20.07.11: Swiss-Jumbolino in heikler Lage

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MANAL

Erfahrenes Mitglied
29.05.2010
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Dahoam
Solange es keine Opfer gibt passiert gar nichts weil die Presse nichts mitbekommt bzw. den Vorfall versteht.
 

rorschi

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
9.845
2.816
ZRH / MUC / VIE
Was hat denn die Crew nun derart falsch gemacht, dass sie so stark kritisiert wird?

*Problem gehabt
*Problem erkannt
*Problem gemeldet
*Hilfe erhalten
*Sicher gelandet
 

flysurfer

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06.03.2009
26.000
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www.vielfliegertreff.de
Doch. Sie haben PAN PAN PAN gemeldet.

Das hat doch nichts mit dem Erkennen des Problems zu tun. Die Meldung zeigt ja vielmehr, dass sie keinen Durchblick mehr hatten und Hilfe brauchten. Unnötigerweise. Das Versagen ist hier mindestens auf dem Level von AF, gar keine Frage, der Bericht ist ja sehr deutlich.

Wäre das Ganze in einem Sturm ohne Controller-Unterstützung passiert, wären sie vermutlich abgestürzt, da sie nicht mehr in der Lage waren, die Instrumentenanzeigen korrekt zu beurteilen.
 

rorschi

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
9.845
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ZRH / MUC / VIE
Das hat doch nichts mit dem Erkennen des Problems zu tun. Die Meldung zeigt ja vielmehr, dass sie keinen Durchblick mehr hatten und Hilfe brauchten. Unnötigerweise. Das Versagen ist hier mindestens auf dem Level von AF, gar keine Frage, der Bericht ist ja sehr deutlich.

Das finde ich jetzt sehr polemisch.

Wäre das Ganze in einem Sturm ohne Controller-Unterstützung passiert, wären sie vermutlich abgestürzt, da sie nicht mehr in der Lage waren, die Instrumentenanzeigen korrekt zu beurteilen.

Dann wären sie wahrscheinlich zu einem Ausweichflughafen mit VFR-Bedingungen geflogen.
 

flysurfer

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06.03.2009
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www.vielfliegertreff.de
Dann wären sie wahrscheinlich zu einem Ausweichflughafen mit VFR-Bedingungen geflogen.

Wie sie das ohne Controller und Kompassanzeige (die sie nicht zu haben glaubten) machen sollten (im Sturm), ist interessant. Vor allem mitten über dem Atlantik, wie bei AF.

Das finde ich jetzt sehr polemisch.

Eher sachgerecht. Offenbar hast du den BfU-Bericht nicht gelesen oder nicht verstanden.
 
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flysurfer

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06.03.2009
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www.vielfliegertreff.de
Ich habe mir gestern Abend diesen hier durchgelesen, und habe mir diese Fragen schon gestellt: http://www.bfu.admin.ch/common/pdf/2158_e.pdf

Und da ist die Zusammenfassung recht verheerend:

Dabei hat die Untersuchung die folgenden Faktoren ermittelt, welche zum schweren Vorfall
geführt haben:
 Die Besatzung hatte eine grundsätzlich unzutreffende Vorstellung des dem Systemausfall
zugrunde liegenden technischen Problems.
 Dem Copiloten gelang es nicht, nach dem Ausfall von autopilot, autothrottle und flight
director das Flugzeug manuell weiterzuführen.
 Der Kommandant konnte das Flugzeug nur eingeschränkt mit Hilfe der Notinstrumente
fliegen.
 Die Zusammenarbeit der Besatzung (crew resource management - CRM) war mangelhaft.
 Die Besatzung führte keine ausreichende Situationsanalyse durch.
 Ein im Simulator geübtes Fliegen nach standby instruments und nach raw data konnte
im Ernstfall nur teilweise umgesetzt werden.

