in die Hand. Verdutzt nahm ich es und meldete mich vorsichtig mit „Hello“. Am anderen Ende der Leitung war die Tochter des Mannes, die im 3.000 km entfernten Mendoza wohnt. Ihr Vater hatte ihr die Situation auf Spanisch erklärt und sie erzählte mir die ganze Geschichte nun auf Englisch. Es handelte sich um die einheimische „Los Oros del Fin del Mundo“ (sinngemäß etwa „eine Vogelart vom Ende der Welt“), die sich auf ein Pokalspiel in einigen Wochen vorbereitet, gegen die Polizeiauswahl aus Ushuaia. Ich bedankte mich bei der Tochter und bei dem Vater für die überaus herzliche Gastfreundschaft und gab das Telefon zurück. Fünf Minuten später bekam ich noch einmal das Telefon ans Ohr gedrückt. Die Tochter sollte mir unbedingt noch ausrichten, dass er der Hauptsponsor des Teams „Los Oros“ ist und ihnen gerade einen neuen Trikotsatz spendiert hatte. Sportlich war die Partie nicht die allerbeste Kost. Am Ende der Welt wurde es ein vom Winde verwehtes 3:2. Äußerst glücklich, dass ich im südlichsten Ground der Welt ein Fußballspiel gesehen hatte, schmeckte das wohlverdiente Bife de lomo umso besser.
 

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Samstag, 24.09.2011

Bevor um 18 Uhr das Schiff für die viertägige Kreuzfahrt Ushuaia verlassen sollte, hatte ich noch einen ganzen Tag nichts zu tun. Also wurde ausgeschlafen und gemütlich gefrühstückt sowie mal wieder ausführlich im Netz gesurft. Der Check-In inkl. Gepäckaufgabe für die Schifffahrt verlief ohne Probleme. Mein weiterer Plan bestand darin, durch den Ort zu schlendern und das schöne Wetter zu genießen. So ging ich noch einmal zum Stadion. Wenn ich schon ein Spiel dort gesehen habe, wollte ich auch Fotos davon haben.
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Und wie es der Zufall so wollte, lief bei meiner Ankunft erneut ein Fußballspiel, nämlich


C-Jugend-Feuerlandliga am 24.09.2011
Luz Y Fuerza-Mercantil A 3:0
Estadio Hugo Lumbreras, Z: 31


Und schon hatte ich eine Beschäftigung. Bis zur Abfahrt waren es noch fast sieben Stunden, die Sonne schien, was kann es da schöneres als Fußball am Ende der Welt geben? Es spielten die C-Jugend-Mannschaften von „Licht und Strom“ gegen „Handel“. Die Zuschauerzahl war um einiges höher als am vorherigen Abend, wobei die meisten Zuschauer Spieler aus den Mannschaften waren, die als nächstes hier spielten. Licht und Strom war die technisch bessere Mannschaft und münzte dies auch geschickt in Tore. Nach jedem Tor gab es sogar ein kleines Hupkonzert von den Autos, die hinter dem Stadionzaun parkten. Kurios dabei das 1:0. Es gab einen Freistoß für Luz Y Fuerza kurz vor der Mittellinie in der eigenen Hälfte. Ich denke mir noch so, dass gerade ein ganz schön starker Rückenwind herrscht. Wenn der Ball scharf nach vorn geschossen wird, kann es gefährlich werden. Und siehe da, Anlauf, Schuss, der Ball fliegt in einem hohen Bogen, kommt an der Strafraumgrenze einmal auf und hüpft im nächsten Bogen über den Torwart ins Netz. Ein direktes Freistoßtor aus der eigenen Hälfte, noch dazu in der C-Jugend, hatte ich bisher auch noch nicht gesehen. Nach dem Ende des Spiels wollte ich eigentlich schon wieder los, als sofort die nächsten Spieler auf den Platz kamen. Vor den Umkleidekabinen fand ich zudem einen Spielplan für das Wochenende, der aussagte, dass an beiden Tagen von neun bis achtzehn Uhr Jugendspiele stattfinden würden.
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Da bleibe ich doch noch!


B-Jugend-Feuerlandliga am 24.09.2011
Los Andes-Jose Hernandez 6:1
Estadio Hugo Lumbreras, Z: 51


Ich erlebte die für mich höchste Zuschauerzahl meiner drei Ushuaia-Spiele. 51 Zuschauer in der Spitze weilten auf den Rängen, um das B-Jugend-Spiel Los Andes („Die Anden“) gegen Jose Hernandez zu sehen. Dabei waren die Zuschauer in den nach den Toren hupenden Autos nicht mitgezählt. In der ersten Halbzeit konnten die wohl gerade der C-Jugend entwachsenen Gäste noch einigermaßen mithalten, es stand 1:1. In der zweiten Halbzeit drehten die durchschnittlich einen halben Kopf größeren „Anden“ auf und gewannen am Ende souverän und verdient mit 6:1. Für mich war damit die Fußballdosis des Wochenendes vorbei, ein weiteres Jugendspiel wollte ich mir nicht mehr geben, da ich mittlerweile auch ziemlichen Hunger hatte.

Gegen 17 Uhr begab ich mich zum Hafen und enterte die „Via Australis“, ein Kreuzfahrtschiff für 136 Passagiere.
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Ich wurde freundlich begrüßt und in meine 15 m² große Kabine gebracht,
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wo bereits mein Gepäck auf mich wartete. Es folgte ein erster Erkundungsgang über das Schiff und gegen 18 Uhr wartete der Kapitän mit einem Begrüßungscocktail oder wahlweise auch einem Glas Champagner auf die Passagiere. Gegen 20 Uhr hieß es Leinen los. Vor mir lagen vier Tage Kreuzfahrt, die mich über die Stationen Kap Hoorn, Wulaia-Bucht, die Gletscher Pilot und Plüschow und die Pinguinkolonie auf der Insel Magdalena nach Punta Arenas in Chile führen sollte. Beim Auslaufen versammelten sich verständlicherweise fast alle der etwa 100 anwesenden Passagiere auf dem Deck, um letzte Fotos von Ushuaia und der umliegenden Berglandschaft im Sonnenuntergang zu machen.
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Ich spürte schon, dass die Kreuzfahrt eine besondere werden sollte.

Unmittelbar danach folgte die wichtigste Entscheidung für die nächsten vier Tage. Es galt im Restaurant einen Tisch mit guten Tischnachbarn zu bekommen. Ich wusste bereits, dass noch fünf andere Deutsche an Bord waren. Zwei davon waren mir bereits unbewusst auf dem Flug nach Ushuaia, der Zugfahrt sowie beim Check-In aufgefallen und irgendwie sagten die mir gar nicht zu. Als mich der Kellner fragte, welche Sprache ich spreche, sagte ich Englisch. Deutsch als Antwort hätte mich unter Garantie an den deutschen Tisch gebracht und das wollte ich nicht. Beim Gang durch das Restaurant rief auf einmal jemand hinter mir „Come here! Sit down!“ Es war ein brasilianisches Pärchen in meinem Alter. Auf meine Frage, ob sie Englisch können, meinten sie, ja ein bisschen, aber das würde schon gehen. Sie erklärten mir, dass noch drei Spanier an unseren Tisch kommen, die sie am Abend zuvor im Irish Pub in Ushuaia kennengelernt hatten. Ein paar Minuten später waren die Spanier auch da und unser Tisch war vollzählig. Zwei von den anderen konnten kein Englisch, was aber nicht weiter wild war. Entweder wir verständigten uns per Hand und Fuß oder einer der anderen übersetzte. Beim Essen tauschten wir uns über uns aus. Die beiden Brasilianer kamen aus Blumenau, einer Stadt, die 1850 von deutschen Einwanderern gegründet worden war. In Blumenau findet alljährlich das nach dem Münchner Oktoberfest zweitgrößte Oktoberfest der Welt statt. Die drei Spanier hatten erst am Abfahrtstag selber die Fahrt gebucht, nachdem sie sich am Abend zuvor mit den beiden Brasilianern darüber ausgetauscht hatten. Das spanische Pärchen befand sich in den Flitterwochen, sie hatten ein paar Wochen zuvor geheiratet, nachdem sie bereits 18 Jahre ein Paar waren. Ich wunderte mich, dass sie für die Flitterwochen Argentinien ausgewählt hatten, da in Deutschland bekanntlich ruhige Strandurlaube auf idyllischen Inseln eher typisch sind. Sie erklärten aber, dass Argentinien für Spanier das Flitterwochen-Ziel Nummer eins ist. Auf dem Schiff waren übrigens noch vier weitere spanische Paare auf Hochzeitsreise. Und dann war da noch der beste Freund Bräutigams. Wer sich denkt, das geht ein bisschen weit, dass der beste Freund mit in die Flitterwochen reist, denkt vollkommen richtig. Sie hatten unabhängig voneinander die Urlaube gebucht, da sie gar nicht wussten, dass die anderen auch dorthin reisen. Der Zufall war sogar so groß, dass sie in dem gleichen Flieger nach Argentinien flogen und trotz unterschiedlicher Check-In-Zeiten sogar in der gleichen Reihe platziert wurden. Nachdem sie zunächst einige Zeit getrennt reisten, haben sie sich in Ushuaia wiedergetroffen und reisten nun gemeinsam weiter. Im Laufe des Essens begrüßte auch die Schiffsmoderatorin uns Gäste. Sie erzählte uns, dass insgesamt Passagiere aus 13 Ländern an Bord seien, die sie gern einmal aufzählen würde. Sie fing an mit „Alemania“ und meine fünf Tischnachbarn brachen in einen wahren Jubelsturm aus, um mich zu feiern. Ich fand das tierisch lustig und hätte zu gern die Gesichter des „deutschen Tisches“ gesehen. Die Zeit verging wie im Flug und irgendwann hatten wir unseren Platz vom Restaurant an die Bar verlegt. Hier und auch die restliche Zeit auf dem Schiff herrschte zu unserer freudigen Überraschung „All inclusive“. Nach einigen Cocktails meinten die anderen zu mir, ich solle doch mal einen typisch deutschen Nationaltanz vorstellen. Ich überlegte einige Zeit, aber mir wollte keiner einfallen. Ich meinte daraufhin, es gibt gar keinen richtigen deutschen Volkstanz. Die Brasilianer fragten, was mit einer Polka sei. Und noch ehe ich antworten konnte, griffen die Spanier lachend ein und meinten, das sei kein deutscher Tanz. Fortan nannten wir uns aber das Polka-Team und ich war der „Crazy German“. Auch wenn es eine sehr lustige Runde war, verabschiedete ich mich bereits gegen halb zwei, sollte es doch am nächsten Morgen zu einem echten Highlight früh raus gehen.
 

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Sonntag, 25.09.2011

Bereits um sechs Uhr klingelte der Wecker für den morgendlichen Ausflug. Wir hatten die Südspitze Südamerikas, Kap Hoorn erreicht. Das war im Prinzip der Hauptgrund, warum ich die Kreuzfahrt überhaupt gemacht habe, um einmal am Kap Hoorn zu stehen. Das Kap selber liegt auf einer Insel und ist auf einfachem Weg nicht zu erreichen. Zu große Schiffe können gar nicht herkommen und auch bei uns lag eine Ungewissheit vor, da immer spontan vor Ort entschieden wird, ob das Wetter gut und die Wellen flach sind, dass man den Landgang starten kann. Bei schlechtem Wetter muss man unverrichteter Dinge wieder abziehen. Und so standen 100 dick eingepackte Passagiere mit ihren Rettungswesten im Salon bei Kaffee, Tee und Kuchen und warteten auf das entscheidende Signal. Es war recht stürmisch und etwas neblig draußen und ich verabschiedete mich innerlich schon von dem Ausflug, als über das Funkgerät der Spruch „We can go“ hereinkam. Über vier Zodiac-Schlauchboote wurden wir nach und nach an Land gebracht.
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Es folgte ein kleiner Fußmarsch zum 1992 eingeweihten Kap Hoorn-Denkmal, das eine Möwe symbolisiert.
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Vom Denkmal hat man einen Ausblick auf das eigentliche Kap, den südlichsten Zipfel der Insel, der noch einmal drei Kilometer weiter liegt.
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Hier zu stehen und zu wissen, es geht nicht mehr weiter, hier kommt in 1.000 km nur noch die Antarktis, das ist nur geil! Weiter ging es mit einem Fußmarsch zum Leuchtturm der Insel,
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wo ein Offizier der chilenischen Armee mit Frau und Sohn lebt. Auf die drei Einwohner passt der (natürlich) südlichste Wachhund der Welt.
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Wohlwissend, was Touristen wollen, haben sie einen kleinen Souvenirshop sowie ein Gästebuch. Ich erstand ein T-Shirt „Cape Hoorn – End of the world“ und trug mich unter Block U in das Gästebuch ein. Zu guter Letzt ging ich in die obere Etage des Leuchtturms und hier traf mich der Schlag. Ich dachte nur, Scheiße! Vor meiner Abreise aus Deutschland hatte ich mir extra drei kleine Wimpel vom FCM gekauft, um sie bei einer passenden Gelegenheit irgendwo in Südamerika zu lassen. Und hier, in der oberen Etage des Leuchtturms am Ende der Welt hingen an die 100 Wimpel von verschiedenen Ländern, Städten und diversen anderen Sachen, aber nach meinem Blick kein einziger Fußballwimpel. Das wäre der ideale Ort für einen meiner Wimpel gewesen. Doch die lagen auf dem Schiff, da ich nicht im Gedanken darauf gekommen wäre, dass ich einen an Kap Hoorn lassen könnte. Verdammt! Fortan hatte ich für den Rest der Reise immer einen Wimpel in der Tasche. Ich hatte ja eben schmerzlich erfahren, dass es immer einen überraschenden Ort geben kann. Nach zwei Stunden ging es per Schlauchboot zurück und das wärmende Frühstück war eine Wohltat.

Den Rest des Tages nutzte ich für das Schreiben von Ansichtskarten an die liebe Familie und Freunde und ich kam endlich mal etwas länger dazu, das neueste Buch meines Lieblingsautors zu lesen, das, welch ein Zufall, zu einem gewissen Teil auch in Buenos Aires spielt. Am späten Nachmittag erreichten wir die Wulaia-Bucht in der Nähe des Beagle-Kanals. Mit den Zodiacs fuhren wir an Land und wir starteten zu einer einstündigen leichten Bergwanderung. Am Aussichtspunkt verschlug es mir, wie so oft auf dieser Reise, wieder einmal die Sprache. Die Bucht zeigte sich in ihrem vollen Panorama, mal im Sonnenschein, mal kurz bewölkt und mal stießen die Sonnenstrahlen durch die Wolken, was unglaubliche Lichteffekte und Ausblicke ergab.
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Ich hätte stundenlang da oben sitzen und die Aussicht genießen können. Auf dem Rückmarsch gab es einen heißen Kakao oder Tee mit Whisky und im Sonnenuntergang verließen wir die Bucht.

Nach dem Abendessen hieß es Bingo-Nacht! Ich sagte im Vorfeld zu den anderen, dass ich denke, dass einer von unserem Tisch dabei den Hauptpreis gewinnen wird. Kaum ausgesprochen, schon war unser Brasilianer der Erste, der sein Spielbrett voll hatte und „Bingo!“ brüllen konnte. Sein Preis war ein Fleece-Pullover, wie ich ihn mir in El Calafate gekauft hatte. Mit diversen Cocktails endete auch dieser Abend wieder standesgemäß an der Bar.


Montag, 26.09.2011

Der heutige Tag konnte zunächst einmal dazu genutzt werden, das Schlafdefizit der letzten Nächte aufzuholen. Der Vormittag bestand lediglich aus Frühstück, Vorträgen an Bord sowie dem Mittagessen. Dann noch eine Prise Mittagsschlaf und wir konnten den nächsten Ausflug starten. Wir waren in den chilenischen Fjorden angekommen und aufgeteilt nach Nationalitäten in zwei Gruppen fuhren wir mit den Zodiacs in einen etwas kleineren Fjord, an deren Ende sich der Gletscher Piloto befand, der ähnlich dem Perito Moreno relativ viel Eis abwirft. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt staute sich das Eis in dem Fjord und die Zodiacs hatten mit ihren Motoren ganz schön zu kämpfen, um voran zu kommen.
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Irgendwann ging es ohne das Risiko, dass die Schlauchboote beschädigt werden, nicht mehr weiter. Das reichte aber, um wieder einmal tolle Erinnerungsfotos zu machen.
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Auf der Rückfahrt näherten wir uns einem kleinen Wasserfall, der über 100 Meter hoch war.
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Eine Brasilianerin nahm das Angebot des Guides an und nahm eine kleine Dusche am vorderen Ende unseres Zodiacs. Wohlgemerkt, Temperaturen um die null Grad und der Wind war auch nicht zu verachten. Bei der Rückkehr zum Schiff wurden wir wieder mit Kakao mit Whisky empfangen, sehr fein. Direkt im Anschluss bestand die Möglichkeit, die Brücke zu besuchen. Es war interessant zu erleben, mit welcher Sorgfalt der Kapitän und seine Crew das Schiff durch die Fjorde steuerten. Wir fuhren weiter zum Günther-Plüschow-Gletscher, der nach einem deutschen Flugpionier benannt war, der in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehr viel für die Entwicklung von Feuerland machte und unter anderem die erste Luftpost zwischen Ushuaia und Punta Arenas realisierte. Und was soll ich zu einem erneuten Gletscher schreiben? Es ist einfach Eis, aber jeder Gletscher sieht anders aus, besitzt andere Formationen und bietet von jedem Blickwinkel völlig andere Eindrücke.
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Es wurden Fotos geschossen, insbesondere standen hier bei allen Passagieren Erinnerungsfotos mit anderen Passagieren auf der Motivliste ganz oben. Nebenbei sagten mir meine Tischnachbarn, dass sie spontan beschlossen hatten, noch gemeinsam in Chile nach Puerto Natales und zum National Park Torres del Paine weiterzureisen und ob ich nicht Lust hätte mitzukommen. Lust hatte ich auf jeden Fall, doch bestand da das kleine Problem, dass ich ja in Ushuaia bereits das Hostel gebucht hatte und auch mein Flug zurück nach Buenos Aires von Ushuaia gehen sollte. Von Puerto Natales blieb mir als Weiterreisemöglichkeit eine Busfahrt nach El Calafate oder alternativ eine 18stündige Busfahrt nach Ushuaia. Da wir uns aber im Niemandsland befanden, musste ich die Klärung auf den nächsten Morgen verschieben, wenn wir in Punta Arenas wieder Handyempfang haben würden.

Unser letzter Abend auf dem Schiff begann mit einer Verabschiedung durch den Kapitän bei einem oder auch mehreren Gläsern Champagner. Beim Abendessen folgte eine Riesenüberraschung. Der nächste Tag sollte mein Geburtstag sein, was ich der spanischen Tischnachbarin an irgendeinem der Tage mal in einem Nebensatz erwähnt hatte, mehr aber auch nicht. Auf jeden Fall kam die Schiffsmoderatorin und sagte, wir haben am nächsten Tag ein Geburtstagskind und sie bat mich nach vorn. Ich war echt überrascht, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet hatte. Alle Passagiere und Kellner sangen „Happy Birthday“ in ihrer jeweiligen Landessprache, was bei 13 Nationen ziemlich cool klang. Dass es noch nicht ganz mein Geburtstag war, sah ich nicht ganz so eng, da es nach deutscher Zeit bereits nach Mitternacht war. Zudem überreichte mir unser Kellner Victor einen Briefumschlag, den meine lieben Tischnachbarn zusammengestellt hatten. Darin war eine Mappe mit einem persönlichen Glückwunschblatt und jede Menge kleine Papierboote, auf denen Herzlichen Glückwunsch in allen Sprachen stand, die an Bord vertreten waren. Zudem schenkten sie mir einen kleinen Pinguin, den ich direkt nach unserem Kellner Victor taufte, und der fortan mein Reisebegleiter sein sollte. Ich war ziemlich sprachlos und habe mich unendlich gefreut. Das Witzige an dem Pinguin ist, dass ich vor meiner Abreise aus Deutschland auf der Suche nach genau so einem kleinen Kuscheltier war, das ich an verschiedenen Orten meiner Reise hinsetzen kann, um Fotos von diesem zu machen. Und dann schenkt mir das „Polka-Team“ Victor, ein Traum!
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Victor hat ürbigens bereits sein eigenes Facebook-Profil, wo er von seinen Reisen berichtet. Ihr könnt gern Fan von ihm werden! ;)

Am weiteren Abend wurde das Tablequiz aufgelöst, das im Lauf der Reise veranstaltet wurde. Jeden Abend wurden Fragen zu den besuchten Orten oder zu den Vorträgen an Bord gestellt, die pro Tisch beantwortet werden mussten. Uns war von Anfang an klar, dass der Sieg eigentlich nur über unserem Tisch gehen kann. Mit ein paar kleinen Raffinessen wurden die Fragen beantwortet. Wenn die anderen bei der Frage „Welche Namen tragen die vier Zodiacs, mit denen wir die Ausflüge machen?“ nicht auf die Idee kommen, mal kurz hoch zu gehen und die Namen abzuschreiben, ist es ja nicht unser Problem. Es kam, wie es kommen sollte: Campeones, campeones, ohe ohe ohe! Wir bekamen als Preis einen Kap-Hoorn-Button zum Anstecken. Anschließend wurde die Seekarte versteigert, die für die Navigation um das Kap Hoorn benutzt wurde. Startpreis: 80 US-Dollar. Ja klar, wer bietet denn so viel? Ein Spanier! Und ein Ami! Die beiden boten sich gegenseitig hoch, bis der Spanier für 190 Dollar den Zuschlag bekam. Kurz vor Mitternacht bestellte ich für die restlichen verbliebenen Gäste an der Bar 20 Gläser Champagner, damit wir auf meinen Geburtstag anstoßen konnten. Mit ein paar weiteren und gehorteten Cocktails, die Bar schloss leider an jedem Abend um Mitternacht, wurde gebührend in den Tag reingefeiert. Auf jeden Fall hatte ich einen Entschluss gefasst. Nach der Geburtstagsüberraschung konnte ich gar nicht anders, als meine neuen Freunde weiter zu begleiten. Über die Organisation des weiteren Reiseweges konnte ich mir auch später Gedanken machen.
 

