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Und die Frage ist doch, welche Kunden man bauchpinseln und bestens umsorgen soll... Man kann ja nicht alle gleich behandeln - denn dann kann man sich das Statusgedoens ganz schenken.
Genau das ist natürlich die Frage, denn Exklusivität (bzw. besondere Wertschätzung) lebt natürlich davon, dass nicht alle sie genießen dürfen, sondern nur ein ausgewählter Kreis.
Bleiben wir bei unserem einfachen Beispiel. Ein Kunde fliegt jeden Monat zwei mal in Business nach Amerika, kann das aber gut im voraus planen und bucht deshalb einen "günstigen" Tarif in Z oder sogar P für durchschnittlich 3000 Euro pro Roundtrip, Steuern usw. inklusive. Macht also gut 70.000 Umsatz pro Jahr, auf den die Airline verzichten muss, wenn sie diesen Kunden nicht halten kann. Ein anderer Kunde bucht nur J, fliegt aber nur 5 Mal pro Jahr, bringt also auch bei einem durchschnittlichen Ticketpreis von 6.000 Euro bestenfalls 30.000 Euro Umsatz.
Nun sagen die einen: der mit den 30.000 bringt den Gewinn und muss verhätschelt werden, der mit den 70.000 leistet nur einen Unkostenbeitrag, um den braucht man sich nicht weiter zu kümmern. Das ist aber eine falsche Sichtweise, denn das Geld von beiden wird am Ende zusammengeworfen, um die Betriebskosten der Airline insgesamt zu decken und zu übertreffen, also unterm Strich einen Profit zu erzielen. Und dazu trägt der eine Kunde nunmal 70.000, der andere nur 30.000 Euro jährlich bei. Die Kosten bleiben bei Airlines ja unabhängig von der konkreten Auslastung erstaunlich konstant, der Flieger schrumpft nicht on-demand, und ein großer Teil der Treibstoffkosten geht dafür drauf, dass der Flieger sich selbst und den Treibstoff trägt. Auch Piloten und Personal sind so und so an Bord oder am Boden aktiv. Der leere F-Sitz fliegt einfach nicht 10.000 Euro billiger durch die Gegend als der mit einem Kunden besetzte.
Verliert die Airline also den 70.000 Euro-Kunden, dann fehlen ihr am Jahresende (vereinfacht ausgedrückt) 40.000 Euro mehr als wenn sie den 30.000 Euro Kunden verliert (der dank J mit Op-Upgrades in die F, verwendbaren Vouchern etc. verhätschelt wird, während sich der 70.000 Euro Kunden fragt, ob er anderswo nicht vielleicht besser aufgehoben wäre).
Es ist also durchaus interessant, auch jene Kunden zu binden, die viel fliegen, ohne bei jedem Flug jeweils den maximalen Yield zu bringen. Denn am Ende fließt das Geld alles in einen großen Topf, und "Masse statt Klasse" kann dem Anbieter unterm Strich mehr Geld einbringen als eine Verengung des Blickwinkels auf die wenigen Hochmargenzahler, die wie gesagt ohnehin meist zu den anspruchsvollsten Kunden und damit auch nicht zu den loyalsten zählen. Fakt ist, dass man mit 70.000 Euro Umsatz pro Jahr 40.000 Euro mehr Gewinn macht als mit 30.000 Euro Umsatz, solange die Kosten in beiden Fällen vergleichbar sind. Klar, derjenige, der nur 5 Mal fliegt verursacht auch etwas weniger Kosten als derjenige mit den 24 Flügen jährlich, diese Mehrkosten kommen jedoch nicht einmal ansatzweise an die 40.000 Euro Mehrumsatz heran, die liegen vielmehr im Bereich von wenigen 1000 Euro pro Jahr, wenn überhaupt. So gesehen ist es bei diesem Beispiel also der Z-Klasse-Kunde, den man besonders umwerben sollte, nicht der J-Kunde.
In der Praxis sind die Kunden ohnehin weniger homogen, heute ist es Z, morgen C und übermorgen billigst Germanwings. Umso unverständlicher, dass eine Airline wie die LH die Loyalität dieser alles anderen als homogenen Vielflieger mutwillig aufs Spiel setzt.
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