Wird auch nicht besser, wenn man sich dann die Details anschaut. Ist leider für den Laien nicht ganz leicht verständlich, da viele Abkürzungen und Fachbegriffe. Da ich sie allerdings verstanden habe, bin ich durchaus beunruhigt. Kleine Ursache, große Wirkung. Lob an die Controller.
 

MANAL

Erfahrenes Mitglied
29.05.2010
14.091
8.198
Dahoam
ist mir egal - ich liebe dich trotzdem Jumbolino :kiss:

Ich bin froh wenn die Schrottmühlen endlich weg sind... aber die sind nicht alleine das Problem:

- Es fängt ja schon an dass es ein Flugzeug gibt bei dem es bei Regen mit offenen Türen innen so naß wird, dass einzelne Systeme danach regelmäßig nicht gehen => Fehler des Flugzeugherstellers und der Airline dass man da nicht andere Prozeduren bei Regen anwendet.
- Den Piloten ist diese Problematik aus dem Alltag bekannt, man lebt damit nach dem "Passt-scho"-Prinzip => Typischer Beginn einer Fehlerkette die zum Unfall führt, ein Problem der Airline und Pilotenausbildung.
- Das System steigt draufhin im Steigflug aus, man identifiziert das bekannte Problem und schaltet auf das Backupsystem => Piloten gewöhnen sich an die Problematik und nehmen die Bedrohung weniger stark war, für sie ist es eigentlich kein Problem obwohl Störung in den Fluganzeigen verheerend sein können.
- Man testet vor der Landung das gestörte System, sieht dass es wieder funktioniert und nutzt es bedenkenlos anstatt das ungestörte Backupsystem für die Landung zu verwenden => Fortsetzung des "passt-scho"-Prinzip
- Obwohl man von der Störung gewusst hat ist man über eine Wiederholung des Problems völlig überrascht und überfordert. => Situational Awareness geht komplett verloren.

Alles danach hat @flysurfer ja bereits aus dem Untersuchungsbericht zitiert.

Wäre der Zwischenfall nicht gerade in Zürich passiert sondern an einem Platz wo die Fluglotsen ebenfalls überfordert gewesen wären, wäre das vielleicht auch anders ausgegangen!
Swiss hat enorm Glück gehabt und dieser Zwischenfall gehört eindeutig zu einem ziemlich schwerwiegenden.
 
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Peter

Erfahrenes Mitglied
06.11.2010
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FRA
Die massive Gefahr für Leib-und-Leben der Passagiere und der Besatzung steht in einem einzigen Absatz der 47 Seiten sehr sehr komprimiert:

Zitat BFU 2158 (Seite 11/12)

...At 09:53:35 UTC, retraction of the flaps began from the 18 degree position to
zero degrees. Between 09:53:40 UTC and 09:54:08 UTC the aircraft descended
at an average rate of descent of almost 2500 ft/min, and then climbed again until
09:54:32 UTC at an average rate of climb of approximately 2600 ft/min. At the
same time the engine power levers were set to a power lever angle (PLA) between
45 and 70 degrees and the airspeed varied within a range of 160 to 240
knots (cf. Annex 2)....

Wenn man sich dazu die grafische Auswertung auf den letzten Seiten ansieht und versteht, dann kann die Schlußfolgerung daraus nur sein, dass die Crew die

"Kontrolle des Flugzeugs" und
"Situational Awareness"

für mindestens 33 Sekunden VOLLSTÄNDIG VERLOREN hat.


Und das verdammt nah am Boden...

Denn der BFU Bericht ist in Sachen "Terrain Clearance" sehr, sagen wir, sehr sehr zurückhaltend - die Brisanz erschliesst sich nicht durch reines Bericht lesen...

Würden die Radar Track Footprints auf eine Approach Chart projeziert dargestellt, besonders in der Zeit zwischen 09:53:35 und 09:54:32,
dann wäre auf den ersten Blick klar, wie knapp die Nummer war.

Im Bereich nord-östlich der Anfluggrundlinie 14, zwischen TRA VOR und ZRH APT liegen 3 Hügel mit Hindernissen von 2400' / 2303' und 2228'.
In genau diesem Bereich erreichte das Flugzeug kurzfristig eine Höhe von ~ 3100'...mit einer Rate-of-descent von 1722' / min.
 