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Dienstag, 27.09.2011

Nach nur fünf Stunden Schlaf klingelte der Wecker. Der letzte Ausflug der Schiffsfahrt stand an. Das Schiff ankerte kurz vor der Isla Magdalena und wir wurden zum letzten Mal mit den Zodiacs an Land gebracht.
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Bereits von weitem konnte man die Attraktion der Insel erkennen, eine Pinguinkolonie mit ca. 60.000 Tieren. Jeder weiße Punkt auf der Insel stellte einen Pinguin dar und das waren echt eine Menge.
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Wir hatten ca. eineinhalb Stunden für einen Spaziergang auf einem abgesteckten Pfad. Der Pfad wurde auch von den Pinguinen benutzt, die sich bereits an die Menschen gewöhnt haben und munter zwischen uns hin und her watschelten. Bei ein paar anderen Leuten watschelten die Pinguine sogar über die Schuhe und wieder ein paar andere Leute legten sich in 10 cm Entfernung neben die Pinguine, um Fotos zu schießen. 60.000 Geburtstagsgratulanten waren ein toller Start in den Tag.
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Dann wurde noch einmal Frühstück eingenommen und beim Einlaufen in den Hafen von Punta Arenas verabschiedeten wir uns von den anderen zum Teil verrückten, aber sehr netten Passagieren. Da war zum Beispiel Randy, ein ca. 65jähriger Amerikaner, der bereits über drei Monate in Südamerika unterwegs war. Er meinte, so lange er noch jung ist, bereist er die schwierigen Reiseziele wie Südamerika oder im nächsten Jahr Indien. Wenn er mal alt wird, dann folgen die einfachen Reiseziele wie Europa. Oder Giovane, ein Brasilianer, der allein dafür verantwortlich war, dass jeden Tag an der Bar eine neue Flasche „Chivas Whisky“ aufgemacht werden musste.

Weiter nach Puerto Natales sollte es für unsere sechsköpfige Reisegruppe mit einem Mietwagen gehen. Nun begann für mich ein entspannter Teil der Reise. Die Spanier klapperten aufgrund der sprachlichen Vorteile alle Mietwagenstationen ab, ob es überhaupt einen Wagen für mindestens sechs Personen gab und verhandelten über den Preis. Ich wurde anschließend nur über das Ergebnis informiert und gefragt, ob der Preis ok sei. Das Schauspiel sollte sich in den nächsten Tagen noch ein paar Mal wiederholen. Bei der fünften Agentur wurden wir zu einem akzeptablen Preis fündig. Wir wollten zunächst noch was essen und fuhren in die „City“. Ein Parkplatz war schnell gefunden, aber trotz der Ausschilderung „kostenpflichtig“ war kein Automat zu sehen. In der Gegend lief eine Art männliche Politesse rum. Den guten Mann gefragt, wo wir denn bezahlen können und er meinte, bei ihm. Er kassiert das Geld direkt und stellt den Parkschein aus. Auch eine Art Arbeitsbeschäftigungsmaßnahme. Gestärkt nach einem Mittagessen kauften wir in einem Supermarkt ausreichend Proviant für den nächsten Tag sowie für das Abendessen, das die beiden Brasilianer mit einem typisch brasilianischen Rezept für uns zubereiten wollten. Die 250 km bis Puerto Natales waren im Prinzip nur einmal geradeaus fahren und dabei alle paar Minuten einem anderen Auto begegnen. Dass die Gegend so menschenleer ist,
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nutzten wir, indem wir uns „In the middle of nowhere“ auf die Straße legten und ein Gruppenfoto machten.
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Nach drei Stunden erreichten wir in der Dämmerung Puerto Natales und es begann die Hostelsuche, die gar nicht so einfach war. Für die beiden Pärchen benötigten wir je ein Privatzimmer, während uns Einzelreisenden ein Dorm reichte. Zudem musste eine Küche vorhanden sein. unsere Brasilianerin und ich warteten derweil am zentralen Platz der 19.000 Einwohner-Stadt und uns fiel dabei auf, dass für solch eine Stadtgröße äußerst viele Taxis durch die Gegend fuhren. Fast im Minutentakt kam ein Taxi an uns vorbei und in fast jedem saß auch mindestens ein Passagier drin. Nach einer Weile registrierten wir aber, dass die Taxis auf dem Dach Nummerierungen trugen und im Liniendienst wie Busse fahren. Irgendwann liefen uns noch andere Passagiere der Schiffstour über den Weg und wenig später war ein passendes Hostel gefunden, für sieben Euro pro Nacht inkl. Frühstück auch noch sehr preiswert.
Bevor wir zum Abendessen kamen, bestand ich darauf, schließlich war es mein Geburtstag, dass wir dem örtlichen Fußballstadion, das nur drei Straßen von unserem Hostel entfernt lag, einen Besuch abzustatten, denn die Flutlichter waren an.
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Leider fand hier und heute kein Spiel statt, es sollte in Kürze das Training der ersten Männermannschaft beginnen. Wir plauderten noch kurz mit den Spielern und fragten, ob es eine Art Vereinskneipe gebe, da wir Durst auf ein Feierabendbier hatten. Ja, die Kneipe ist drei Straßen weiter und lag fast auf unserem Rückweg. Den Umweg nahmen wir gern in Kauf und fünf Minuten später enterten wir die Vereinskneipe von Borries Puerto Natales. Hier befanden sich der Wirt, der sich später zugleich als Vereinspräsident herausstellte und zwei andere Gäste. Wir orderten unser Bier und dann holte ich einen meiner FCM-Wimpel aus der Tasche und schenkte dem Wirt bzw. Präsidenten den Wimpel. Die anderen übersetzten meine zwei, drei Sätze zum FCM und der Präsi war echt gerührt. Er ging sofort nach hinten, holte einen Hammer und einen Nagel und hing den Wimpel, den ersten in der Kneipe überhaupt, auf. Nach dem obligatorischen Erinnerungsfoto schmeckte das Bier umso besser.
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Zehn Minuten später kam der liebe Mann zu unserem Tisch und schenkte mir eine Wintermütze seines Vereins. Ich bedankte mich mehrfach und mein erster Satz beim Blick auf die Mütze war, dass das Emblem von Borries dem von Boca Juniors sehr ähnlich sieht. Nun wurde es gemütlich, der Präsi erzählte uns ein wenig aus der Vereinsgeschichte. Dass sich das Wappen mit dem von Boca Juniors ähnelt, ist kein Zufall. Relativ bekannt ist die Geschichte, wie Boca Juniors zu seinen Vereinsfarben blau und gelb kam. Die ersten Mitglieder saßen zusammen und entschieden, dass sie die Farben der Flagge des ersten Schiffes nehmen, das im Hafen von Buenos Aires einlaufen sollte, welches dann ein schwedisches war. Die Gründer von Borries Puerto Natales fanden die Idee im Jahr 1910 so gut, dass sie sie übernahmen. Und als ob es keine Zufälle auf dieser Welt gibt, war das erste Schiff, das anschließend in Puerto Natales einlief, ebenfalls ein schwedisches. In Anlehnung daran wurden dann die Form des Wappens sowie die Sterne übernommen. Er plauderte noch weiter, dass der Club im letzten Jahr, pünktlich zum 100jährigen Vereinsjubiläum, zum ersten Mal die Regionalmeisterschaft in der Region gewinnen konnte. Stolz zeigte er uns die Zeitung vom Folgetag, wo die Mannschaft feiernd auf dem Rasen war und er in der ersten Reihe in die Kamera grinste. Als wir erzählten, dass wir am nächsten Tag nach Torres del Paine wollten, stellte er kurzerhand den Film, den die beiden anderen Gäste sahen, ab und legte eine DVD mit einem Dokumentarfilm über den Nationalpark ein. So viel Gastfreundschaft und Ausgangspunkt dafür war der FCM-Wimpel. Ich stelle mir nur vor, dass irgendwann mal in der Zukunft ein anderer Deutscher in diese Vereinskneipe am Arsch der Welt in Südchile kommt, den Wimpel sieht und sich dann fragt, was um alles in der Welt hier in der Vergangenheit los war. Wir verabschiedeten uns vom Präsidenten, nicht ohne uns dreimal bei ihm für alles zu bedanken, und der Abend und für mich ein sehr außergewöhnlicher, aber sehr erlebnisreicher Geburtstag fanden ein Ende bei einem Nudelgericht mit einer sehr leckeren brasilianischen Soße.


Mittwoch, 28.09.2011

Bereits früh, aber doch eine Stunde später als gedacht, setzte sich unser Mietwagen Richtung Torres del Paine in Bewegung. Die Straße in Richtung Nationalpark ist auf rund zwei Drittel der Strecke eine bessere Schotterpiste, aber war ja nur ein Mietwagen. Wir benötigten für die etwa 140 km etwas mehr als zwei Stunden. Am Eingang zum Nationalpark wartete eine Rangerstation, um uns das Eintrittsgeld abzuknöpfen. Im Normalfall sollte man für den Nationalpark, der der schönste in Chile sein soll, mindestens vier bis fünf Tage einplanen, um bei ausführlichen Wanderungen die traumhafte Landschaft kennenzulernen. Manche Leute sagen sogar zehn Tage, wir hatten aber nur einen. Unser Plan sah vor, dass wir zunächst eine Bootsfahrt auf dem Lago Grey machen, um den Grey-Gletscher zu begutachten, anschließend eine kleine Wanderung machen und schließlich noch zum Wasserfall Salto Grande fahren. Leichter gesagt als getan. Als wir uns nach dem Preis und der Abfahrtszeit für das Boot erkundigten, hieß es, dass das Boot erst ab acht Passagieren fährt. Und wir waren ja nur zu sechst. Der Typ ließ auch nicht mit sich reden und meinte nur, wir sollen für die Nachmittagstour später nochmal wiederkommen. Vielleicht kommen bis dahin noch weitere Passagiere. Also zogen wir die Wanderung vor und machten uns auf den Weg zum Lago Grey.
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Auf einem Baumstamm am Seeufer machten wir es uns für unser Mittagspicknick gemütlich und hatten bei diversen Fotosessions jede Menge Spaß. Und der Spaß war zu hören. Nach einiger Zeit kamen weitere Wanderer an uns vorbei und weil die Welt ein Dorf ist, waren es die Spanier vom Kreuzfahrtschiff, die wir bereits tags zuvor in Puerto Natales auf der Straße getroffen hatten. Sie meinten nur, dass sie bereits eine halbe Stunde vorher Leute haben lachen hören. Und obwohl sie die Leute nicht sehen konnten, da sie zu weit weg waren, waren sie sich sicher, dass es nur wir sein können.
Bei unserer zweiten Anfrage bezüglich der Bootsfahrt hatten wir ebenfalls kein Glück. Niemand weiter da. Die Spanier versuchten den Guide zu überreden, nur mit uns sechs zu fahren und das zu einem Gesamtpreis für vier Erwachsene und zwei Kinder! Wer nicht fragt, der nicht gewinnt und nach einer viertel Stunde Diskussion und einer weiteren viertel Stunde Bedenkzeit willigte der gute Mann ein. Eine Minute später kam ein junges Mädel um die Ecke, das die Nacht vorher im gleichen Hostel wie wir geschlafen hatte und auf eine mehrtägige Wandertour durch den Park gehen wollte. Nur leider hatte sie sich den Fuß verknackt und wollte am selben Tag wieder zurück nach Puerto Natales. Wir boten ihr an, bei uns im Wagen mitzufahren und als sie hörte, dass wir die Bootstour machen, kaufte sie sich auch noch ein Ticket. Die Bootsfahrt über den Lago Grey dauerte bis zum Erreichen des Gletschers eine Stunde. In dieser Zeit fuhren wir an außergewöhnlichen Eisformationen lang, die in den letzten Tagen und Wochen abgebrochen waren.
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Den Namen trägt der See nicht von ungefähr. Der Gletscher hat im Laufe der Zeit viel Gestein und Mineralien aus den Bergen mitgebracht, die dem See die graue Farbe einbrachten. Der Gletscher selber war wieder einmal ein Traum. Zwar bei weitem nicht so groß wie z.B. Perito Moreno, aber auch mit jeder Menge außergewöhnlichen Eisformationen und leuchtend in allen Blautönen.
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Einen Abbruch von Eis konnten wir leider nicht sehen, aber man kann ja nicht alles haben. Gestärkt mit einem Glas Whisky ging es zurück. Auf dem Parkplatz stand plötzlich erneut ein bekanntes Gesicht. Randy, der verrückte Ami, hatte noch zwei Tage Zeit in Chile gehabt, bevor sein Rückflug von Punta Arenas über Santiago nach Hause ging. Also hat er sich nochmal in den Bus gesetzt, um die fast 400 km nach Torres del Paine und wieder zurück zu fahren, obwohl er hier zwei Monate vorher schon mal war. Wer die Zeit hat…
Für uns ging der Weg weiter zum Salto Grande. Die Hauptattraktion des Nationalparks, drei nadelartige Granitberge, die zwischen 2.600 und 2.850 Meter hoch sind, konnten wir aufgrund der tief hängenden Wolken nicht sehen, so dass wir uns am Wasserfall Zeit für eine längere Pause nehmen konnten. Wir platzierten uns oberhalb des Wasserfalls, schossen etliche Fotos und genossen das Naturschauspiel der Wassermassen.
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Wir hätten noch Stunden sitzen bleiben können, aber es dämmerte langsam und wir hatten noch zwei Stunden Rückfahrt vor uns, die zum ersten und einzigen Mal größtenteils ich als Fahrer unternahm. Bei unserer Ankunft in Puerto Natales lud uns das mitgenommene Mädel noch zum Essen ein, wo sie im Restaurant die Getränke für uns bezahlen wollte. So wurde auch dieser Abend bei einem guten Stück Rindfleisch mit Pommes standesgemäß zu Ende gebracht.
 

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Donnerstag, 29.09.2011

Unverhofft kommt oft. Nach dem Schneefall in El Calafate hatte ich mir ja gesagt, dass ich eines Tages nochmal zurückkehren muss. Dass es so schnell gehen würde, konnte ich allerdings nicht ahnen. Den Flug nach Buenos Aires konnte ich problemlos auf den Abflugsort El Calafate umbuchen und so blieb ich weiter in der Begleitung des „Polka-Teams“. Bevor unser Bus aus Puerto Natales abfuhr, mussten wir noch den Mietwagen abgeben. Die beiden Mädels warteten an der Busstation, während wir zu viert (sicher ist sicher…) den Wagen abgaben. Dafür musste zunächst vereinbart werden, dass der Mitarbeiter eineinhalb Stunden vor der eigentlichen Ladenöffnung erschien, was auch problemlos klappte. Allerdings hatte der Mitarbeiter dann ein Problem, unseren Wagen im System auszuchecken und den korrekten Preis für uns zu ermitteln. 20 Minuten vor Abfahrt des Busses war es doch geschafft, er sagte uns aber auf einmal 232.500 Chilenische Peso (ca. 340 EUR), was mehr war, als ursprünglich vereinbart war. Zeit zum Diskutieren und Verhandeln blieb aber nicht mehr, so dass wir vier alle Bargeldreserven auf den Tisch legten, die wir noch hatten. Und das waren exakt 235.000 Peso. Wenn das keine Punktlandung ist. Im halben Laufschritt ging es zum Bus, der uns inklusive Grenzübertritt in fünf Stunden nach Calafate brachte. Die anderen hatte ich bereits davon überzeugt, das Hostel, das ich bereits aus der Vorwoche kannte, zu nehmen. Als wir nach fünf Minuten Fußmarsch von Busbahnhof im Hostel ankamen, sagten die anderen nur „perfekt“.
Da unser "Einzel-Spanier" zusammen mit mir am nächsten Tag nach Buenos Aires zurück musste, wollte er unbedingt noch an diesem Nachmittag zum Gletscher Perito Moreno. Und weil wie bei meinem ersten Ankunftstag in Calafate schönster Sonnenschein herrschte, überlegte ich nicht lange und begleitete ihn. Wir hatten am Busbahnhof einen akzeptablen Taxipreis für die 90km-Strecke hin und zurück vereinbart. Etwa zweieinhalb Stunden blieben uns vor Ort, zu wenig für eine Gletscherwanderung, aber mehr als ausreichend Zeit, um den Gletscher von den Aussichtsterrassen in seiner vollen Schönheit zu bewundern. Da, wo zehn Tage zuvor noch die wundervollste Winterlandschaft vor mir lag, war der ganze Schnee weg und die Natur zeigte ein saftiges grün.
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Und vor allem hatte ich eine atemberaubende Aussicht auf Perito Moreno.
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Bereits nach zehn Sekunden war ich mir sicher, dass sich das erneute Herkommen für mich vollkommen gelohnt hatte. Ich konnte nun weit über den Gletscher blicken und bekam ein Gefühl für die Größe. Er wirkt manchmal klein, aber gleichzeitig doch wieder riesig. Klein, weil man auf den Aussichtsterrassen auf einer Höhe mit dem oberen Ende des Gletschers ist und sich nicht so richtig vorstellen kann, dass das 60 bis 70 Meter sind. Wenn man aber von den Terrassen direkt nach unten in den Abgrund schaut, wird einem die Höhe sofort bewusst. Aufgrund der fantastischen Lichtverhältnisse schoss ich wieder etliche Fotos von den kuriosen Eisformationen, die in vielen Blautönen schimmern.
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Und da mir heute keine Wolken und kein Schneefall die Aussicht behinderten, konnte ich auch die Abbrüche der Eisbrocken sehen.
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Es war ein kurioses Schauspiel. Man hört irgendwo ein Knacken und sofort drehen sich alle verbliebenen Besucher (es waren nur noch sehr wenige Besucher vor Ort, womit man ohne Gedränge das Gesehene erleben konnte) in Richtung des Geräuschs, um hoffentlich rechtzeitig einen Blick auf den Abbruch oder noch besser ein Foto davon machen zu können. Und da war wieder der Kontrast von klein und riesig. Da fiel ein Brocken ins Wasser, machte dabei einen Höllenlärm und zerbrach in etliche Einzelteile und der Beobachter denkt aufgrund der Entfernung, naja, war ja nur ein kleiner Brocken. Wenn man über die Größe richtig nachdachte, wurde einem schnell bewusst, dass der „kleine“ Brocken mal locker zehn bis 15 Meter groß war und somit sehr gefährlich werden konnte. Die Gefährlichkeit spiegelt sich in einer Statistik wieder, die wir beim Rundgang entdeckt haben. Zwischen 1968 und 1988 sind 32 Menschen durch umherfliegende Eissplitter zu Tode gekommen. Damals konnte man wohl aber auch noch näher an den Gletscher ran und in der Folgezeit wurden die sicheren Besucherterrassen gebaut. Gerade in dem Moment, als wir uns auf den Weg machen wollten, sehe ich aus dem Augenwinkel einen „Megaabbruch“. Ich schreie, um die anderen Leute darauf aufmerksam zu machen und versuche schnell die Kamera scharf zu bekommen, was mir auch halbwegs glückt.
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Dieser Abbruch war ein Eisbrocken, der nach Sichtung der Fotos mindestens 30 Meter, eher Richtung 40 Meter groß war und eine ziemlich große Flutwelle und beeindruckende Geräusche hinterließ.
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Besser konnte dieser Ausflug nicht enden.

An unserem letzten gemeinsamen Abend als komplettes „Polka-Team“ wollten wir es uns noch einmal richtig gut gehen lassen. Die Brasilianer ließen es sich nicht nehmen, noch einmal für uns zu kochen bzw. zu bruzzeln. Saftige Rindersteaks, Würstchen und noch ein paar mehr leckere Sachen aus der einheimischen Tierwelt fanden den Weg auf unsere Teller und in unsere Mägen.
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Beim Zubereiten selber sorgten wir im wahrsten Sinne für gehörig Feuer unter dem Dach, da sich einige Flammen auf dem Kochfeld bildeten
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und das ganze Hostel mit einem tollen Essensgeruch füllten. Im Verlauf des weiteren Abends wurden unsere reichlich gekauften Weinvorräte geleert, was zu einem Problem führte.
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Anders als in Deutschland gab es nach Mitternacht keine Tankstelle mehr, wo wir Nachschub holen konnten. Was tun? Zum Beispiel andere Gäste fragen. Da die Rezeption bereits geschlossen war, kamen zwei irische Gäste zu uns in den Aufenthaltsraum und wollten einchecken, wozu wir verständlicherweise nicht in der Lage waren. Aber wir fragten, ob sie noch Bier oder Wein hätten, was sie leider verneinten. Etwas später entdeckten wir in der Küche angefangene Weinflaschen, die von vorherigen Gästen sicherlich hier für spätere Gäste wie uns hinterlassen wurden. Mit den letzten Tropfen Wein wurde Victor, dem Pinguin ein spanisches Volkslied beigebracht, welches von ihm und einer bzw. mehreren deutschen Frauen in einem Campingzelt handelt. Das Ergebnis könnt Ihr Euch auf Youtube ansehen.


Freitag, 30.09.2011

Am Morgen musste ich zunächst das Büro von Aerolineas Argentina aufsuchen. Mein Flug nach Buenos Aires war durch die deutsche Hotline zwar bereits umgebucht, allerdings sollte ich noch die Umbuchungsgebühr von 25 USD und einen Aufpreis für den neuen Tarif zahlen. Im Büro habe ich der Mitarbeiterin die Situation erklärt. Sie tippte zehn Minuten auf ihrem Rechner rum, drückte mir das neue Ticket in die Hand und wünschte mir einen guten Flug. Zu zahlen hatte ich null komma nichts. In dieser Hinsicht ein großes Kompliment an die Fluggesellschaft, wo dieses problemlose und noch dazu kostenfreie Umbuchen möglich war. In Europa hätten die Fluggesellschaften einen Aufstand gemacht und einen horrenden Zuschlag verlangt. Das gleiche bestätigten mir im Vorfeld auch die Spanier, die ohne Probleme und Zuzahlungen sieben Flüge umbuchen konnten.
Gegen Mittag verabschiedeten wir zwei uns von den beiden Pärchen. Die vier reisten zusammen weiter zu Perito Moreno sowie in den nächsten Tagen nach El Chalten. Von den beiden Brasilianern hieß es endgültig Abschied nehmen. Bei den Spaniern lag die Situation wieder anders. Sie sollten in fünf Tagen ebenfalls in Buenos Aires ankommen und weil die Welt ein Dorf ist, sollten wir unabhängig voneinander im selben Hostel landen. Den Rest des Tages ließen wir ins Land streichen, eine Pizza zum Mittag eingeworfen und anschließend ging es per Bus zum Flughafen. Bei der Fahrt durch den Ort fuhren wir auf einmal auf einer mir zuvor unbekannten aber ziemlich breiten Straße. In der Nähe sah ich ein Gebäude, das einem Flughafen-Tower sehr ähnelte. Beim genaueren Hinsehen stellte sich heraus, dass es sich um den alten Flughafen „Lago Argentino Airport“ von Calafate handelte, der bis zur Fertigstellung des neuen Flughafens im Jahr 2000 genutzt wurde. Beim Check-In stellte ich mir wieder die Frage des Übergepäcks. Da wir aber zusammen eincheckten, gab es wiederum keine Probleme. Dafür zwei positive Überraschungen. Nach unzähligen Flügen in Airbus- und Boeing-Flugzeugen sollte ich einen neuen Flugzeugtyp kennenlernen, eine McDonnell MD 80.
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Von innen ist das Fluggefühl auch kein wirklich anderes. Es sei denn, man sitzt wie wir in der Notausgangsreihe und hat somit einen deutlichen größeren Abstand zum Vordersitz und mehr Beinfreiheit. Der Landeanflug auf Buenos Aires war einer der schönsten, die ich bislang erleben durfte. Es war bereits dunkel und dementsprechend war die ganze Stadt beleuchtet. Wohin man auch sah, und das war bis zum Horizont, es erstreckte sich ein unendliches Lichtermeer, dass die Ausmaße der Stadt erahnen ließ. Am Flughafen trennten sich nun auch die Wege von uns beiden. Während er zu einer Freundin fuhr und am nächsten Tag den Rückflug nach Europa antreten musste, fuhr mein Taxi zum Ritz Hostel. Eigentlich hatte ich wie für meinen ersten Aufenthalt das Hostel Inn Tango City gebucht. Einen Tag zuvor bekam ich allerdings eine E-Mail, dass im Tango City die Hauptgasleitung des Hauses defekt sei, das Hostel für vier Wochen geschlossen wurde und ich in das zur gleichen Kette gehörende Ritz Hostel umgebucht wurde. Das Ritz liegt an der Ecke Avenida de Mayo und der Avenida 9 de Julio, also zwei der Hauptverkehrsstraßen. Die Dorms liegen mit Fensterzugang auf der Seite der breitesten Straße der Welt (Avenida 9 de Julio). Daher war der Schlaf in der ersten Nacht nicht der allerbeste.
 

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Samstag, 01.10.2011

Nach dem Frühstück, das in einer benachbarten Bar des Ritz eingenommen wird, holte ich mein verbliebenes Gepäck aus dem Tango City und ich klärte die Kartenfragen für den folgenden Tag. Die Karte für das Avellaneda-Derby hatte ich bereits von Deutschland aus geordert und die Karte für das Boca-Heimspiel hatte mir Tanya, eine der Empfangsdamen aus dem Tango City, vermittelt. Allerdings hatte ich überall als Anschrift das Tango City angegeben und nun mussten alle involvierten Parteien über meine neue Residenz informiert werden. Nach einer Stunde Telefonaten, die zum Glück von den Rezeptionisten der beiden Hostels geführt wurden, war das geklärt und ich wollte mich gerade auf den Weg zum ersten Spiel des Tages Ferro-River machen. Auf der Internetseite Soccerway war das Spiel im Heimstadion von Ferro ausgewiesen. Im letzten Moment warf ich einen Blick in die Olé. Hier wunderte mich, dass für das Spiel ein Luftbild eines Stadions in den Farben blau und rot abgebildet war, wo Zonen für die Fans der beiden Vereine eingezeichnet waren. Dabei sind die Vereinsfarben von Ferro grün und weiß. Ein Blick auf die Seite von Ferro verriet, dass das Spiel aufgrund des zu erwartenden Zuschauerandrangs nicht im Heimstadion von Ferro stattfindet, sondern in das Stadion von San Lorenzo verlegt wurde.
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Primera B Nacional am 01.10.2011
Ferro Carril Oeste-CA River Plate 0:0
Estadio Pedro Bidegain, Z: 25.000 (15.000)


Mit der U-Bahn Linie E fuhr ich bis zur dem Stadion am nächsten gelegenen Station Varela. Dort liefen auch schon die ersten Fans umher, deren etwa zwanzigminütigem Fußmarsch ich mich anschloss. Kurz vor dem Stadion sah ich wie die anderen Fans zu, meine Schrittfrequenz etwas zu erhöhen. Direkt auf der hinter der Haupttribüne gegenüberliegenden Straßenseite beginnt eine ziemlich reudige Gegend, wo man sich besser keine Sekunde zu viel aufhält. Bei meiner Ankunft am Stadion hielt ich Ausschau nach Kartenschaltern, aber die waren zu meiner Verwunderung alle geschlossen. Auf meine Ticket-Fragen reagierten alle Ordner nur mit einem Kopfschütteln. Ein Offizieller erklärte mir, dass es am heutigen Tag keine Tickets zu kaufen gibt. Peng! Das hatte gesessen! Ich wollte mich diesem Schicksal nicht hingeben und suchte nach Möglichkeiten, doch noch in das Stadion zu gelangen. Und siehe da, eine dieser Möglichkeiten klappte hervorragend, was enorm wichtig war, da, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte, stimmungsmäßig das beste Spiel auf mich warten sollte, das ich bislang in meinem Leben gesehen habe.
Dass River Plate überhaupt hier antreten musste, ist ein Wunder an sich. River Plate ist mit 33 Titeln der Rekordmeister Argentiniens und zusammen mit Boca der populärste Verein des Landes. Die letzten Jahre waren jedoch nicht so rosig. Kontinuierlich wurden schlechte Ergebnisse eingefahren und einmal wurde eine Saison sogar als Tabellenletzter abgeschlossen. Das allein „reichte“ noch nicht zum Abstieg, da in Argentinien die Mannschaften mit dem schlechtesten Punkteschnitt der letzten drei Jahre aus der ersten Liga absteigen. Und im Sommer war es dann so weit. River Plate landete im Schnitt der letzten drei Jahre auf dem drittletzten Platz und musste in der Relegation gegen CA Belgrano um den Klassenerhalt antreten. Das Hinspiel ging mit 0:2 verloren und das 1:1 im Rückspiel besiegelte den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte. Nach der verlorenen Relegation drehten die River-Fans frei. Randy, der bereits mehrfach erwähnte Ami, war bei dem Spiel anwesend, und er erzählte von massenhaft fliegenden Sitzen im Stadion. Die Straßenschlachten, die sich die Fans mit der Polizei lieferten, konnten sogar per Livestream im Internet verfolgt werden. Als Strafe für die Ausschreitungen wurde River mit einer Heimspielsperre von 20 (!) Heimspielen, also der kompletten Saison belegt, die im Lauf der Zeit auf fünf Heimspiele reduziert wurde. Bis zu Saisonbeginn herrschte aus Sicherheitsgründen unterhalb der ersten Liga ein Verbot für Gästefans. Doch ein Verbot für Gästefans lässt sich für den populärsten Verein des Landes nicht verkaufen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass sich die River-Fans massenhaft mit Tickets für die Heimtribünen versorgen, was auch nicht unproblematisch ist. Also wurde kurzerhand das Gästeverbot aufgehoben, was viele Vereine der zweiten Liga vor ein logistisches Problem stellte. Prinzipiell verfügen die Stadien zwar über Gästeblöcke, allerdings ist der Platz begrenzt und mehrere tausend River-Fans kann man nicht einfach so aufnehmen. So weichen insbesondere die kleineren Vereine in Buenos Aires in andere Erstligastadien der Stadt aus. Buenos Aires ist diesbezüglich ja mehr als gesegnet.
Ferro ist der Verein der Eisenbahner, spielte bis vor ca. zehn Jahren regelmäßig in der ersten Liga und liegt auf dem 13. Platz der Ewigen Erstligatabelle. Der historische Erzrivale von Velez Sarsfield ist seither in der zweiten Liga zu Hause, verfügt aber immer noch über eine gute Fanszene. Gerade als ich die Haupttribüne betrat (ca. 40 Minuten vor Spielbeginn), begann der Einmarsch der Barra von Ferro in die gut gefüllte Fankurve links von mir.

Der Einmarsch zog sich über mehr als zehn Minuten hin und die Gesänge wurden von allen in der Kurve anwesenden Fans aufgenommen. Auch die Zuschauer auf der Haupttribüne stimmten zu einem Großteil mit ein. Man merkte jedem einzelnen die Vorfreude auf das Spiel gegen das große River deutlich an. Jeder Fan war bereit, mit seiner Stimme alles für den Verein zu geben. So soll es sein! Nur kurze Zeit später folgte der Einmarsch der Barra von River. Der Einmarsch wurde richtig zelebriert und zog sich über mehr als 20 Minuten hin. Und nun ging endgültig die Post ab. In der Kurve rechts von mir standen ca. 9.000 River-Fans und auf der Gegengerade saßen noch einmal ca. 6.000. Da der Einmarsch von der gegenüberliegenden Seite erfolgte und einmal durch die komplette Kurve ging, wurden alle Fans „abgeholt“ und sie stiegen in die mittlerweile ohrenbetäubenden Gesänge ein. Natürlich versuchten die Ferro-Fans mitzuhalten, so dass sich eine sensationelle Stimmung ergab. Und dabei waren es noch 30 Minuten bis zum Spielbeginn.
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Einfach nur der Hammer! Im Spiel selber wurde das sogar noch gesteigert. Beide Seiten wollten partout nicht ruhig sein und sangen inbrünstig ihre Lieder. Schade, dass das Spiel selber da nicht ganz mithalten konnte. Beide Teams spielten relativ gut, wobei jeder Zuschauer die technische Überlegenheit von River deutlich sehen konnte. River erspielte sich mehr Chancen, die hochkarätigeren besaß aber Ferro. Der Schiedsrichter heizte mit einigen kuriosen Entscheidungen die Stimmung zusätzlich an. Unter anderem gab es nach einem Foul an einen Ferro-Spieler eine Verletzungsunterbrechung. Er bat den Ferro-Spieler, den Platz zu verlassen. Der Spieler konnte oder wollte nicht so richtig (wer weiß das bei Fußballern schon so genau) und da legte der Schiri Hand an und schubste den Spieler persönlich vom Platz. Verständlich, dass die Heimseite und hier insbesondere das Publikum auf der Haupttribüne, vor der das Geschehen passierte, nun völlig am Ausrasten war. Bis zur Pause fielen keine Tore, die Mannschaften gingen in die Kabinen und was machen die Fans? Anstatt auch in die Pause zu gehen, singen beide Seiten über fünf Minuten einfach weiter. Ich fragte mich nur, in welchem Paradies ich hier gelandet bin. Gegen Ende der Halbzeit gönnten sich auch die Fans ihre Pause, die dann aber ebenfalls etwa 15 Minuten in Anspruch nahm. Soll heißen, bei Wiederanpfiff war es nicht ruhig im Stadion, irgendwo sang immer jemand. Bis beide Fankurven aber wieder auf vollem Leistungsniveau waren, dauerte es ein paar Minuten. Danach ging es mit einer brachialen Lautstärke und einem noch besseren Niveau als in der ersten Halbzeit auf beiden Seiten weiter.

Besonders beeindruckend fand ich dabei, wenn die River-Fans anfingen zu hüpfen. Das Stadion von San Lorenzo besteht aus vier einzelnen und nicht miteinander verbundenen Tribünen. Die Hinchas von River fingen an zu hüpfen, die ganze Kurve und die Gegengerade machten mit. Es ist klar, dass das gleichzeitige Hüpfen von 15.000 Menschen Schwingungen auslöst. Dass davon aber auch die Tribüne, auf der ich saß, leicht anfing zu wackeln, war nur noch geil. Der einzige, der scheinbar etwas gegen die Stimmung hatte, war der Stadionsprecher, der alle 7-8 Minuten wiederholte, dass die Gästefans zuerst abreisen werden und die Heimfans die Blocksperre aushalten müssen. Er machte das mit Vorliebe, wenn die Gesänge am lautesten waren. Die Fans auf der Haupttribüne regten sich verständlicherweise mit eindeutigen Handbewegungen darüber auf. Der Stimmung insgesamt konnte der Vogel nichts anhaben. In den letzten zehn Minuten gab es noch ein paar Chancen beider Teams und beide Kurven holten nochmal alles aus ihren Kehlen raus, was ging. Ich würde nur zu gern wissen, was hier abgegangen wäre, wenn ein Tor gefallen wäre. Doch leider war mir dieses Vergnügen nicht vergönnt.
Hochzufrieden und immer noch mit den Gesängen im Ohr ging ich nach der Blocksperre sehr schnellen Schrittes Richtung U-Bahn-Station, da mittlerweile die Dämmerung einsetzte und die Gegend wie bereits beschrieben nicht vertrauenserweckend war. Auf halben Weg stieg ich in ein Taxi, das mich für 50 Peso zum Estadio José Amalfitani brachte, wo meine Abendunterhaltung auf mich wartete.


Primera Division am 01.10.2011
CA Velez Sarsfield-San Martin San Juan 1:0
Estadio José Amalfitani, Z: 16.000 (300)


Die Kartenfrage konnte schnell gelöst werden, für 100 Peso wurde ein Ticket für den Unterrang der Haupttribüne erstanden. Da noch etwas Zeit war, besuchte ich den Fanshop samt Vorraum unterhalb der Haupttribüne. Der Club Velez Sarsfield wurde 1910 gegründet und spielt seit 1919 mit einer Ausnahme von zwei Jahren Anfang der 40er in der ersten argentinischen Liga. Das Stadion und der Club sind übrigens nicht wie man vermuten könnte im Stadtteil Velez Sarsfield, sondern im Stadtteil Liniers beheimatet. Die größten Erfolge konnten Mitte der 90er gefeiert werden, als Velez Sarsfield innerhalb von fünf Jahren vier der acht Meistertitel sowie fünf internationale Titel, u.a. Copa Libertadores und den Weltpokal, holen konnte. Velez Sarsfield ist auch aktueller Meister und konnte in der vergangenen Saison bis ins Halbfinale der Copa Libertadores vordringen, wo man aufgrund der Auswärtstorregel gegen Penarol Montevideo ausschied.
Zum heutigen Spiel wurden die Oberränge der beiden Geraden gar nicht erst geöffnet.
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Mit 16.000 Besuchern hielt sich das Interesse in Grenzen. Und trotzdem wurde wieder die einzigartige argentinische Stimmung erzeugt. Beim Einlaufen der Mannschaften wurde auf der Gegengerade eine riesige Blockfahne in den Farben Italiens hochgehalten.
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Ebenso hatten die im Fanblock gespannten Fahnen die Farben rot-weiß-grün, obwohl die Vereinsfarben blau und weiß sind.
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Der Grund liegt darin, dass bei der Gründung des Vereins die überwiegende Mehrzahl der Mitglieder italienische Immigranten waren und die italienischen Farben als Vereinsfarben gewählt wurden. 1933 wurde auf blau und weiß gewechselt. Die italienischen Farben sind aber bis heute die Ausweichfarben von Velez. Das Spiel war eine ziemlich einseitige Angelegenheit. Velez war das gesamte Spiel die überlegene Mannschaft, erspielte sich viele Chancen und unterstrich das argentinische Ligaphänomen des Chancenvergebens. Mitte der zweiten Halbzeit gelang doch der entscheidende Treffer und die Fans waren glücklich. Die Gesänge der Velez-Fans waren aufgrund der geringen Zuschauerzahl nicht übermäßig laut, aber insgesamt ganz in Ordnung. Die 300 Gästefans waren aufgrund ihrer geringen Anzahl von meinem Platz nicht zu hören, waren aber zumindest ständig in Bewegung.
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Nach der überstandenen Blocksperre wollte ich mit dem Taxi zurück zum Hostel fahren, da nach 23 Uhr eh keine U-Bahnen mehr fahren. Das war leichter gesagt als getan. Fast eine halbe Stunde habe ich gebraucht, bis ich eines fand. Als ich in mein Zimmer zurückkam, staunte ich nicht schlecht, lag doch in meinem Bett jemand anderes drin! Nachdem ich meine Verwunderung überwunden hatte (vielleicht stehen ja andere Leute darauf, sich in bereits benutzte Betten zu legen?), schaute ich mich erst mal um. Zum Glück war noch ein anderes Bett frei, welches für die restliche Zeit in Buenos Aires meines sein sollte. Es war auch noch frisch bezogen, so dass einer geruhsamen Nacht nichts mehr im Weg stand.
 
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Sonntag, 02.10.2011

Auf diesen Tag hatte ich mich fußballmäßig im Vorfeld am meisten gefreut. Als im August der Spielplan veröffentlicht wurde und dort das Avellaneda-Derby zwischen Racing und Independiente zum Vorschein kam, frohlockte mein Herz und alle Argentinien-Kenner, denen ich davon erzählte, beneideten mich schon. Zudem sollte an diesem Spieltag noch Boca Juniors ein Heimspiel haben. Nun musste ich auf eine möglichst passende Ansetzung der Spielzeiten hoffen. Was für die Anhänger der Vereine ein ziemlicher Graus sein muss, ist für Groundhopper ein Traum. Ein Ligaspieltag der ersten Liga wird am Wochenende von Freitag bis Montag verteilt und sämtliche Spiele finden zu einer anderen Uhrzeit statt, da alle Ligaspiele live im Fernsehen übertragen werden. Dabei erfolgen die genauen Ansetzungen in der Regel frühestens zwei Wochen vor den Spielen. Kurzfristige Änderungen sind anschließend aber immer noch möglich. Als ich dann die genauen Anstoßzeiten sah, schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen. Da müssen Vollpfosten am Werk gewesen sein. Das Avellaneda-Derby um 16 Uhr und nur 45 Minuten nach Spielende um 18:30 Uhr das Heimspiel von Boca. Prinzipiell wäre das kein Problem. Beide Stadien liegen nicht einmal fünf Kilometer auseinander, aber mit der Heimblocksperre im Rücken… Mir blieb keine andere Wahl. Die Karten für Racing-Independiente hatte ich bereits im Vorfeld über ein deutsches Reisebüro gebucht. So zahlte ich zwar das Doppelte des normalen Tribünenpreises von 150 Peso, hatte aber mein Ticket sicher. Für Boca hatte ich in den Tagen vorher über das Hostel mein Ticket bestellt, natürlich zu einem überhöhten Preis, aber was will man machen. Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass mit den Adressänderungen alles geklappt hat und die Tickets pünktlich bei mir ankommen. Das Boca-Ticket traf bereits gegen Mittag ein und kurz vor 14 Uhr auch mein ersehntes Racing-Ticket. Sofort rein in ein Taxi und für 25 Peso nach Avellaneda gedüst. Der Taxifahrer ließ mich irrsinniger Weise bei den Independiente-Fans raus, was für mich eine große Extrarunde um das Stadion bedeutete. Nach mehreren Einlasskontrollen betrat ich etwa eine Stunde vor Spielbeginn das Estadio Presidente Juan Domingo Peron zum Spiel


Primera Division am 02.10.2011
Racing Club de Avellaneda-CA Independiente 1:1
Estadio Presidente Juan Domingo Peron, Z: 40.000 (3.000)


Das Stadion, liegt wie bereits geschildert nur 300 Meter vom Stadion des Erzrivalen entfernt und hat ein völlig anderes Erscheinungsbild als die meisten argentinischen Stadien, da es fast komplett überdacht ist.
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Die räumliche Nähe der beiden Vereine ruft selbstverständlich eine große Rivalität hervor. Den Gipfel dieser Rivalität stellt folgende Geschichte dar, die der ein oder andere sicherlich schon einmal gehört hat. Ich möchte sie dennoch aufgrund der Kuriosität kurz schildern. Racing war zu Beginn des letzten Jahrhunderts die überragende Mannschaft Argentiniens und holte zwischen 1913 und 1925 nicht weniger als neun Meistertitel. Nachdem es etwas ruhiger wurde, konnte in den 50er und 60er Jahren mit sechs Meistertiteln an die alten Zeiten angeknüpft werden. Höhepunkt waren die Siege in der Copa Libertadores und im Weltpokal 1967. Doch es sollte eine lange Durststrecke bis zum nächsten Titel folgen und das hatte folgenden Grund: Während die Fans von Racing noch den Triumph im Weltpokalfinale über Celtic Glasgow feierten, brachen Anhänger von Independiente in das Stadion ihres verhassten Nachbarn ein und vergruben dort sieben schwarze Katzen, um die Spielstätte des Racing Club mit einem Fluch zu belegen. Die folgenden Jahre suchten Fans und Offizielle des Racing Club die Tierleichen, denn mit ihrem Verein ging es stetig bergab, doch im Laufe der Zeit fanden sie nur sechs der fluchbringenden Kadaver. Ganze 35 Jahre blieben Titel aus, im Jahre 1999 stand man sogar vor dem Bankrott. 2001 dann initiierte der neue Trainer Reinaldo Merlo eine groß angelegte Suche nach der siebten Katze, bis sogar Flächen, die nach 1967 betoniert worden waren, wieder aufgerissen wurden. Und siehe da, an einer Stelle, an welcher früher ein Wassergraben war, fand man tatsächlich die Überreste einer Katze! Der Racing Club war also von seinem Fluch befreit und wurde noch in derselben Saison Meister, was bis dato aber auch der letzte Meistertitel war.
Doch nun zum Spiel selber. Sportlich waren die Rollen klar verteilt. Racing war Tabellenzweiter und Independiente lag im hinteren Tabellendrittel. Fanmäßig sah die Situation aufgrund des Heimspiels von Racing ähnlich aus. Insbesondere durch die Erlebnisse beim Spiel Ferro-River am Vortag hatte ich große Erwartungen an diese Partie. Bei meinem Betreten des Stadions war der Gästeblock mit 3.000 bereits rappelvoll und gut am Singen. Auch der Rest des Stadions war schon gut gefüllt und beide Seiten wärmten sich mit Gesängen auf. Auf dem Platz ging gerade das Vorspiel zwischen den Reserveteams beider Vereine zu Ende, was Independiente mit 2:1 gewann. Die Spieler feierten den kleinen Derbysieg auf dem Platz mit ihren Fans, indem sie vor der Kurve hüpften und sangen. Das war verwunderlich, da ich es bei allen anderen Spielen dort unten erlebt hatte, dass die Spieler nur kurz dem Publikum applaudieren und sofort in die Kabine verschwinden. Das Feiern heizte die Stimmung weiter an. Die Racing-Hinchas pfiffen sich die Lunge aus dem Leib. In der Folgezeit schaukelten sich beide Seiten gegenseitig hoch. Was in Deutschland eigentlich verpönt ist, wurde hier zelebriert. Sang eine Fankurve ein Lied an, übernahm das die gegnerische Fankurve, tauschte den Vereinsnamen aus und versuchte die anderen zu überstimmen, was die anderen wiederum lauter werden ließ. Besonders das Lied „XYZ, mi buen amigo“ erfreut sich dabei einer großen Beliebtheit. Einfach Hammer, welche Lautstärken hier erreicht wurden. Ziemlich zeitgleich marschierten beide Barras ein und brachten die Schüssel endgültig zum Kochen.
Wie immer liefen die Mannschaften getrennt ein. Zuerst die Heimmannschaft, die von einer Vielzahl von blauen und weißen Rauchtöpfen, Luftballons, ein paar Kassenrollen sowie unendlich vielen Schnipseln begleitet wurde.
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Das Schnipselwerfen hinterließ seine Spuren. Einige Mitarbeiter versuchten, den Platz mit mobilen Luftgebläsen so gut es ging von den Schnipseln zu befreien. Anschließend sollte eine der größten Blockfahnen der Welt über den Unterrang ausgerollt werden. Die Fahne erstreckt sich von einer Seite der Mittellinie über die Kurve bis zur anderen Seite der Mittellinie, ist also geschätzte 180 bis 200 Meter breit! Leider machte der an diesem Tag starke Wind nicht mit. Der wehte die Fahne immer an verschiedenen Stellen hoch, so dass ein geschlossenes Bild leider nicht möglich war.
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Dafür wurden dann noch drei kleinere Blockfahnen von Racing gezeigt. Die Fans von Independiente zeigten beim Einlaufen ihrer Mannschaft längliche Luftballons und eine Blockfahne.
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Optisch somit ein klarer Sieg für Racing.

Das Spiel begann mit einem Paukenschlag. Der erste sinnvolle Angriff wurde von Racing nach vorn gebracht, Flanke, Fuß dran gehalten und nach 52 Sekunden lag der Ball im Netz. Racing führte und das Stadion bebte. Im Fanblock hätte ich zu dieser Zeit nicht stehen wollen. Wellenbrecher gibt es nicht und daher ergoss sich eine Megawelle an Fans Richtung Zaun. Wenn hier einer zu Sturz kommen würde, dann würde ich die Überlebenschancen gen null einschätzen. Zum Glück ging alles gut und in der Folgezeit drehten die Racing-Fans frei. Laute Gesänge, dass man eine Gänsehaut bekam.
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Die 3.000 Gäste standen dem in nichts nach. Gesänge ohne Ende und es dauerte nicht lange, da durften auch sie jubeln. Nach einer halben Stunde fiel der Ausgleich und fast das gleiche Schauspiel im Gästeblock. Aufgrund vereinzelter Wellenbrecher war die Wellenbewegung jedoch nicht ganz so ausgeprägt. Mit dem Unentschieden ging es in die Pause. Zur zweiten Halbzeit verteilten die Racing-Fans tausende Kassenrollen im ganzen Stadion, die beim Einlaufen geworfen wurden.
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Vor der Fankurve verfingen sich hunderte Rollen am Zaun und am Tor, wodurch sich der Wiederanpfiff um ein paar Minuten verzögerte, was schön anzusehen war, mir aber zeitlich nicht so richtig passte. Aber was soll’s. Da die Verteilung der Kassenrollen nicht rechtzeitig abgeschlossen war, machten sich die Fans bei mir auf der Haupttribüne einen besonderen Spaß. Sie versuchten, die Bank, Spieler und Trainer von Independiente zu treffen. Personen wurden nicht getroffen, aber immerhin trafen drei Rollen das Dach der Bank. Auf dem Platz tat sich in der zweiten Halbzeit nicht mehr viel. Beide Teams verwalteten das Spiel ohne sich gefährlich zu werden. In dessen Folge flachte die Stimmung etwas ab. Was heißt hier Abflachen? Das ist Jammern auf höchstem Niveau. Beide Seiten sangen weiterhin laut und jede deutsche Fangruppe würde sich über eine solche Lautstärke freuen.

Insgesamt waren die Independiente-Fans über das gesamte Spiel ausdauernder und etwas abwechslungsreicher beim Singen. Insgesamt hielt das Derby, was es versprochen hatte, und sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen war das Remis gerecht.
 
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Für mich begann nun die große Ungeduld. Ich kämpfte mich in die vordersten Reihen der wartenden Racing-Fans und direkt nach dem Öffnen der Stadiontore nahm ich die Beine in die Hand und rannte zur nächsten größeren Hauptstraße. Zum Glück kam sofort ein Taxi. Der Taxifahrer war ein Fuchs, er hörte das Boca-Spiel im Radio und ahnte mein Zeitproblem. Er nannte mir als Festpreis 50 Peso, in etwa das Doppelte des normalen Fahrpreises. Da ich nicht noch mehr Zeit verlieren und diskutieren wollte, willigte ich ein und er gab Gas.


Primera Division am 02.10.2011
CA Boca Juniors-CA Tigre 1:0
La Bombonera, Z: 50.000 (4.000)


Kurz vor dem Aussteigen aus dem Taxi hörte ich das 1:0 von Boca und dann ging es etwa zur 20. Minute in die Bombonera.
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Wie ich feststellte, war meine Karte direkt für den Fanblock von Boca.
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Als ich die Treppe hochkam, war die Stimmung schon auf einem sehr guten Pegel. Der Block war proppevoll, ein Reingehen war allerdings nicht möglich. Bis zur Halbzeit stand ich am oberen Ende mit einem mehr schlechten als rechten Blick auf das Spielfeld. Völlig egal, so konnte ich wenigstens mal einen argentinischen Fanblock und die Fans rund um die Barra „La 12“ aus nächster Nähe sehen. Die typischen Handbewegungen, die beim Singen gemacht werden und die Vorsänger. Bislang sah ich nur von weitem die gespannten Fahnen, an denen sich Fans, die auf den Wellenbrechern stehen, festhielten und die Lieder für die Masse einsangen. So etwas von nahem zu sehen, war eine völlig neue Erfahrung. In der Halbzeit nutzte ich die Gelegenheit und schloss mich einem der mobilen Cola-Verkäufer an und ging an der Seite des Fanblocks die überfüllte Treppe hinab. Im unteren Drittel blieb ich stehen und genoss den Ausblick auf dieses wunderschöne Stadion, das mit 50.000 Zuschauern gefüllt war. Darunter waren 4.000 Fans aus Tigre, die im Oberrang auf der gegenüberliegenden Seite postiert waren. Hören konnte ich sie während des ganzen Spiels nicht, der Großteil des Blocks war aber die meiste Zeit ganz gut in Bewegung. Mit Beginn der zweiten Halbzeit begann das Schauspiel, ich stand am Rand des Boca-Fanblocks und genoss die Atmosphäre. Einfach ein Traum, die Hinchas aus nächster Nähe in ihrer Leidenschaft zu erleben. Tolle Gesänge und ich mittendrin.

Ich ertappte mich selber dabei, wie ich ab und an mitwippte. Das macht man schließlich nicht als auswärtiger Fan. Wie in den anderen Stadien auch stimmte bei einigen Liedern das ganze Stadion mit ein. Es war toll anzusehen, wie die Fankurve anfing zu singen und zu hüpfen und sich dieses über die Gegengerade bis zur anderen Hintertortribüne ausweitete, wo bis auf die Gästefans alles am Hüpfen war. Boca war bis zu diesem Spiel noch ungeschlagen. Auf dem Platz zeigten sie wie bereits vor zwei Wochen beim Spiel in Lanus auch warum. Sie machten nur so viel, wie sie mussten. Jederzeit wusste man, dass sie das Spiel im Griff hatten und sofort eine Schippe hätten drauflegen können, wenn sie denn gemusst hätten. Der Titel wird in diesem Jahr nur über Boca gehen. Leider hatte ich nicht das Vergnügen, ein Tor im Fanblock zu erleben. Man kann nicht alles haben. Nach dem Ende der Partie begab ich mich langsam Richtung Ausgang, wo bereits eine Menschenmenge auf das Ende der Heimsperre wartete. Mit dem Öffnen der Tore setzte ein irres Gedränge ein. Aus mehreren Richtungen drängten die Leute auf die schmalen Treppen. Man ging nicht, man wurde geschoben. Das kam mir ziemlich bedrohlich vor und ich war heilfroh, als ich draußen war und in den Bus Nr. 64 steigen konnte, der mich zurück in die Stadt brachte.


Montag, 03.10.2011

Bevor am Nachmittag die nächste Fußballdosis auf dem Programm stand, wollte ich mir die Stadt Buenos Aires selber mal etwas intensiver ansehen. Um nicht stundenlang zu Fuß laufen zu müssen, meinem Knie ging es langsam etwas besser und es kehrte etwas Hoffnung zurück, den Marathon doch noch laufen zu können, wählte ich den Buenos Aires Bus. Für 70 Peso fährt der Bus in drei Stunden über 20 verschiedene Stationen in der Stadt an. Wie es einem beliebt kann man an jeder Station aussteigen und umhergehen, um sich die Sehenswürdigkeiten in diesem Bereich anzusehen und anschließend in den nächsten Bus steigen. Die Busse fahren in etwa alle 20 Minuten. Spitzfindige Leser werden erkannt haben, dass es sich um einen so genannten Hop-on-Hop-Off-Bus handelt. Die Sonne schien, ich nahm auf dem offenen Oberdeck Platz, stöpselte die Kopfhörer in die „Deutsch-Buchse“ und los ging die Route auf der Straße Florida. Über die Plaza de Mayo, die Plaza de Congreso und den Stadtteil San Telmo wurde La Boca angesteuert. Hier lauteten die Stationen Bombonera und Caminito, die berühmten farbigen Häuser, die La Boca in der ganzen Welt bekannt gemacht haben. Zurück ging es durch das alte Hafengelände Puerto Madero. Puerto Madero wurde als neuer Hafen von Buenos Aires Ende des 19. Jahrhunderts angelegt, war aber nur rund zehn Jahre in Betrieb, da die technische Entwicklung und der Bau immer größerer Schiffe den Hafen überflüssig werden ließen. Parallel wurde bereits Puerto Nuevo gebaut, der bis heute in Betrieb ist. Puerto Madero verfiel daraufhin und erst in den 90er Jahren „erinnerte“ man sich wieder an die Hafengegend. Es wurde ein Bebauungsplan entworfen, der die Renovierung der alten Hafengebäude sowie den Neubau von vielen weiteren Häusern beinhaltete. Heute ist Puerto Madero ein moderner Stadtteil, der vor allem bei jungen wohlhabenden Leuten hoch im Kurs steht.
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An der Plaza San Martin stieg ich aus, um im Reisebüro nochmal zwei Dinge zu klären. In den nächsten Bus wieder rein, Kopfhörer angestöpselt, aber nichts gehört. Die anderen Kanäle gingen aber. Auf meine Nachfrage meinte die junge Dame, die den Bus betreute, deutsch geht hier nicht, tut mir Leid. Auf den nächsten Bus warten wollte ich nicht, denn wozu hat man sich in der Schule acht Jahre mit Englisch rumgeplagt? Richtig, um es hier anzuwenden. Der zweite Teil der Route war nicht mehr ganz der Hit, da mich die angefahrenen Stationen nicht so vom Hocker rissen und die Sonne mittlerweile hinter Wolken verschwunden war, was die Fahrt deutlich kälter machte. Nach insgesamt drei Stunden war die Fahrt vorbei und ich machte mich auf den Weg zum ersten Spiel des Tages:


Primera Division am 03.10.2011
CA Banfield-Newell’s Old Boys 2:0
Estadio Florenco Sola, Z: 9.000 (500)


Banfield ist ziemlich leicht zu erreichen. Zunächst für 1,10 Peso mit der Subte zum Bahnhof Constitucion und von dort für erneut 1,10 Peso mit dem Vorortzug ein paar Stationen direkt zum Bahnhof Banfield, von wo aus ein zehnminütiger Fußmarsch zum Stadion führt. Und beim Betreten des Zuges nach Banfield passierte es. Ich hatte gehofft, dass ich die Situation während meines Trips in Südamerika vermeiden kann und bislang hatte es auch prima geklappt, aber das war jetzt Geschichte. Nein, ich rede nicht von Sicherheitsproblemen, damit hatte ich zum Glück in der ganzen Zeit keine Probleme. Ich traf auf weitere deutsche Hopper. Die Züge nach Banfield fahren im Zehn-Minuten-Takt, jeder Zug hat fünf Wagen und jeder Wagen hat drei Türen und die beiden stellen sich genau neben mich. Ich überlegte noch, ob ich sie wirklich ansprechen sollte oder mich nicht einfach über deren Unterhaltungen amüsieren sollte. Letztendlich siegte die Vernunft und ich sprach sie an. Im Nachhinein dachte ich mir, warum ich das getan habe. Die beiden kamen aus Kaiserslautern, waren seit 14 Tagen in Argentinien und hatten bislang 18 Spiele gesehen. Auf meine Frage, was sie denn außer Fußball noch in Buenos Aires bzw. Argentinien gesehen haben bzw. sich ansehen werden, meinten sie oder besser gesagt einer, der andere hat es im Laufe der nächsten acht Stunden immerhin geschafft, nicht mehr als zehn ganze Sätze mit mir zu wechseln, den Obelisk in Buenos Aires und in der nächsten Woche wollten sie für eineinhalb Tage nach Iguazu. Fußball schön und gut, aber wenn ich einen größeren Geldbetrag in die Hand nehme, um in dieses Land zu reisen, dann sollte schon ein bisschen mehr von Land und Leuten gesehen werden. Am Stadion ging das Schauspiel weiter. Sie versuchten auf Teufel komm raus wie bei allen anderen Spielen mit einem Presseausweis reinzukommen und führten sich dabei nicht gerade freundlich auf. Dass die beiden irgendwann von den Mitarbeitern des Vereins nur noch ignoriert wurden, freute mich still und heimlich. Noch einmal: warum gebe ich einen vierstelligen Euro-Betrag für Flug, Unterkunft usw. aus, um dann das vertretbare Eintrittsgeld zu sparen? Zumal die beiden nie Haupttribünen-Karten, sondern immer die günstigen Karten für die Fankurve nahmen. Sie berichteten mir auch, dass das mit dem Presseausweis so gut wie nie klappte. In meinen Augen verständlich. Zur gleichen Zeit waren laut deren Aussage noch mindestens fünf andere deutsche Hopper unterwegs, die es wohl auch mit der Pressekarte versuchten. Wenn die sich genauso aufführen und vor allem immer gleich mehrere Leute das versuchen, würde ich als Argentinier die Deutschen für immer rausschmeißen. Manchmal muss man sich für seine Landsleute wirklich schämen. Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!
Vom Himmel kam tatsächlich etwas, allerdings kein Hirn, sondern Taubenscheiße, die direkt auf meiner Hand landete. Glück oder Pech? Egal, ich war froh, dass ich für 100 Peso mein Platea-Ticket hatte und ich für mindestens zwei Stunden meine Ruhe hatte. Das Stadion von Banfield besteht auf der Haupttribüne und in einem Hintertorbereich aus Ober- und Unterrang, während die Gegengerade und die andere Hintertorseite aus einem Rang bestehen.
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Insgesamt ein kleines schmuckes Teil des Meisters der Apertura-Saison 2009. Seit 1991 besteht in der ersten argentinischen Liga das Apertura-Clausura-System, bei dem die Meisterschaft in zwei eigenständige halbjährige Wettbewerbe unterteilt ist. Die Apertura wird in der zweiten Jahreshälfte als „Eröffnung“ gespielt und die Clausura in der ersten Jahreshälfte des folgenden Jahres als „Schließung“. Demzufolge gibt es pro Jahr zwei Meistertitel.
Das Spiel ist ein Paradebeispiel für die willkürliche Planung und Verlegung von Fußballspielen in Argentinien. Ursprünglich war die Partie für den Samstagnachmittag angesetzt. Zwei Tage vor dem Spiel, also am Donnerstag wurde das Spiel kurzerhand auf Montag 17 Uhr verlegt. Gerade für die Auswärtsfans eine „tolle“ Sache. Trotz der kurzfristigen Verlegung auf einen Werktag hatten es immerhin rund 500 Fans aus dem 300 km entfernten Rosario nach Banfield geschafft.
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Im Gästeblock waren die Fans durch die gespannten Fahnen kaum zu sehen und leider auch kaum zu hören. Zehn Trommeln gaben den Takt vor und hatten dabei eine Lautstärke, dass von den Gesängen nichts zu mir drang. Weniger ist manchmal mehr! Die Fans von Banfield
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warteten derweil mit einer besonderen Überraschung auf. Zum ersten und einzigen Mal erlebte ich es, dass die Barra nicht einmarschierte, sondern irgendwann einfach da war. So kam eins zum anderen, die Mannschaften hatten scheinbar auch keine große Lust zu spielen und somit konnte das Geschehen in der ersten Halbzeit unter Ulk abgehakt werden. Die zweiten 45 Minuten wurden etwas besser. Der Tabellenletzte Banfield ging in Führung, Newell’s Old Boys vergab im Gegenzug einen Elfmeter und kurz vor Schluss gelang Banfield das erlösende 2:0. Große Begeisterungsstürme rief das trotzdem nicht hervor, wobei ich auch hier wieder dazu sagen muss, dass der Auftritt beider Kurven im Vergleich zu europäischen Fanszenen gut war. Nur hatte ich gerade an den zwei Tagen vorher derart geile Stimmung erlebt, dass mich das heute erlebte nicht mehr vom Hocker reißen konnte. Zum Schluss gab es noch andere Szenen im Gästeblock zu sehen, als einige Fans unter teils heftigen Schlägen und Tritten ein paar andere Fans aus dem Block beförderten. Ich war froh, als das Spiel vorbei war, da zudem ein eisiger Wind, der vom Meer kam, durch das Stadion pfiff. Zurück ging es mit den beiden Lauterern per Zug mit einmal Umsteigen in Avellaneda nach Sarandi, wo folgende Abendpartie auf uns wartete:


Primera Division am 03.10.2011
Arsenal de Sarandi-CA Union de Santa Fe 2:1
Estadio Julio Humberto Grondona, Z: 3.000 (600)


Wir betraten das 1964 erbaute und 2004 renovierte Stadion, das nach dem Gründer des Vereins und heutigen Präsidenten des argentinischen Fußballverbandes benannt ist. Das Stadion besteht aus vier kleinen Tribünen und das war’s. Absolut nichts Besonderes.
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Im Gegensatz zu den meisten anderen argentinischen Vereinen, die meistens um die 100 Jahre Vereinsgeschichte auf dem Buckel haben, ist Arsenal de Sarandi ein junger Verein. Er wurde 1957 gegründet. Bei der Namensgebung orientierte man sich an Arsenal London und als Vereinsfarben wurde jeweils eine Farbe der beiden Nachbarn in Avellaneda ausgewählt, blau vom Racing Club und rot von Independiente. Ein kleines Kunstprodukt sozusagen, aber damit kennen wir uns in Deutschland ja mittlerweile auch leider ziemlich gut aus. Arsenal hat daher auch die kleinste Fanszene aller Erstligisten, gerade einmal 2.400 einheimische Zuschauer wohnten der Partie bei, von denen ca. 300 im Fanblock die Mannschaft mit ihren Gesängen unterstützten.
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Aus dem 500 km entfernten Santa Fe waren überraschend viele Fans mitgereist, die den Gästeblock mehr als komplett mit ihren Zaunfahnen zuhingen.
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Für die Umstände der kleinen Zuschauerzahl war die Stimmung auf beiden Seiten mehr als passabel. Kurz vor Schluss markierte Arsenal den Siegtreffer, was dann endlich auch die Besucher auf der Haupttribüne zu ein paar Gesängen veranlasste. Nach dem Spiel ging es schnellen Schrittes zurück zum Bahnhof. Zum einen war es mittlerweile richtig kalt geworden, zum zweiten sah die Gegend nicht sehr vertrauenserweckend aus und zum dritten wollten wir den letzten Zug nach Buenos Aires nicht verpassen.
Bei unserer Ankunft am Bahnhof Constitucion hatten mich die anderen beiden schon auf ein Schauspiel vorbereitet, von dem ich bereits im Vorfeld gehört hatte und es nun mit den eigenen Augen zu sehen bekam: die Papiersammler von Buenos Aires. Wieder einmal wurde mir bewusst, wie gut es uns doch geht. In Buenos Aires und Umgebung gibt es viele Leute, die mit dem Sammeln von Papier und Pappe auf der Straße ihren Lebensunterhalt verdienen. Und weil die Wohnungen in Buenos Aires selber relativ teuer sind, wohnen diese Leute in den umliegenden Vororten. Am Nachmittag fahren sie mit den Zügen in die Stadt, um das Papier zu sammeln und dieses gegen ein kleines Entgelt bei den Papiersammelstellen abzugeben. Am Bahnhof warteten gegen Mitternacht ca. 100 Papiersammler jeweils mit der Sammlung des Tages auf die Heimfahrt. Die argentinische Eisenbahn stellt den Menschen jeden Abend gegen halb eins einen kostenlosen Zug zur Verfügung, damit sie wieder in die Vororte fahren können. Wer bis dahin mit dem Sammeln noch nicht fertig ist, muss auf der Straße schlafen. Der persönliche Anblick blieb mir zum Glück erspart, aber in Fernsehreportagen über Buenos Aires, die ich im Vorfeld gesehen hatte, wurde dies mehrfach gezeigt. Kurz nach dem Bahnhof trennten sich unsere Wege, wobei die beiden einmal mehr Kopfschütteln bei mir hervorriefen. Ich nahm mir ein Taxi und bot den beiden an, sie bis zu meinem Hostel, das auf dem halben Weg zu ihrem Hostel lag, mitzunehmen, was sie aber ablehnten. Nun gut, jeder so, wie er will!
 
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Dienstag, 04.10.2011

Ein Tag ohne Fußball. Das ist in Buenos Aires zwar nur schwer möglich, kommt aber vor. Grund dafür war das bevorstehende Länderspielwochenende, wodurch die erste Liga Pause machte. Was also tun? Ich entschied mich für einen Ausflug auf eine Estancia, wo dem Touristen das typische Leben der Gauchos vorgespielt werden sollte. Nach der 90minütigen Busfahrt wurden die Leute mit Rot- und Weißwein begrüßt und das Schauspiel konnte beginnen. Und es sollte wirklich ein touristisches Schauspiel werden. Vor unserem Bus waren bereits vier andere Busse angekommen und nach uns folgten sieben weitere Busse. Nach einem Rundgang über das Gelände, bei dem man ein hergerichtetes altes Landhaus inkl. Innenleben bewundern konnte, bestand die Möglichkeit, eine kurze Reittour oder Kutschfahrt zu unternehmen. Das sah so aus, dass nach und nach 50 Touris auf die Pferde gehievt wurden, bei einigen der Touris musste man echt Mitleid mit den Pferden haben, und die Truppe dann ca. zehn Minuten im Schritttempo eine kleine Runde drehte.
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Na super. Da aber auch ich die Zeit rumkriegen musste, entschied ich mich, mit der letzten Runde doch noch aufs Pferd zu steigen. Nicht toll, aber selten. Insgesamt fiel auch hier eine Touristengruppe besonders auf. Es war durchgehend eine Rentnertruppe mit Ausnahme eines ca. 20jährigen Mädels, die begeistert zwischen den Älteren umhersprang. Beim genaueren Hinhören bestätigte sich auch mein Verdacht, es waren Deutsche. Ein paar hatten sich besonders „schön“ gemacht und trugen atemberaubende Outfits. Ein Mann ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Er trug eine Stoffhose, ein Hemd und ein Halstuch. Man sah ihm an, dass er sich hübsch machen wollte. Nur blieb es auch beim Wollen. Das Hemd hatte einen Fleck, die Hose war zu kurz, so dass man die Tennissocken und die ausgelatschten Turnschuhe sehen konnte. Aua, ein ganz böses Foul fürs Auge. Ich tat gut daran, mich von der Truppe fernzuhalten und den Rest der Zeit mit zwei Südafrikanern zu verbringen. Wir tauschten uns über viele interessante Dinge aus. Gesprächsstoff hatten wir genug, die Fußball-WM im letzten Jahr, das Boca-Spiel zwei Tage zuvor, wo die beiden auch waren und vor ein paar Jahren hatte ich das Vergnügen gehabt, Südafrika persönlich kennenzulernen. Das Highlight des Tages war das Mittagessen. Es gab Asado.
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Asado ist eine Grillmahlzeit, bei der so ziemlich jedes Fleisch auf den Grill kommt, das dort in der Gegend rumspringt, überwiegend natürlich Rindfleisch. Dabei darf man nicht zu zimperlich sein, auch Innereien werden teilweise mit serviert. Trotz der Massenabfertigung für die Gäste schmeckte es sehr gut und dank „all you can eat“ und aufmerksamen Kellnern, die gern noch eine Portion brachten, konnte ich mich so satt essen, dass ich für den kompletten restlichen Tag nichts mehr benötigte. Da tat der Verdauungsschnaps sehr gut. Zum Abschluss gab es eine kleine Tangoeinlage
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und eine Reitshow der Gauchos.
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Hier kam das Rentner-Phänomen zum Vorschein. Sie können kaum krauchen und suchen überall nach einem Sitzplatz usw. Aber wenn es darum geht, den besten Platz für die Show zu bekommen, da können sie auf einmal rennen, als ob es kein Morgen gäbe. Dumm für die Leute nur, dass die Plätze in der ersten Reihe auch die waren, bei denen man aufgrund des durch die Pferde aufgewirbelten Staubs am schmutzigsten wurde. Was hatte ich jetzt doch meinen Spaß!

Den Abend nutzte ich dafür, die Stadt einmal im Dunkeln zu erkunden und die wichtigsten Gebäude der Stadt im angestrahlten Lichterschein zu fotografieren. Mein Weg führte zur Plaza de Mayo, wo die Kathedrale von Buenos Aires, das Rathaus und der rosafarbene Präsidentenpalast „Casa Rosada“ abgelichtet wurden.
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Vom Balkon des Präsidentenpalastes richtete damals übrigens Eva Peron ihre großen Reden zum argentinischen Volk. Von der Plaza de Mayo erreicht man über die Avenida de Mayo die Plaza del Congreso, wo, wie es der Name schon sagt, das Kongressgebäude Argentiniens steht. Die letzten Bilder des Tages machte ich vom Obelisken sowie der Avenida 9 de Julio, der breitesten Straße der Welt.
 
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Mittwoch, 05.10.2011

Auf diesen Tag hatte ich mich aus zweierlei Dingen gefreut. Zum einen sah der Tagesplan die Besichtigung der Stadien und Museen von River Plate und von Boca vor und zum anderen sollten die beiden Spanier nach Buenos Aires kommen. Zuerst fuhr unsere kleine Gruppe von fünf Leuten mit unserem heutigen Guide nach La Boca zur Bombonera.
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Im Vereinsmuseum, das direkt in das Stadion integriert ist, kommen Statistikfreaks voll auf ihre Kosten. Von jeder der 23 Meisterschaften sind auf einer eigenen Tafel sämtliche Spiele des Jahres aufgelistet und Fotos bzw. aus den neueren Jahren auch Videos dokumentieren die Erfolge.
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Weitere Ausstellungsstücke sind Fotos von allen Spielern der ersten Mannschaften von Boca seit den 30er (?) Jahren,
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diverse Sachen wie Wimpel, Fußballschuhe oder Bücher, die irgendwas mit Boca zu tun haben und natürlich jede Menge Pokale.
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Interessant fand ich die Ausstellung der Trikots der Vereinsgeschichte.
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Zunächst waren es längsgestreifte in dunkelblau und weiß. Kurze Zeit später wurde gemäß der bereits geschilderten Geschichte auf blau und gelb gewechselt. In den ersten Jahren war das Trikot blau und hatte einen diagonalen gelben Streifen wie ihn River bis heute in seinen Trikots hat. Aber weil halt River diesen diagonalen Streifen hat, legte Boca den ab und trägt seitdem den Querstreifen. Eine weitere Story, die die Abneigung gegenüber River bekräftigt, wurde uns beim einstündigen Rundgang durch das Stadion selber erzählt. Einer der Hauptsponsoren von Boca ist Coca-Cola. Die Farben der Brausefirma sind bekanntermaßen rot und weiß, also die Farben von River. Boca meinte dazu nur, wenn Ihr bei uns Werbung machen wollt, gern, aber nicht in diesen Farben. Und so kommt es, dass die Bombonera der einzige Platz auf der Welt ist, wo für Coca-Cola nicht in rot-weiß, sondern in schwarz-weiß geworben wird. Der Rundgang durch das Stadion selber
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wurde von einem Boca-Fan mit viel Leidenschaft durchgeführt. Wir durften die Umkleidekabine betreten und er erzählte jede Menge interessante Geschichten. Die Kabine der Gäste wurde bewusst direkt unter der Boca-Fankurve gebaut, damit die Fans mit ihren Gesängen und Hüpfeinlagen einen kleinen Einfluss nehmen können. Im Fanblock brachte er unserer 50köpfigen Gruppe ein einfaches Boca-Lied bei und er ließ uns einen Torjubel nachspielen, was die Japaner gern annahmen und Richtung Zaun rannten. Zu guter Letzt war es sogar erlaubt, den Rasen zu betreten, um Fotos mit zwei Kopien des Copa Libertadores-Pokals zu machen. Den Abschluss im Museum bildete ein Film, der von einem kleinen Jungen aus La Boca erzählt, der als Straßenfußballer beginnt und davon träumt, einmal in der Bombonera auflaufen zu dürfen. Als der große Moment gekommen ist, bekommt man als Zuschauer Gänsehaut. Das „Kino“ ist im Inneren einen großen Fußballs und die Kameraführung zeigt in jeden Blickwinkel des Stadions, so dass man wirklich das Gefühl hat, mittendrin zu sein. Die Mittagspause wurde für einen kleinen Spaziergang durch die bekannten farbenprächtigen Straßen von La Boca genutzt.
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Anschließend fuhren wir einmal quer durch die ganze Stadt zum Stadion von River Plate. Auf der Fahrt erzählte uns der Guide einiges über die Geschichte von River. Allen bekannt war, dass River ursprünglich ebenfalls im Stadtteil La Boca gegründet wurde. Aufgrund eines fehlenden eigenen Platzes zog River 1920 zunächst in den Stadtteil Palermo und drei Jahre später nach Belgrano um, wo man bis heute beheimatet ist. Der Feindschaft mit Boca hat das bis heute keinen Abbruch geleistet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Vereinen in Argentinien ist River kein reiner Fußballclub. Es gibt viele andere Sportarten, die im Verein betrieben werden und eine breite Masse in der Bevölkerung ansprechen. Daneben engagiert sich der Club in der Bildung. Ein Kindergarten und eine Schule gibt es bereits auf dem Vereinsgelände und die Gründung einer Universität wird wohl derzeit geprüft. Das Museum von River ist deutlich professioneller dargestellt.
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Die Besucher werden zunächst von einer Zeitmaschine ins Jahr der Clubgründung 1901 gebracht. Durch einen Zeittunnel, von dem links und rechts Räume für die einzelnen Jahrzehnte abgehen, wandert der Besucher wieder zurück in die Gegenwart.
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In den einzelnen Räumen sind Jahrestafeln für jeden der 33 Meistertitel und alle internationalen Titel mit allen Spielen, Torschützen usw. und diverse weitere Dinge aus der betreffenden Vereinsgeschichte ausgestellt.
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Am Ende des Zeittunnels landet man im Ausstellungsraum der errungenen Pokale, wobei aus Platzgründen nicht einmal alle Pokale ausgestellt werden können.
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Es folgten eine Miniaturansicht des Stadions, eine Fotowand aller River-Spieler, eine größere Ausstellung über alle Nationalspieler und eine Ausstellung der historischen Trikots. Hier wird Fußballgeschichte gelebt! Und dann kam endlich der Moment, auf den ich die ganze Zeit gewartet hatte. Es ging ins Stadion, das Estadio Monumental oder offiziell Estadio Monumental Antonio Vespucio Liberti, welches mit derzeit rund 65.000 Plätzen das größte Stadion Argentiniens ist und in dem das Finale der Weltmeisterschaft 1978 stattfand.
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Wir betraten zunächst die Zuschauerränge, wo jeder auf den ersten Blick noch die Auswirkungen der Ausschreitungen nach dem Abstieg Rivers sehen konnte. Da nur einen Monat nach den Ausschreitungen die Copa America in Argentinien und natürlich in diesem Stadion stattfand, konnten die ramponierten Plätze nur notdürftig repariert werden. In Europa hätte man das Stadion vermutlich gesperrt, aber hier interessierte das scheinbar nicht so viele Leute. Das Stadion selber ist ein Traum. Jedermann spürt die Geschichte der über 70 Jahre alten Schüssel. Trotz der Laufbahn ein absolut geiles Teil. Die nächste Station war die Umkleidekabine für die Gästemannschaft, wo wir auch die Aufwärmhalle der Spieler zu sehen bekamen.
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In Argentinien erwärmen sich die Spieler in den Katakomben der Stadien, um die Stimmung durch das erstmalige Betreten vor dem Spiel nicht noch weiter anzuheizen. Als Höhepunkt durften wir durch den Spielertunnel in den Innenraum des Stadions gehen. Auch wenn das Stadion leer war, ein cooles Gefühl. Die Krönung des Ganzen, das Betreten des Rasens war leider nicht möglich, aber auch so hatte ich bereits mehr erlebt, als ich es mir vorher vorgestellt hatte.
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Mit tollen Erinnerungsfotos fuhr ich zurück zum Hostel und von dort direkt weiter mit der U-Bahn zum Abendspiel


Primera B Nacional am 05.10.2011
Ferro Carril Oeste-CA Huracan 0:1
Estadio Arquitecto Ricardo Etcheverry, Z: 6.000 (25)


Im Gegensatz zum Heimspiel vier Tage vorher gegen River Plate fand das Spiel im Heimstadion von Ferro statt, das direkt an einer Bahnanlage liegt, was als Eisenbahnerverein nahe liegt.
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Für 120 Peso (warum kosten die Zweitligaspiele mehr als die meisten Erstligaspiele?) sicherte ich mir einen Sitzplatz auf der alten und endlos geilen Haupttribüne. Ziemlich steil, die Holzsitze in den Vereinsfarben grün und weiß gehalten und überdacht. An gewissen Stellen war sie zwar baufällig, aber das macht den Charme des Stadions aus. Die restlichen Zuschauerränge, überwiegend Stehplätze auf Holztribünen mit Wellenbrechern dazwischen waren in einem etwas schlechteren Zustand. Nun verstand ich auch, dass das Spiel gegen River hier nie hätte stattfinden können. Kurzum aber ein Stadion für Fußballromantiker wie mich, von dem ich glücklicherweise noch ein paar Fotos machen konnte. Beim Einmarsch der Barra meinte der Akku meines Apparates, sich für heute zu verabschieden. Na toll. So konnte ich auf keine Fotos mehr von den direkt hinter dem Stadion stehenden Wohnblöcken machen, an denen pünktlich zu Spielbeginn mehrere Fahnen auf den Balkonen aufgehängt wurden. Wie bereits vor vier Tagen legten die Ferro-Fans einen sehr ordentlichen Auftritt hin. Definitiv eine der besseren Fanszenen in Argentinien, die manch einen Erstligisten übertrifft, die ich in der Zeit dort unten gesehen habe. Und weil mir Ferro aufgrund der tollen Fans ein wenig ans Herz gewachsen war, drückte ich ihnen die Daumen. Das sah auch gut aus, was die Spieler auf dem Platz zeigten. Ein einziger Sturmlauf über 90 Minuten, immer wieder angetrieben von den Fans. Aber wie bei jedem Spiel zeigte sich das Problem der Abschlussschwäche. Kläglich wurde Chance um Chance vergeben und es kam, was kommen musste. Eine viertel Stunde vor dem Ende der erste brauchbare Konter von Huracan und der Ball lag im Netz. Direkt anschließend gab es zwischen ein paar Leuten Ärger auf der Haupttribüne, der nach zwei, drei Backpfeifen schnell wieder erledigt war. Leider schoss Ferro kein Tor, ich hätte es ihnen zu gern gegönnt. Wer sich jetzt wundert, dass ich noch nichts zu den Gästefans geschrieben habe, der wundert sich zu Recht. Ich hatte mich auch gewundert, waren trotz des aufgehobenen Gästeverbots keine Fans anwesend. Und das, obwohl das Stadion von Huracan nicht einmal 10km entfernt lag. Erst mit dem Schlusspfiff sah man, dass sich in einem abgelegenen Block 25 Fans freuten, selbst nach dem Tor war nichts zu vernehmen. Merkwürdige Leute!
Zum Ausklang des Abends freute ich mich auf das Wiedersehen mit den beiden Spaniern. Die Nachricht, die ich an der Rezeption hinterlassen hatte, war nicht abgeholt und sie waren nicht da. Ein Blick in meine E-Mails verriet mir, dass sie doch erst einen Tag später ankommen sollten. Mit einem Bierchen und einer Runde Poolbillard gegen einen Deutschen auf achtmonatiger Weltreise (wie gut es manche Leute doch haben…) ging der Abend gemütlich zu Ende.


Donnerstag, 06.10.2011

Der Tag begann wie jeder Tag in Buenos Aires. Aufstehen, duschen, auf dem Zehn-Meter-Fußweg zur Frühstückbar am Zeitungskiosk eine Olé kaufen und die während des Frühstücks studieren. Der Rest des Tages war mehr oder weniger eine Mischung aus Warten auf die beiden Spanier, Zeit totschlagen und ein wenig die Stadt ansehen.
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Wobei das Zeit totschlagen leider die Hauptrolle einnahm. Das Wetter wechselte ständig zwischen leichten Schauern und Sonnenschein, so dass ich nicht stundenlang die Stadt und das Leben in einem der Parks genießen konnte. In den Zeiten, in denen es trocken war, drehte ich eine Runde in Puerto Madero, ging etwas essen und kehrte zum Hostel zurück. Die beiden wollten ursprünglich gegen 14 Uhr eintreffen. Als ich zu der Zeit meine Mails abrief, sah ich eine ungelesene von den beiden, die nichts Gutes bedeuten konnte. So war es auch. Ihr Flug aus Trelew wurde gecancelt, sie wurden in ein Hotel gebracht und auf den späten Abendflug umgebucht. Was tun? Tanya gab mir den Tipp, das Schauspiel der „Madres de Plaza de Mayo“ anzusehen. Dabei demonstrieren jeden Donnerstag Mütter, deren Söhne im Verlauf der Militärdiktatur in den 70er Jahren spurlos verschwunden sind und bis heute nicht wieder aufgetaucht sind. Begleitet wird das nach wie vor von einem Medienaufgebot. Daher kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Demonstration heutzutage trotz des ernsthaften Hintergrundes ein wenig Show ist.
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Daneben lernte ich, dass die Argentinier überhaupt gern protestieren und dabei den Verkehr an verschiedenen Stellen blockieren.
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Gegen Abend hatte ich zwei neue Mails, die mich auf dem Laufenden hielten. Zunächst wurde auch der Abendflug gestrichen und sie wurden auf den nächsten Tag umgebucht, bis es plötzlich hieß, der Abendflug geht doch noch raus. Ich rechnete nicht mehr damit, die beiden nach dem ganzen hin und her an diesem Tag noch zu sehen. Das Ende der Geschichte ist, dass sie kurz vor Mitternacht, ich spielte gerade eine Runde Poolbillard, plötzlich doch eintrafen. Natürlich nicht ohne ein weiteres Schmankerl. Der Flug sollte ursprünglich zum innerstädtischen Flughafen Aeroparque gehen. Während des Fluges sagte der Kapitän auf einmal durch, dass man wegen Kapazitätsproblemen nun zum außerhalb gelegenen internationalen Flughafen Ezeiza fliegen würde. Gesprächsstoff hatten wir genug und so tauschten wir uns noch zwei Stunden über die Erlebnisse der letzten Tage aus. Sie schwärmten mir vor allem von den Walbeobachtungen in Trelew vor und zeigten mir Videos, wo sie einfach die Wasseroberfläche filmten und plötzlich und besser als in jedem Hollywoodfilm kommt ein Orca von unten durch die Wasseroberfläche und springt in einem Bogen zurück ins Wasser. Ein Traum! Ich glaube, nach Trelew werde ich irgendwann auch nochmal reisen müssen.
 

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Freitag, 07.10.2011

Der Tag der Republik fiel buchstäblich ins Wasser. Für den Vormittag war eine vierstündige Bike-Tour zur Erkundung von Buenos Aires angesetzt, die zusammen mit den anderen deutschen Marathon-Teilnehmern stattfinden sollte. Leider schüttete es aus Eimern, so dass die Fahrradtour ausfiel. Ich nutzte trotzdem die Gelegenheit, nochmal im Reisebüro vorbeizuschauen, um die Mitarbeiter von ReallatinoTours kennenzulernen und gleichzeitig meine bedauerliche aber endgültige Absage für den Marathon mitzuteilen. Das Knie hatte sich in den letzten Tagen zwar gebessert und tat nicht mehr durchgehend weh, aber mehrmals am Tag spürte ich immer noch das Stechen. Unter diesen Umständen wäre ein Marathon halber Selbstmord gewesen. Es ist zwar schade, wenn man über ein halbes Jahr Woche für Woche die Trainingsläufe macht, auf das große Ziel hin trainiert, die Vorfreude wächst, da alle Zeichen positiv stehen und dann absagen muss. Gesundheit geht in diesem Fall vor und man muss das Positive sehen: so habe ich auf jeden Fall einen Grund nochmal nach Buenos Aires zu reisen.
Gegen Abend wurde das Wetter etwas besser, was auch gut war, denn es stand mal wieder Fußball auf dem Programm.


WM-Qualifikation am 07.10.2011
Argentinien-Chile 4:1
Estadio Monumental, Z: 32.000 (2.000)


Die Karte hatte ich mir bereits über ReallatinoTours gebucht, was nicht unbedingt nötig gewesen wäre, da sich das Zuschauerinteresse doch in Grenzen hielt. Aus dem Hostel wollten mehrere Leute auch das Spiel sehen, sie buchten über die Partneragentur des Hostels die Tickets. Auf meinen Hinweis hin verzichteten alle auf den An- und Abtransport zum Stadion. Mit sechs Leuten fuhren wir mit der U-Bahn bis zur Station Congreso de Tucuman, von wo etwa ein halbstündiger Fußmarsch bis zum Stadion von River Plate zu absolvieren ist. Unterwegs warfen wir alle bei einem Straßengrill eine Choripan, eine leckere und aromatische Wurst im Brötchen, ein. Kurz vor dem Stadion trennten sich unsere Wege. Vier Leute hatten nur noch Karten für den Gästeblock bekommen, einer hatte ein normales Kurventicket und ich nahm auf der Haupttribüne Platz. Neben mir waren ein paar andere der Marathon-Gruppe. Einer von ihnen ist auch großer Fußballfan, seines Zeichens von Chemie Leipzig. Gesprächsthemen sollten für die nächsten Tage mehr als genügend vorhanden sein.
Neben diversen anderen Wunschvorstellungen, die ich noch für das Leben habe, ist ein Traum von mir, in jedem Stadion, in dem einmal ein Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft stattgefunden hat, ein Spiel zu sehen. Nach dem Abstieg von River und der Stadionsperre sah im meine Felle für das 1978-Final-Stadion für diese Reise schon davon schwimmen. Doch vier Wochen vor meiner Reise wurde das WM-Qualispiel zwischen Argentinien und Chile angesetzt. Auch wenn es kein Ligaspiel war, frohlockte mein Herz außerordentlich.
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Vom Oberrang sah das Stadion noch einmal anders aus als aus dem Innenraum. Das Flutlicht war an, die Festspiele konnten beginnen.
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Etwas enttäuscht war ich über die Zuschauerzahl. Im Hostel hatte es noch geheißen, dass das Stadion ausverkauft sei, weswegen die vier Leute oben nur noch Karten für den Gästeblock bekamen. Ausverkauft scheint relativ zu sein. Das Stadion war zur Hälfte gefüllt. Im Gegensatz zu den Ligaspielen von River werden die Gästefans nicht im eigentlichen Gästeblock untergebracht. Im Gästeblock war der Fanblock der Nationalmannschaft aktiv
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und die Gäste selber waren im kleinen Mittelrang ohne größere räumliche Trennung zu den einheimischen Fans postiert. Wie bei eigentlich allen Nationalmannschaften war die Stimmung bei den Fans nicht überwältigend. Eigentlich nur nach den Toren und wenn das Stadion einen gewissen Leo Messi feierte, wurde es lauter. Die 2.000 chilenischen Fans gefielen mir besser, zwei Bengalos zu Beginn und ab und zu laute Gesänge.
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Im Verlauf des Spiels wurden sie jedoch verständlicherweise leiser. Denn auf dem Platz wurde ich endlich für die sportliche Schonkost der vergangenen Wochen belohnt. Wenn man mal die Jugendspiele in Ushuaia ausklammert, habe ich nicht ein einziges Spiel gesehen, bei dem mehr als drei Tore gefallen sind. Doch heute war es anders. Die besten Spieler Argentiniens waren aus Europa eingeflogen und zauberten, was die Kugel hergab. Angetrieben von einem entfesselt aufspielenden Mannschaftkapitän Leo Messi blühten auch die anderen auf. Ich war ca. 100 Meter Luftlinie vom Platz entfernt, aber wenn Messi mit seinen Dribblings begann, eines davon nutzte er zum 2:0, schlug das Herz höher. Einfach Wahnsinn, was der zu leisten vermag. Neben Messi trumpfte Miguel Higuain von Real Madrid auf. Er schoss die restlichen drei Tore Argentiniens, wobei eines schöner als das andere war. Das 4:1 ein Schuss von der Strafraumgrenze in den Winkel, das 3:1 erzielte er in größter Bedrängnis, als er nach einer Flanke aus fünf Metern Entfernung einfach den Fuß hinhielt und den Torwart der Chilenen halb überlupfte. Mein persönlicher Favorit war das 1:0. Messi schlägt eine Flanke von der linken Außenbahn kurz hinter der Mittellinie über ca. 50 Meter an das rechte Strafraumeck, wo Higuain den Ball mit der Brust annimmt und sofort mit einem satten Halbvolleyschuss die Kugel im Netz versenkt. Verdammt stark! Das Spiel hätte ich mir noch gern drei Stunden weiter angesehen, doch wie so oft bei Fußballspielen war nach etwas mehr als 90 Minuten Schluss.
Nach dem Spiel durften wie immer zunächst die Gäste das Stadion verlassen. Alle 2.000 chilenischen Fans mussten durch einen kleinen Seitenausgang. Es entstand ein kleines Nadelöhr, das die Argentinier dazu nutzten die Gäste mit diversen Gegenständen zu beschmeißen oder zu bespucken. Eine wirkliche Trennung bestand ja nicht und die Polizei schaute auch mehr oder weniger tatenlos zu. Wir trafen uns alle wohlbehalten an der Tankstelle vor dem Stadion wieder und wollten mit dem Bus zurück ins Zentrum fahren, da die U-Bahn zu dieser Tageszeit nicht mehr fuhr. Den gleichen Plan hatten viele andere Fans auch. Wir beschlossen eine spontane Planänderung und kehrten auf ein Bierchen in eine Bar ein, in der Hoffnung, damit die Wartezeit angenehmer zu überbrücken. Nach einer Stunde starteten wir einen neuen Versuch. An der Bushaltestelle verrieten uns ein paar Chilenen, dass sie bereits seit einer Stunde auf einen Bus warten. Wir nahmen ein Taxi und kehrten in der Nähe des Hostels in einen Irish Pub ein. Der Brite, der mit beim Fußball war, wollte in seinen Geburtstag reinfeiern, wo wir natürlich nicht nein sagen konnten und noch ein paar lustige Stunden verbrachten.


Samstag, 08.10.2011

Für den Samstag hatten wir zwei Möglichkeiten. Entweder ein Besuch von Colonia del Sacramento in Uruguay oder ein Besuch von Tigre mit dem Tigre-Delta. Aus Zeit- (Fahrzeit eine Stunde vs. eineinhalb Stunden je Richtung) und Kostengründen (1,10 Peso vs. 150 Peso je Richtung) entschieden wir uns für Tigre, dem Wochenendausflugsziels Nummer eins für die Porteños, wie die Einwohner von Buenos Aires genannt werden. Wir schlenderten über die Einkaufsmärkte, ohne irgendwelchen Schund zu kaufen und nach einer erneut leckeren Choripan machten wir eine Bootstour durch das Tigre-Delta. Die Beschreibungen auf dem Boot wurden leider nur in Spanisch gemacht, aber ich hatte ja meine "persönliche Dolmetscherin" dabei, die mir eine Stunde lang fast alles auf Englisch übersetzte. Das nenne ich mal Service! Im Tigre-Delta mündet der Rio Parana in den Rio de la Plata. Aufgrund des vielen Eisens, das die Bäche und Flüsse aus dem Landesinneren hierher spülen, sieht das Wasser bräunlich wie ein Milchkaffee aus. Das Delta selber ist eine Art eigene Stadt. Auf den vielen Inseln stehen Häuser, vorwiegend alte und schön anzusehende Kolonialhäuser.
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Jedes Haus hat seinen eigenen Anlegesteg für die Boote
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und es gibt auch „Bushaltestellen für Linienboote“.
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Ärzte, eine Apotheke, ein Kindergarten und eine Schule, es ist alles da, was man zum Leben braucht. Alles machte einen friedlichen und gemütlichen Eindruck, war ein netter Ausflug.
Nach der Rückkehr ins Hostel ereignete sich eine interessante Situation. Ich war gerade im Zimmer, als ein neuer Gast ins Zimmer kam und mich fragte, welches Bett frei sei. Ich meinte, nach meinem Kenntnisstand keines. Verwirrt stand er da und ging zur Rezeption, um das Problem zu klären. Nach und nach kamen zufällig auch alle Gäste unseres Zimmers mal vorbei und es stellte sich heraus, dass alle sieben für das Sechs-Bett-Zimmer eine gültige Reservierung hatten. Das Problem war, dass das Hostel komplett ausgebucht war und er nicht einfach in ein anderes Zimmer verlegt werden konnte. Mir konnte es egal sein, ich hatte mein Bett und meinen Schrank und verschwand irgendwann.
Wenn ich am folgenden Tag schon nicht den Marathon laufen kann, musste eine andere Unterhaltung her. Und die fanden wir im Buenos Aires Pub Crawl. Diese Veranstaltung findet an sieben Tagen in der Woche statt und startet in unterschiedlichen Locations, an diesem Tag fast vor unserer Haustür in San Telmo. Zur Grundlage warfen wir drei ein Bife de Lomo ein und kurze Zeit später löhnten wir in einer Bar 100 Peso für die kommenden Stunden. Die 100 Peso beinhalteten in der ersten Bar eine Stunde lang Pizza, sofern man etwas davon abbekam, und so viel Bier, wie man in der Zeit erstehen konnte. Für uns reichte es jeweils zu drei Bier und mittlerweile hatte sich unsere Hostelgruppe auf acht Leute inkl. einem Typen von der Rezeption vermehrt. Insgesamt nahmen ca. 80 Leute am Pub Crawl teil. Im weiteren Verlauf wurden drei weitere Bars angesteuert, wo es als Begrüßungsdrink jeweils einen Shooter gab und für die weiteren Getränke Sonderangebote bestanden, in der Regel zwei zum Preis von einem, und wir jede Menge Leute aus aller Welt kennenlernten. In der letzten der drei Bars stieß der Rezeptionist zu uns, der sich um die Lösung unseres Zimmerproblems kümmern musste. Ich fragte ihn, ob jetzt alles geklärt sei und wo das Problem lag. Das Problem war nämlich ich. Ich hatte meinen Aufenthalt in zwei Abschnitten gebucht, durch einen Systemfehler war die zweite Buchung aber ins Jahr 2010 zurückgesetzt wurden. War mir aber zu dem Zeitpunkt auch egal, denn mein Bett hatte ich noch. Die letzte Station des Tages wurde per Shuttle-Bus gegen halb vier angesteuert, es war eine Disco in Palermo. Die beiden Spanier kamen hier aufgrund des fortgeschrittenen Alkoholkonsums nicht mehr mit, so dass wir zwei Deutsche mehr oder weniger auf uns allein gestellt waren. Dumm nur, wenn man kein Spanisch spricht und somit andere Leute nicht ansprechen kann. Da kam uns ganz uneigennützig ein Chilene von der Pub Crawl Tour zu Hilfe, der im Fünf-Minuten-Takt ein anderes Mädel ansprach und wenn diese sagte, dass sie Englisch kann, winkte er einen von uns beiden ran, damit wir das Gespräch übernehmen konnten. Sehr feiner Zug. Gegen halb sechs hatten wir genug und nach einer überteuerten Taxifahrt (70 Peso für eine Strecke, die normalerweise die Hälfte kostet, aber er ließ nicht mit sich handeln) fiel ich in mein Bett.
 
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Sonntag, 09.10.2011

Während die Marathonläufer seit 7:30 Uhr ihre Kilometer schrubbten, schlummerte ich noch vor mich hin, um pünktlich zu den letzten Minuten des Frühstücks aufzustehen. Es war mein letzter Tag in Buenos Aires und wie kann man einen Besuch in der Welthauptstadt des Fußballs besser abschließen als mit einem Fußballspiel selber? Doch bevor es so weit war, wollte ich den letzten gemeinsamen Tag mit den beiden Spaniern verbringen, die am Abend zurück nach Europa fliegen mussten. Wir kehrten am späten Mittag in ein Restaurant ein, um das beste Bife de Lomo meiner gesamten Reise zu essen
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und anschließend noch eine Weile durch die Fußgängerzone Florida zu flanieren, wo auch am Sonntag jede Menge los war. Irgendwann hieß es leider Abschied nehmen. Aber es wird hoffentlich kein Abschied für immer. Ich hatte alle Mitglieder des "Polka-Teams" eingeladen, wann immer sie mögen, mich mal zu besuchen und natürlich ein Fußballspiel in Magdeburg zu sehen. Auf der anderen Seite bekam ich natürlich auch Einladungen nach Madrid und Paris. Insbesondere die Einladung nach Madrid dürfte schön werden. Der Vater von ihr ist seit mehreren Jahrzehnten großer Fan von Real und die Familie hat in jedem Jahr sechs Dauerkarten auf der Haupttribüne. Außer bei Spielen gegen Barca sollte es bei jedem anderen Spiel möglich sein, eine der Karten zu nutzen. Daneben meinte "der Einzelreisende", dass sein Schwager drei Dauerkarten für Athletico besitzt und auch hier ein Stadionbesuch fast bei jedem Spiel drin sein sollte. Da muss also nur noch ein passender Termin gefunden werden.


Primera B Nacional am 09.10.2011
CA Huracan-CA River Plate 1:2
Estadio Tomas Adolfo Duco, Z: 40.000 (9.000)


Das Spiel schlug im Vorfeld hohe Wellen. In der Olé wurde über mehrere Tage ein Streit zwischen beiden Vereinen zitiert. Es ging um Sitzplatzkarten für die Gästefans. Ursprünglich wollte Huracan keine abgeben, dann zu einem aus River-Sicht überhöhten Preis (aus meiner Sicht übrigens auch), was River ablehnte. Aufgrund der ganzen Vorgeschichte hatte ich eine gewisse Angst, dass am Stadion selber wie eine Woche zuvor beim Spiel bei Ferro keine Karten verkauft werden könnten. Ich machte mich recht früh mit der U-Bahn auf den Weg zum Stadion, in dem ich bereits vor drei Wochen war. Meine Sorge war unbegründet, es gab genügend Karten. Negativer Beigeschmack: für das Spiel gegen River wurde ein Topzuschlag von 50 % für die Platea-Sitze genommen. Statt 100 Peso löhnte ich folglich 150 Peso. Zum vorerst letzten Mal betrat ich zwei Stunden vor Spielbeginn ein argentinisches Stadion und erlebte die ganze Inszenierung der Fans mit. Das langsame Füllen der Fanblöcke, das Aufhängen der Zaunfahnen, das Spannen der Fahnen im Block und den Einmarsch der Barras. Damit begannen die Gäste. Am äußersten Eingang der Kurve fingen die Gesänge an. Es dauerte ein paar Minuten, bis die ersten Trommler und die ersten Schirme in den Block kamen. Es folgten weitere Trommler und weitere Schirme gefolgt von ca. 500 Fans, die in einem gemächlichen Tempo in Richtung ihres Platzes, die Mitte der Fankurve, marschierten. Bis alle 20 Trommler und noch mehr „Schirmträger“ auf ihren Plätzen waren, dauerte es locker 20 Minuten. Als man dachte, dass alle da sind, kam eine letzte Gruppe rein, die eine größere Fahne brachte, die über die anderen Fahnen in der Blockmitte gespannt wurde. Bei Huracan das gleiche, nur dass die Anzahl der involvierten Fans etwas geringer war. Dafür präsentierten die Huracan-Hinchas beim Einlauf der eigenen Mannschaft eine überdimensionale Blockfahne über fast die ganze Kurve.
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Schon vor dem Spiel eine atemberaubende Atmosphäre.
Die sportliche Konstellation war klar. River war ungeschlagener Tabellenführer, Aufstiegsaspirant Nummer eins und hatte unter der Woche mit 7:1 gegen Atlanta gewonnen. Huracan blieb nur die Außenseiterrolle und ich wünschte mir den folgenden Spielverlauf. Huracan sollte mit 1:0 in Führung gehen, damit die Stimmung im Stadion auf das Maximum gesteigert wird. Anschließend sollte aber River das Spiel drehen, weil dieser Verein und diese Fans einfach nicht in die zweite Liga gehören. Und meine Fußballgebete für diesen Tag wurden erhört. Huracan ging in der achten Minute mit 1:0 in Führung. Im Stadion war die Hölle los. Die 31.000 Anhänger von Huracan sangen auf allen Plätzen, hüpften und feierten diese Führung. Ich bekam eine Gänsehaut. Sechs Minuten später war die große Herrlichkeit vorbei, River erzielte den Ausgleich. Nun waren die 9.000 Gästefans in der rappelvollen Gästekurve am Abdrehen. Die Gästekurve war dabei so voll, dass kurz nach Spielbeginn ein eigentlich als leerer Pufferblock vorgesehener Bereich zusätzlich für die River-Fans freigegeben werden musste.
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Weitere sechs Minuten später trat tatsächlich mein Wunsch ein, River hatte das Spiel gedreht und lag nun vorn. Fortan legte die Lautstärke nochmal zu, natürlich auf beiden Seiten. Beide Seiten kamen nicht ganz an das Niveau vom Spiel Ferro-River in der Vorwoche, lagen aber auch nur minimal dahinter. Ich ergötzte mich an den Fans und nachdem drei Tore in den ersten 20 Minuten gefallen waren und River wie bereits beschrieben ein paar Tage zuvor ein echtes Schützenfest feierte, hatte ich Hoffnung, dass ich nun doch in meinem letzten Ligaspiel das erste Mal mehr als drei Tore sehen konnte. Die Stürmer beider Mannschaften erfüllten mir diese Hoffnung nicht, sondern vergaben wie immer die Chancen in absoluter Häufigkeit.
In der zweiten Halbzeit gab es im River-Block eine Schrecksekunde. Ich sah nur noch die Ausläufer einer Menschenwelle, die sich nach unten bewegte und weiter oben einen größeren Freiraum im vollen Block. Wenn ich das richtig gesehen habe, hatte sich eine der im Block gespannten Fahnen gelöst und der oder die Fans, die sich auf einem Wellenbrecher daran festhielten, machten den Abflug. Dass jemand zu Schaden gekommen ist, war in den nächsten Tagen nicht der Presse zu entnehmen, insofern scheint es glimpflich ausgegangen zu sein. Die letzten Minuten schaute ich fast gar nicht mehr auf den Platz. Meine Blicke wanderten zwischen beiden Fankurven hin und her,
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wobei ich deutlich häufiger bei River hängen blieb. „Vamos, vamos, River Plate…“, „River, mi buen amigo“ usw. Gesungen von 9.000 im Takt hüpfenden oder im Takt mit dem Arm schwingenden Fans.

Auch jetzt, einige Wochen danach, wo ich den Bericht schreibe, liegen mir noch die Gesänge in den Ohren. Mit einem mehr als tollen Erlebnis ging meine argentinische Fußballdosis zu Ende.


Montag, 10.10.2011

Frühstück, auschecken, von den lieben Leuten im Hostel verabschieden und dann per Taxi zum Flughafen. Für den Weiterflug nach Iguazu hatte ich das erste Mal mein volles Gepäck dabei und siehe da, nun war ich dran. Die Dame am Schalter meinte, ich hätte 7kg zu viel und ich müsse 140 Peso bezahlen. Bei vier Flügen mit Übergepäck einmal 23 Euro zu zahlen, ist vertretbar. Da hatte ich im Vorfeld andere Sorgen. Im Wartebereich traf ich die Marathontruppe vom Freitag wieder und zwei weitere Läufer stießen dazu. Ich erkundigte mich ausführlich nach den Läufen vom Vortag. Da unser Flieger ein wenig Verspätung hatte, hatten wir genügend Zeit, um uns über Gott und die Welt auszutauschen. Außer mir waren zwei weitere Steuerberater in der Gruppe. Zufall? Mit dem Fußballfan erzählte ich hier und in den nächsten Tagen noch mehrfach über die Fußballsituation in Deutschland, über unsere beiden Vereine und den Fußball in Argentinien. Als wir den Flieger betraten, konnte ich mich schon wieder über einen Platz in der Notausgangsreihe freuen. Iguazu empfing uns mit Temperaturen von annähernd 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von über 80 %. Im Vergleich zu Buenos Aires und vor allem den Regionen im Süden ein wahrer Hitzeschock. Per Bus ging es zum Hotel St. George, einem Vier-Sterne-Hotel inmitten des Ortes Puerto Iguazu. Hier hatte ich ein Drei-Bett-Zimmer für mich allein und konnte mich schön ausbreiten. Den Nachmittag verbrachten wir alle zusammen am Pool oder im Pool und genossen ein Bierchen oder auch einen Cocktail. Gegen Abend führte uns ein kleiner Spaziergang zum Dreiländereck Argentinien-Brasilien-Paraguay
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und im Sonnenuntergang
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freuten wir uns auf den nächsten Tag, wo wir die Wasserfälle von Iguazu besuchen wollten. Nach dem Abendbuffet im Hotel ließen wir den Abend an der Hotelbar ausklingen. Da zunächst kein Kellner an der Bar war, sagten wir scherzhaft, dass wir eben selbst hinter den Tresen gehen und mixen. Nach Rückfrage an der Rezeption kam der gute Herr doch noch und nun begann der Spaß. Englisch sprach er so gut wie gar nicht und ein paar Standardcocktails wie Campari Orange oder Cuba Libre waren ihm auch nicht ganz geläufig. Um ihm auf die Sprünge zu helfen, stand eine Minute später einer von uns mit ihm hinter der Bar und zeigte ihm, welche Zutaten er nehmen muss. Bei der zweiten Bestellrunde folgte der nächste Lacher. Er notierte die Bestellung des ersten Cocktails und verschwand. Nach fünf Minuten kam er mit dem Cocktail an und wollte wieder verschwinden, bis einer von uns schrie, dass er auch noch was wollte. Er die Bestellung aufgenommen und umgedreht. Jetzt schrieen wir anderen alle. Wir wollten ja keine halbe Stunde auf das nächste Getränk warten. Und weil der Abend so schön war, ließ ein spendabler Mitreisender alle Getränke des Abends auf sein Zimmer 306 schreiben. Herzlichen Dank dafür!
 
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Dienstag, 11.10.2011

Die Wasserfälle von Iguazu. Was hatte ich nicht schon alles über sie gelesen, gehört und sie auf Bildern und Videos gesehen. Im Normalfall heißt es, dass man sich, wenn man zwei Tage zur Verfügung hat, zuerst die brasilianische Seite ansehen soll, weil man von dort den berühmten Postkartenpanoramablick auf die 275 Einzelfälle hat. Am zweiten Tag soll man die argentinische Seite besuchen, weil man dort sehr nah an die Wasserfälle herankommt und sie intensiver erleben kann. Das war auch unser Plan. Der Wetterbericht sagte aber für unseren ersten Tag noch Sonne und für den zweiten Tag Regen vorher. Auf den Tipp von unserem Südamerika-Experten Fred tauschten wir die beiden Tage und fuhren zur argentinischen Seite des Nationalparks.
Im Park führte uns unser erster Weg zur Garganta del Diablo, der Teufelsschlucht. Die Touristenmasse, die in der prallen Sonne auf den Zug zur Teufelsschlucht wartete, ließen wir links liegen und begaben uns zu Fuß auf den etwa drei Kilometer langen Weg entlang der Bahnstrecke. So ergab sich die erste Möglichkeit, ein paar Tiere in Form von Schmetterlingen oder Nasenbären zu sehen. Wir versuchten noch vor dem ersten Zug an der Endstation anzukommen, um vor der ersten Masse an Menschen an der Teufelsschlucht anzukommen. Das Vorhaben misslang um ca. drei Minuten. Der Weg zur Schlucht selber führt über einen etwa einen Kilometer Brückenpfad. Unterwegs sahen mich verschiedene Leute leicht komisch an. Ob es an meinem FCM-Trikot lag, dass ich trug? Je näher wir kamen, desto lauter hörten wir die Wassermassen, die sich in den Abgrund stürzten. Die Aussichtsplattform endet fast direkt über dem Abgrund und bietet einen sagenhaften Ausblick. Direkt unter einem, vor einem und rechts von einem ergießen sich die Wassermengen in die Tiefe. Es wird sofort bewusst, warum diese Schlucht die Teufelsschlucht heißt. Wenn man sich vorstellt, unter den Wasserfällen zu stehen, muss es einem vorkommen, als ob der Teufel persönlich kommt und einen mitnimmt.
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Aufgrund der vielen Leute war es schwierig, ein Foto von sich und den Wasserfällen zu bekommen. Oftmals lief jemand durchs Bild und ganz allein auf ein Foto zu kommen war eh unmöglich. Nach einer Weile gingen wir zurück, aber nicht den ganzen Weg, sondern nur bis zum Ende des Brückenpfades. Hier stiegen wir in ein Schlauchboot um und ließen uns in sicherer Entfernung zu den Wasserfällen eine Zeit lang treiben, um Flora und Fauna zu genießen.
Als nächstes nahmen wir den Circuito Superior, den oberen Rundgang in Angriff. Auf dem Rundgang läuft man oberhalb der Wasserfälle entlang und sieht die vielen verschiedenen Fälle. Alle paar Meter hat man einen neuen Blick und so mussten die Fotoapparate wieder einmal alles geben.
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Bevor wir den Circuito inferior, den unteren Rundgang, begannen, war Mittagspause angesagt. An einem der Imbissstände holten wir uns Sandwiches oder andere Leckereien und wir bekamen noch den Tipp, auf das Essen aufzupassen. Eine Minute später wussten wir auch warum. Die lieben kleinen und netten Guatis, oder auch Nasenbären streunten im Bereich der Imbissstände umher auf der Suche nach Essen.
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Sie waren dabei so flink, dass das Essen weg sein kann, wenn man auch nur eine Sekunde mal nicht aufpasst, wie es anderen Touristen passierte. Die Nasenbären haben sich mittlerweile so sehr an die Menschen gewöhnt, dass sie sogar ihren Schlafrhythmus umgestellt haben. Anstatt wie früher mit Sonnenaufgang aufzustehen und mit Sonnenuntergang sich schlafen zu legen, stehen sie jetzt mit der Öffnung des Nationalparks auf, weil da die Menschen mit dem Essen kommen, und wenn die Menschen gegen Abend den Park verlassen, legen sich die Guatis hin.
Während die Wasserfälle von oben schon beeindruckend sind, spürt man auf dem unteren Rundgang die volle Wucht. An verschiedenen Stellen kommt man bis auf weniger als zehn Meter an die Wassermassen heran.
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Ich war völlig überwältigt. Ich hatte mir natürlich meine Vorstellungen gemacht, wie die Wasserfälle in natura aussehen würden. Das Gesehene hat alles bei weitem übertroffen. Unser Marathon-Guide war bereits das zehnte Mal in Iguazu und ich fragte ihn, wie er das sieht. Auch für ihn ist die Rückkehr nach Iguazu und das erneute Sehen der Wasserfälle jedes Mal aufs Neue ein Erlebnis. Die Gicht des umherspritzenden Wassers sorgte bei den tropischen Temperaturen für eine angenehme Abkühlung.
 

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Die große Abkühlung folgte anschließend. Wir nahmen ein Boot, das auf den unteren Flussausläufern fährt.
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Es wurde leichtsinnig eine Prämie von zunächst 10 Euro, die zum Anreiz über 100 auf 1.000 Euro erhöht wurde, für denjenigen ausgelobt, der während der Bootsfahrt trocken bleiben würde. Wir bekamen wasserdichte Beutel, um Rucksäcke etc. zu verstauen, die Crew zog sich wasserfeste Overalls an und nach einer kleinen Fotosession begann der Spaß. Das Boot fuhr mit einem Affenzahn direkt unter die Wasserfälle. Zunächst streiften wir lediglich das Wasser. Bereits zu diesem Zeitpunkt mussten wir alle die 1.000 Euro ad acta legen, alle waren gut durchnässt. Das war aber nicht alles. Der Bootsführer lenkte das Gefährt nun direkt unter die herabfallenden Wassermassen. Und wenn ich sage Wassermassen, dann meine ich keine extrem starke Dusche oder einen tropischen Regenguss, ich meine richtige Wassermassen. Mit einer Urgewalt schlug das Wasser auf uns und das Boot ein. Der Geräuschpegel war atemberaubend. „Von weitem“ hörte ich eine Stimme, dabei war jemand, der direkt hinter mir saß, wir sollen mal nach oben schauen. Gesagt, getan. Der helle Wahnsinn. Man sah nur noch Wasser. Das schönste dabei war die angenehme Frische des Wassers.

Nach einem verschwitztem Tag Rumlaufens genau das richtige und definitiv eines der schönsten Erlebnisse, die ich je in meinem Leben hatte. Da war es auch egal, dass die Klamotten triefend vor Wasser waren und regelrecht am Körper klebten. Kurz abgetrocknet und das T-Shirt gewechselt und zum Ausklang des Nachmittags genossen wir ein Käffchen und Chips auf der Terrasse des Sheraton-Hotels mit direktem Blick auf die Wasserfälle.
Nach dem Abendessen endete dieser Abend wie der vorherige: an der Hotelbar mit dem überforderten Barkeeper, der es wieder fertig brachte, erst auf mehrfache Ermahnungen unsererseits mehrere Bestellungen gleichzeitig aufzunehmen und uns die Cocktails zu bringen.
 

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Mittwoch, 12.10.2011

Der Wetterbericht sollte Recht behalten. Nach traumhaftem Sonnenschein tags zuvor begrüßte uns dieser Tag mit einem Regenguss der besten Sorte. Wir fuhren mit einem Kleinbus mit einem Zwischenstopp an der Grenze, um neue Stempel im Pass zu bekommen, auf die brasilianische Seite der Iguazu-Wasserfälle. Vom Souvenirshop fahren Shuttle-Busse bis zu den Wanderpfaden. Es goss weiterhin, aber es hilft ja nichts. Regensachen an und raus aus dem Bus, die Wasserfälle warten. Die Wolken hingen tief und Nebel war vorhanden. Der Panoramaausblick war leider nicht in der Pracht zu erleben. Teilweise konnte nicht einmal die gegenüberliegende Seite gesehen werden. Wenn sich dann doch mal ein halbwegs guter Ausblick bot, wurde sofort der Fotoapparat gezückt, um Bilder zu schießen.
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Was nicht ganz einfach ist, Technik und Wasser vertragen sich bekanntermaßen nicht so gut. Im Verlauf unseres Weges ließ der Regen etwas nach, was bedeutet, dass es trotzdem noch mehr als ordentlich goss. Zum Ende des brasilianischen Weges kommt man näher an die Wasserfälle heran. Eine Aussichtsplattform ist besonders interessant. Sie liegt zum einen direkt am oberen Ende einer Schlucht, wo unter einem Wasser herabfällt. Und zum anderen liegt sie direkt am Fuß eines anderen Wasserfalls. Durch diesen Wasserfall wird dermaßen viel Wasser aufgewirbelt, dass man an einem sonnigen Tag eine willkommene Erfrischung bekommt, da man vollkommen durchnässt den Rückweg von der Plattform antritt. Bei uns war eigentlich nur die Frage, ob wir vom Regen oder vom Wasserfall so nass waren. Einen wirklichen Unterschied konnten wir nicht ausmachen. In Verbindung mit der ohrenbetäubenden Geräuschkulisse dennoch ein unvergessliches Erlebnis.

Alles in allem kann ich nur sagen, dass die Iguazu-Wasserfälle nicht nur das gehalten haben, was ich mir im Vorfeld erhofft habe, sondern um einiges übertroffen haben. Und ich kann den Hinweis bestätigen, an zwei Tagen mit gutem Wetter zuerst die brasilianische und anschließend die argentinische Seite zu besuchen. Bei unserer Wetterkonstellation war der Tausch angebracht, da wir so „nur“ einen halben Tag durch den Regen laufen brauchten.
Nach einem Zwischenstopp in einem Souvenirshop, wo man künstliche Bäume mit Edelsteinen als Blättern für das schmale Taschengeld von mehr als 100.000 Euro erwerben konnte, nahmen wir das Mittagessen in einem brasilianischen Großrestaurant ein, wo mehr als 1.000 Leute gleichzeitig Platz finden. Solche Schuppen kann ich überhaupt nicht leiden, da ich in der Vergangenheit bereits mehrfach die Erfahrung machen musste, dass an Touristenorten die Essensqualität in umgekehrter Abhängigkeit zur Größe des Restaurants steht. Erstaunlicherweise war das Essen sogar einigermaßen in Ordnung, aber wie sich manche Leute am Buffet aufführten, war nicht mehr feierlich. Dass man sich bei 1.000 Leuten auf Schlangen einstellen muss, ist normal. Für manche Leute scheinbar nicht, es wurde geschoben und gedrängelt. Den Oberhammer schoss eine ältere Dame ab, die sich zunächst Essen auf ihren Teller packte, dann im nächsten Behälter etwas anderes sah und das Essen von ihrem Teller wieder zurück in die Behälter auf dem Buffet schob. Ich denke, dass ich da nicht noch einmal essen werde.
Nach einem Mittagsschläfchen startete unser letzter gemeinsamer Abend mit einem Bummel in die Stadt, wo wir uns mehrere für Gruppen sehr gut geeignete Literflaschen Bier gönnten. Fortgesetzt wurde das nach dem Abendessen in einer Bar im Ort, wo wir uns auf unsere tolle Reise mehrere Cocktails gestatteten. In der Bar können sich die Gäste mit Kreide an den Wänden verewigen. Selbstverständlich schmückt eine der Wände nun ein FCM-Emblem und ein Block U-Schriftzug.
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Während es am frühen Abend mit dem Regen kurzzeitig aufhörte, wurde es während unseres Aufenthaltes umso heftiger. Die Gullis schafften den Wasserabfluss nicht mehr. Stattdessen kam das Wasser aus den Gullis teilweise wieder hoch und es ergossen sich halbe Bäche durch den Ort.
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Donnerstag, 13.10.2011

Vor dem Frühstück hieß es Abschied nehmen. Zwei Teilnehmer unseres Marathon-Teams flogen zurück nach Buenos Aires, um einen Tag später nach Deutschland zurück zu fliegen. Die anderen fünf reisten weiter nach El Calafate, El Chalten und Ushuaia. Ich hatte mir diesen Tag extra in Iguazu eingeplant, um gegebenenfalls nochmal einen weiteren Tag zu den Wasserfällen zu fahren und andere Dinge wie eine Canopy-Tour zu unternehmen. Das alles macht allerdings nur bei gutem Wetter Sinn und es goss wie am Tag zuvor. Was macht man da? Nochmal ins Bett und ausschlafen. Daneben konnte ich mein Buch zu Ende lesen, dessen letzte Kapitel in Buenos Aires und in der argentinischen Pampa spielten. Und ein bisschen im Internet surfen. Ich blätterte gerade die Neuigkeiten bei Facebook durch und traute plötzlich meinen Augen nicht. Ich wollte ja am nächsten Tag nach Sao Paulo reisen und eine Kollegin schrieb, dass sie gerade in Sao Paulo angekommen sei. Etwas ungläubig schrieb ich ihr eine SMS und siehe da, es stimmte. Wir verabredeten uns für den nächsten Abend zum Essen. Da sie auch über das Wochenende da blieb, hatte sich eine gute Wochenendunterhaltung ergeben. Im Ort bestellte ich mir zum Abendessen ein letztes argentinisches Bife de Lomo und zum Abschied folgte ein letzter Caipirinha an der Hotelbar. Witzigerweise fragte der Kellner, ob er den auf Zimmer 306 schreiben sollte. Ich verneinte höflich und ging früh ins Bett.


Freitag, 14.10.2011

Bereits um sechs Uhr sollte mein Flug vom brasilianischen Flughafen Foz do Iguazu nach Sao Paulo gehen. Das bedeutet um halb drei aufstehen und ab unter die Dusche. Leider wartete ich über fünf Minuten vergeblich auf lauwarmes Wasser. Irgendwann gab ich auf, packte meine Sachen und checkte aus. Meine Nachfrage, ob ich eine kleine Erstattung für das fehlende warme Wasser bekommen würde, wurde mit der Begründung abgewiesen, dass das normal sei. Es kann nachts bis zu zehn Minuten dauern, bis warmes Wasser kommt, schließlich müsse das Wasser lange Wege zurücklegen. Gegen halb vier kam mein persönlicher Kleinbus, ich nahm Abschied von Argentinien und checkte am Flughafen ein. Im Sicherheitsbereich die ersten brasilianischen Real (1 Euro = 2,5 Real) gezogen, ein kurzes Frühstück eingeworfen und auf den Flug gewartet. Fünf Minuten vor dem Abflug der TAM-Maschine wurde auf dem Monitor „Cancelled“ eingeblendet. Eine Ansage dazu erfolgte nicht. Warum auch? Einen Schalter im Sicherheitsbereich gab es nicht, also wieder raus und erneut am Check-In angestellt. Der Mitarbeiter kam zunächst mit meinem Problem nicht klar. Erst sein Vorgesetzter konnte weiterhelfen und mich auf den nächsten Flug umbuchen. Der ging kurz vor 12, also sechs Stunden später. Ich fragte nach einer Kompensation aufgrund der Verspätung. Selbstverständlich wurde ich auch hier abgewiesen. Begründung: es herrscht so starker Nebel, dass das Flugzeug nicht fliegen kann und bei Wettereinflüssen, für die die Fluggesellschaft nichts kann, gibt es nichts. Komisch nur, dass mein Flug der einzige an diesem Morgen war, der gestrichen wurde und alle anderen planmäßig rausgingen. Die Stunden bis zum Mittag verbrachte ich mehr schlecht als recht schlafend auf den unbequemen Sitzen und mit einem letzten Blick auf die 20 km entfernten Wasserfälle hob ich ab Richtung der größten Stadt Südamerikas. Zwei Stunden später landete ich im verregneten Sao Paulo und mit dem Flughafentaxi fuhr ich zum Festpreis von 110 Real zum Telstar Hostel, wo ich mich auf die Ohren legte. Zum Abend traf ich mich mit meiner Kollegin und einem weiteren Hamburger Kollegen. Beide waren für ein Projekt eine Woche in Sao Paulo und schwärmten von ihrem Business Class-Flug hierher. Nun gut, daraufhin „musste“ ich natürlich von meinem First Class-Flug schwärmen. Auf Empfehlung eines weiteren Kollegen suchten wir ein nicht ganz billiges aber fantastisches Restaurant auf. Wir saßen noch nicht ganz, da wurde uns bereits ein leckerer Vorspeisenteller hingestellt. Als der alle war, wurde er gegen einen neuen eingetauscht, dazu kam in regelmäßigen Abständen ein Kellner mit frisch gebackenem Brot vorbei. Als Hauptspeise wählten wir drei Rindfleisch in verschiedenen Variationen. Wir wollten gerade die Rechnung ordern als ein Kellner mit zwei Flaschen Cachaca (jeweils 0,3 Liter) ankam. Er erzählte uns irgendwas auf Portugiesisch, aus dem wir schlussfolgerten, dass die wohl auf Kosten des Hauses gehen. Dann bleiben wir doch noch. Eine Sorte schmeckte gut, die andere gar nicht. Als die gut schmeckende Sorte leer war, hatten wir immer noch „Durst“. Am Nachbartisch standen die Gäste gerade auf, ohne dass sie den Cachaca angerührt hatten. Also schnell die Flaschen getauscht und weitergetrunken. Das Tauschen der Flaschen wäre allerdings gar nicht nötig gewesen. Als wir die Flasche leer hatten, wurde die vom Kellner gegen eine volle getauscht. Und als die wiederum leer war, brachte er noch eine. Nach der vierten Gratisflasche winkten wir dankend ab, wir mussten ja noch irgendwie nach Hause kommen. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag zum Sightseeing und ich nahm mir ein Taxi zurück zum Hostel. Der Taxifahrer wartete nach meiner Ablieferung so lange, bis mir die Tür geöffnet wurde und ich auch wirklich im Gebäude verschwunden war. Sehr feiner Zug!
 

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Samstag, 15.10.2011

Die Frühstückszeit verschlief ich und gegen 11 Uhr fuhr ich mit der U-Bahn zum Hotel der anderen beiden. Die beiden erzählten mir, dass sie abends zuvor noch einen lustigen Abend hatten. Die Bar im Hotel hatte bei ihrer Rückkehr bereits geschlossen, so dass sie noch einen Irish Pub in der Nähe aufsuchten. Gegen drei Uhr kehrten sie ins Hotel zurück und dachten sich, dass ein Ausblick auf Sao Paulo im Dunkeln nicht schlecht wäre. Über verschlungene Wege und den Aufzug für die Putzfrauen erreichten sie das oberste Stockwerk, von wo sie problemlos auf die Dachterrasse und den Hubschrauberlandeplatz kamen und einen sehr coolen Ausblick auf das Lichtermeer bis zum Horizont hatten. Hätte ich auch gern gesehen.
Unser erstes Ziel war die Aussichtsplattform eines Hochhauses. Wir fuhren in den 27. Stock, der Gang auf die Plattform wurde uns verwehrt, nur Gäste des Restaurants durften diese betreten. Wir hätten 15 Euro pro Person zahlen müssen, was wir dankend ablehnten. Es gab noch einen zweiten Aussichtsturm. Leider fanden wir bei dem gar keinen offenen Eingang und wir mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Aufgrund des wieder erstarkten Regens war weiteres Sightseeing nicht sinnvoll, dazu hatten die beiden eine Essenseinladung von ihrem Mandanten. Wir verabredeten uns für den Abend und ich ging zum brasilianischen Fußballmuseum, welches im Estadio do Pacaembu von den Corinthians Sao Paulo integriert ist.
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Sechs Real kostet der Ausflug in die Geschichte des brasilianischen Fußballs, ein fairer Preis für das, was geboten wird. Es wird sowohl auf die Vereine als auch auf die Nationalmannschaft eingegangen. Es gibt Schautafeln und Videos zu den Fußballweltmeisterschaften und viele Statistiken liefern interessante Anekdoten. Leider war fast alles nur auf Portugiesisch dargestellt. Dennoch konnte ich die Kernbotschaften entziffern. Wer als Fußballfan in Sao Paulo weilt, sollte das Museum definitiv besuchen. Absoluter Höhepunkt war ein etwa zwanzigminütiges Video, in dem ein Zusammenschnitt fast aller großen Fankurven der brasilianischen Erstligisten zu sehen war. Zu sehen waren hüpfende und extrem laut singende Fans und Pyrotechnik, also alles, was das Fanherz begehrt. Ich war dermaßen begeistert, dass ich mir das Video zweimal ansah. Den dritten Durchgang sah ich bis zur Hälfte, ehe mich der Hunger ins Museumsrestaurant trieb. Mit einer der modernsten und sichersten U-Bahnen der Welt (eine Einzelfahrt kostet 2,90 Real) fuhr ich zurück zum Hostel und abends wieder zum Hotel der beiden. Der Hamburger Kollege war noch etwas fertig vom Vorabend und blieb lieber auf dem Zimmer. Zu zweit wollten wir in ein bekanntes Kneipenviertel in der Nähe. Wir fuhren bis zur entsprechenden U-Bahn-Station und gingen auf die Suche. Nach einer Stunde Umherlaufen ohne auch nur den Ansatz einer Bar gesehen zu haben, drehten wir um und suchten uns eine Bar in Hotelnähe, wo der Abend gemütlich ausklang.


Sonntag, 16.10.2011

Nachdem ich am Tag zuvor das Frühstück verschlief, wollte ich an diesem Tag nicht erneut darauf verzichten. Also den Wecker auf halb zehn gestellt und rechtzeitig runter. Da ich kein Essen sah, fragte ich nach dem Frühstück. Ich sei zu spät. Frühstück gibt es nur bis um zehn und es ist bereits halb elf. Ich zeigte meine Uhr und sagte, nein, es ist halb zehn. Der Sohn des Hostelinhabers klärte mich auf, dass in der Nacht die Uhren auf Sommerzeit umgestellt wurden. Kurios war, dass in dieser Nacht nicht in ganz Brasilien auf die Sommerzeit umgestellt wurde, sondern nur in Sao Paulo und Rio de Janeiro. Der Großteil des Landes, aber auch nicht alle Regionen, stellten die Uhren in der folgenden Nacht um. Kann mir vielleicht jemand den Sinn erklären? Netterweise bekam ich aufgrund meines Irrtums doch noch was zu essen.
In Brasilien meinte es der Spielplan leider nicht so gut mit mir wie in Argentinien. Generell werden die Spieltage nicht auseinandergezogen wie in Argentinien. An diesem Wochenende gab es zwei Termine: Sonntag 15 Uhr und 17 Uhr, fertig. Bevor die Spielpläne veröffentlicht wurden, hatte ich mir zumindest zwei Spiele in Sao Paulo erhofft. Das sah bis drei Wochen vorher auch gut aus. Ein Heimspiel von Palmeiras war in der ersten Liga angesetzt und ein Heimspiel von Portuguesa in der zweiten Liga. Das Portuguesa-Spiel wurde dann verlegt und es blieb mir nur ein Spiel übrig, da die beiden anderen Erstligisten aus Sao Paulo ein Auswärtsspiel hatten. Die Woche vor meiner Ankunft war eine englische Woche angesetzt, wo man an einem Tag einen Doppler mit den Heimspielen von Corinthians im Estadio do Pacaembu und dem FC Sao Paulo im Morumbi hätte machen können. That’s life!


Serie A Brasilien am 16.10.2011
Palmeiras Sao Paulo-Fluminense Rio de Janeiro 1:2
Estadio Dr. Oswaldo Teixeira Duarte, Sao Paulo, Z: 3.649 (400)


Vom Hostelleiter, einem großen Corinthians-Fan, wurde mir die beste Anreisemöglichkeit rausgesucht. Mit der U-Bahn bis zur Station Armenia und von dort ist ein etwa zwanzigminütiger Fußmarsch bis zum Stadion von Portuguesa zu absolvieren.
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Das eigentliche Stadion von Palmeiras, das etwa 100 Jahre alte Estadio Palestre Italia wurde 2010 abgerissen und an gleicher Stelle entsteht ein Neubau für 45.000 Zuschauer. Während der Bauzeit spielt Palmeiras ab und zu im Stadion von den Corinthians, meistens aber im Stadion do Canindé von Portuguesa. Das Stadion verfügt über 21.000 Plätze, von denen der Großteil unüberdachte Stehplätze sind. Da das Wetter sich zwar etwas gebessert hatte, aber immer noch ein Nieselregen fiel, wollte ich auf die überdachten Sitzplätze auf der Haupttribüne. Irgendwie war die Situation mit den Kartenhäuschen etwas unübersichtlich, vor allem, wenn man kein Portugiesisch kann. Und so fiel ich einem Einheimischen in die Hände, der mein Problem erkannte und mir seine Hilfe anbot. Mit Händen deutete ich an, dass ich gern ein Dach über meinem Sitzplatz hätte und er verkaufte mir seine Karte für 100 Real (Normalpreis waren 75 Real). Natürlich war ich mir nicht ganz sicher, ob die Karte überhaupt echt war und forderte ihn auf, mich zum Eingang zu begleiten, was er auch machte. Ich bedankte mich und ging ins noch fast komplett leere Stadion. Gut, um Stadionfotos zu machen, aber schlecht für die Stimmung. Bereits im Vorfeld hatte ich die Zuschauerzahlen der letzten Heimspiele von Palmeiras gesehen, die nie im fünfstelligen, aber zumindest im hohen vierstelligen Bereich lagen. Doch an diesem Tag folgte in der Hinsicht ein kleines Trauerspiel. Gerade einmal 3.649 Zuschauer interessierten sich für das Erstligaspiel. Es war kurz vor Saisonende, beide Teams in der Tabelle jenseits von Gut und Böse und es war saumäßiges Wetter. Da bleiben die Leute schon mal zu Hause. Aus dem 450 km entfernten Rio waren 400 Fans angereist, die bereits 45 Minuten vor Spielbeginn vereinzelt anfingen zu singen.
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Vor dem Spiel wollte ich noch etwas essen, aber Essensstände gab es nicht. Stattdessen gab es mobile Verkäufer, die ihre Runden durch das Stadion drehten. Für 5 Real sicherte ich mir einen Hot Dog inkl. Kartoffelchips. Wenn das nichts ist. Feste Toiletten gab es im Stadion auch nicht, Dixi-Klos waren das Zauberwort.
Zum Spielbeginn bildeten sich bei Palmeiras zwei Fanblöcke, einer hinter dem Tor und einer auf der Gegengerade. Warum man sich bei solch einer geringen Zuschauerzahl auch noch trennen muss?
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In den ersten zehn Minuten war das vom brasilianischen Weltmeistercoach Luiz Felipe Scolari trainierte Palmeiras drückend überlegen, konnte das aber nicht nutzen. Wie fast immer während meiner Zeit in Südamerika nutzte das der Gast aus und markierte mit dem ersten gescheiten Konter die Führung. Die Gästefans waren nun etwas lauter, aber nicht wirklich überragend. Überhaupt war die Stimmung deutlich anders als in Argentinien. Die argentinischen Fans singen fast ausschließlich lange melodische Lieder. Solche Lieder wurden hier auch gesungen. Aber es waren sehr viel öfter simple Anfeuerungsrufe und Klatscheinlagen zu hören. Vom Rückstand erholte sich Palmeiras nicht wirklich. Fluminense verwaltete das Spiel und ging verdient mit der Führung in die Pause, wo das erste Mal heftigere Protestrufe und eindeutige Gesten in Richtung der Vereinsbosse auf der Tribüne zu sehen waren. Die Palmeiras-Fanseele scheint aufgrund der derzeitigen trostlosen Situation etwas aufgebracht. Irgendwoher kenne ich ein solches Gefühl… In der zweiten Halbzeit wurde es etwas besser, Palmeiras bemühte sich, was auch die Fans sahen und etwas mehr sangen. Es entwickelte sich sogar ein ganz ansehnliches Spiel zwischen den Strafräumen. In den Strafräumen folgte wie immer ein klägliches Vergeben von Großchancen auf beiden Seiten. Als sich beide Seiten schon fast mit dem Ergebnis angefreundet hatten, ertönte zehn Minuten vor Schluss plötzlich ein Elfmeterpfiff für Palmeiras, der zum Ausgleich genutzt werden konnte. Nun konnte man endlich mal von richtiger Stimmung sprechen. Für immerhin sieben Minuten. Denn drei Minuten vor dem Ende spielte Flu noch mal einen Konter, drei Stationen und drin war der Ball. Die Gästefans feierten und die größte Lautstärke erreichten sie nach dem Schlusspfiff.

Auf der Heimseite kochte die Gemütsseele richtig hoch. Das Spiel und die Spieler interessierten gar keinen mehr. Wie bereits zur Halbzeit wurden die Vereinsbosse mit Schmährufen, Beleidigungen und Protesten bedacht. Bis zu 500 Fans, auch die bis dato ruhigen Zuschauer auf der Haupttribüne, beteiligten sich daran. Als sich die Lage etwas beruhigt hatte, machte ich mich auf den Rückweg, es war wieder ziemlich unangenehm frisch geworden. Bei meiner Rückkehr ins Hostel lief auf dem Fernseher die Liveübertragung des Erstligaspiels zwischen Atletico Go und dem FC Sao Paulo. Im Hintergrund sah ich die überwiegend voll besetzten Ränge und einen mit rund 3.000 Fans gefüllten Gästeblock. Aufgrund des 3:0-Sieges von Atletico Go war die Stimmung auch mehr als gut. Mein Fazit nach diesem Tag: Mit dem wirklichen Fußball in Brasilien bin ich leider noch nicht in Berührung gekommen. Da werde ich wohl nochmal eine Reise unternehmen müssen.

Zum Abend traf ich mich wieder mit meiner Kollegin. Wir wollten unser Ziel vom Vorabend noch einmal in Angriff nehmen. Dieses Mal waren wir auch besser vorbereitet. Ein Blick in den Lonely Planet und mehrere Blicke auf den Stadtplan führten uns auch zum gewünschten Ziel. Wir fragten uns dennoch, warum wir die Gegend am Abend zuvor nicht gefunden hatten. Es waren ja lediglich 40 Minuten Fußmarsch von der U-Bahn-Station gewesen, wobei wir uns selbst mit Stadtplan noch einmal kurz verlaufen haben. Nach einem gemütlichen Essen und zwei Cocktails wollten wir nicht wieder 40 Minuten zurücklaufen. Wir fuhren mit dem Taxi bis zu ihrem Hotel und von dort fuhr ich mit der U-Bahn ins Hostel, wo trotz des miesen Wetters und trotz des nicht überragenden Fußballspiels ein schönes Wochenende zu Ende ging.
 
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Montag, 17.10.2011

Mein letzter Tag in Südamerika. Was macht man da? Ganz einfach. Die letzten der insgesamt 52 Ansichtskarten in die Heimat schicken (Kurios: die Karten, die ich in Brasilien abgeschickt habe, waren so ziemlich als erstes in Deutschland. In Argentinien gibt es zwei Möglichkeiten, Karten zu verschicken, mit der argentinischen Post oder mit DHL, wobei es preislich das gleiche ist. Die Karten, die ich mit der argentinischen Post verschickt habe, waren innerhalb von vier Wochen zugestellt. Bei DHL vermutet man, dass es grundsätzlich schneller gehen sollte. Die DHL-Karten waren dann, nachdem sie den "direkten" Weg über Mexiko genommen hatten, nach ca. 10 Wochen angekommen!). Und es war der erste Tag in Sao Paulo, wo es nicht regnete, so dass ich doch noch eine Sightseeing-Runde drehen konnte. Die Kathedrale Sé,
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das Theatro Municipal
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und noch zwei, drei andere Gebäude wurden abgelichtet.
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Da ich eh gerade in der Nähe war, versuchte ich nochmal mein Glück auf dem Aussichtsturm. Leider wollten sie mich wieder nicht auf die Aussichtsplattform lassen und verwiesen mich auf drei Stunden später, wo man auch ohne etwas zu essen auf die Plattform kann. Ich erwiderte, dass ich da bereits zum Flughafen muss, woraufhin mir die Dame einen Kompromissausblick aus dem Restaurant anbot. Es geht doch. Von oben ist Sao Paulo ein einziges riesiges Häusermeer. Egal in welche Himmelsrichtung ich sah, bis zum Horizont waren nur Häuser zu sehen. Kein Wunder, leben in der Stadt selber ca. 11 Millionen und in der Metropolregion ca. 20 Millionen Menschen.
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Zum Flughafen brachte mich der Hostelleiter persönlich. Statt 110 Real offiziellen Taxipreis fuhr er mich für 70 Real. Wir mussten nur rechtzeitig aufbrechen. Um den Verkehr in Sao Paulo zu entlasten, dürfen die Autos in Abhängigkeit der letzten Ziffer auf dem Nummernschild zu bestimmten Zeiten in der Stadt nicht fahren. Bei ihm war es dieser Nachmittag. Er meinte, kein Problem. In der Nähe des Flughafens wohnt seine Frau und dann bleibt er mal drei Stunden bei ihr, wo er doch sonst immer nur im Hostel ist. Auf der einstündigen Fahrt unterhielten wir uns intensiv über den Fußball in Brasilien und in Deutschland und als Dank für seine Mühen schenkte ich ihm zum Abschluss einen meiner FCM-Wimpel. Er freute sich sehr darüber und versprach mir, den im Hostel aufzuhängen.
Dann schnell an den First Class-Schalter der Swiss, Koffer abgegeben und mein direkter Weg führte mich in die Lounge, den American Airlines Admirals Club. Der war bei weitem nicht so luxuriös ausgestattet wie die First Class Lounge in Frankfurt, aber drei Stunden lässt es sich schon aushalten.
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Am kleinen Buffet ein paar Häppchen eingeworfen,
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dazu ein paar Drinks, nochmal kurz ins Internet und dann ab unter die Dusche. Dusche? Ja klar.
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Ich war ja schon den ganzen Tag auf den Beinen und wenn die Dusche schon kostenlos im Angebot ist, kann man sich vor dem Elfeinhalb-Stunden-Flug ja nochmal frisch machen. Pünktlich wurden wir sieben First Class-Passagiere abgeholt und gestärkt mit einem Glas Welcome-Champagner nahm ich Abschied von Südamerika. Im Gegensatz zum Hinflug hatte ich in der Lounge vorher nur ein wenig gegessen, so dass ich alle kulinarischen Höhepunkte an Bord der A340 genießen konnte.
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Es begann mit einem gemischten Vorspeisenteller mit Lachsfilet und verschiedenen Antipasti.
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Nach einer Blumenkohlsuppe folgte der Hauptgang, ein Filet Mignon in Rotweinsauce mit Kartoffelpüree und Spinat.
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Als Dessert genoss ich ein Vanilleeis und einen Hot-Brownie mit gemischten Beeren. Den Abschluss bildeten eine Käseplatte und eine Auswahl an Schweizer Pralinen. Noch ein Glas Grappa zur Verdauung und schon wurde mein Sitz in ein flaches Bett umgebaut, in dem ich im zur Verfügung gestellten und äußerst bequemen Pyjama ausgezeichnet schlafen konnte. Und auch Victor fühlte sich bei seinem ersten First Class-Flug sehr wohl.
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Zum Frühstück konnte ich das erste Mal nach fünf Wochen wieder ein traumhaft schmeckendes europäisches Brot essen. Nebenbei schaute ich „Senna“, einen Dokumentarfilm über den leider viel zu früh verstorbenen brasilianischen Formel 1-Fahrer Ayrton Senna. Der Film ist nicht nur eine bloße Abhandlung von Fakten, wie man es oftmals bei Dokumentarfilmen erlebt, sondern er ging viel weiter in die Tiefe und beleuchtete den Menschen Ayrton Senna. Er war ein richtiger Held in Brasilien und die Menschen liebten ihn über alles. Und das hatte einen Grund. Im Gegensatz zu vielen anderen Brasilianern, die berühmt und erfolgreich geworden waren, wendete er sich nicht von Brasilien ab und trug offen und stolz zur Schau, dass er Brasilianer ist. Darüber hinaus engagierte er sich sehr stark für soziale Projekte in seiner Heimat. Nach seinem tödlichen Unfall wurde eine dreitägige Staatstrauer in Brasilien angeordnet, während der kein einziges Geschäft geöffnet und während der keine einzige nennenswerte Straftat begangen wurde. Bei der Trauerfeier säumten mehr als drei Millionen Menschen die Straßen in Sao Paulo und heutzutage wird das Grab jährlich von mehr Leuten besucht als die Gräber von Elvis Presley und Lady Di zusammen.
Nach der Landung in Zürich folgte ein letzter kleiner Hüpfer nach Hannover, wo ein atemberaubender Urlaub sein Ende fand.


Was bleibt als Fazit des Urlaubs? Ich hatte mich vorher sehr auf den Urlaub gefreut. Aufgrund von Erzählungen, Fotos, Berichten und Reportagen hatte ich bereits einige Eindrücke gewonnen und dementsprechend auch eine ziemlich große Erwartungshaltung aufgebaut. Und meine Erwartungen wurden weit übertroffen. Das betraf zum einen die Fußballspiele oder besser gesagt die Stimmung in den südamerikanischen Stadien und zum anderen Land und Leute. Es war mein erster Urlaub, der über einen solch langen Zeitraum ging und es war mein erster Urlaub, den ich fast komplett allein unternommen habe und wo ich in Hostels übernachtet habe. Aber genau das machte diesen Urlaub zu etwas ganz Besonderem. Ich habe nette Leute aus aller Welt kennengelernt und gepaart mit der Gastfreundschaft der Südamerikaner waren es fantastische Erlebnisse. Ich kann jedem Fußballfan, der eine Südamerika-Tour plant, nur empfehlen, über den Fußball hinaus das Land zu erkunden. Es gibt so viele tolle Landschaften und Orte, die man sehen kann. Genauso kann ich jedem, der „nur“ für den Urlaub nach Südamerika reist, empfehlen, sich zumindest ein oder zwei Fußballspiele anzusehen. Ich war definitiv nicht das letzte Mal in Südamerika. Es gibt noch einige Flecken da unten, die ich mir gern ansehen möchte. Und außerdem „muss“ ich ja noch einen Marathon in Buenos Aires laufen. Und meine Weltkarte zu Hause sieht jetzt so aus:
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