Zuletzt bearbeitet:

rorschi

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
9.845
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ZRH / MUC / VIE
the aircraft descended
at an average rate of descent of almost 2500 ft/min, and then climbed again until
09:54:32 UTC at an average rate of climb of approximately 2600 ft/min.

Die naive Frage, wieviel eine normale Steig-/Sinkrate ist. Auch erschliesst sich mir nicht wirklich, ob der Flieger so gesteuert wurde, oder ob das im unkontrollierten Zustand geschah (Frage nicht rethorisch, sondern als solche gestellt).
 

kingair9

Megaposter
18.03.2009
22.381
764
Unter TABUM und in BNJ
Die naive Frage, wieviel eine normale Steig-/Sinkrate ist. Auch erschliesst sich mir nicht wirklich, ob der Flieger so gesteuert wurde, oder ob das im unkontrollierten Zustand geschah (Frage nicht rethorisch, sondern als solche gestellt).

Was ist schon normal? Das hängt stark vom Flugzeug, Gewicht, Temperatur etc ab Direkt nach dem Takeoff bist Du gut und gerne bei 4-5000 fpm, im normalen Steigflug bei ca. 2-3000 fpm.
 

Triple3

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19.03.2009
2.483
1
FRA
Spannend wäre mal die Frage, was BAe getan hat, um eine Zulassung für eine Kiste zu bekommen, deren Avionik schrottet, wenn der Flieger im Regen steht. :doh:

Bzgl. Diskussion mit "völliger Kontrollverlust" usw.: Na ja, wäre dem so, hätte die BFU das wohl erwähnt. Außerdem hätte man bei "völligem Kontrollverlust" wohl nicht die Lever zurückgezogen im Descent, um diese dann wieder zu öffnen, wenn man in den Climb übergeht. Das dürfte also eher bewußt geschehen sein, was gegen "völliger Kontrollverlust" spricht. In dem Bericht steht doch auch was davon, daß die Kollegen vorher bewußt left / right HDG changes angefragt haben. Ggf. also wollte man nur kontrollieren, ob der Vertrauensverlust in die Instrumente gerechfertigt ist (aka gib mir einen zwanzig deg left turn und dann mal gucken, ob meine Instrumente den mitgehen). Ob man das aber nun unbedingt mit 1000 AGL machen muß, steht auf einem anderen Blatt.
 
Zuletzt bearbeitet:

Peter

Erfahrenes Mitglied
06.11.2010
298
0
FRA
Bzgl. Diskussion mit "völliger Kontrollverlust" usw.:

Die NTSB definiert Loss-of-control in flight (LOC-I) folgendermaßen:

" (...)Loss of aircraft control while, or deviation from intended flightpath, inflight. Loss of control inflight is an extreme manifestation of a deviation from intended flightpath. The phrase “loss of control” may cover only some of the cases during which an unintended deviation occurred.

- Used only for airborne phases of flight where aircraft control was lost.
- Occurrences involving configuring the aircraft (e.g., flaps, slats, on-board systems, etc.) are included as well as rotorcraft retreating blade stall. (...)"

Ich gehe nicht davon aus, dass die Crew das vertikale Profil so abfliegen wollte. Folglich kann man m.A. von einem "Loss-of-Control" sprechen. Was zugegebenermaßen "harmloser" tönt als "vollständiger Kontrollverlust" - wenngleich es das gleiche meint.

Na ja, wäre dem so, hätte die BFU das wohl erwähnt.

Die Neutraltität und Unvoreingenommenheit jeglichen BFU Berichts ist das höchste Gut. Trotzdem sind die Untersucher auch nur Menschen mit einer "Geschichte", mit einem Netzwerk, mit einer Verantwortung und einer "Meinung".

Außerdem hätte man bei "völligem Kontrollverlust" wohl nicht die Lever zurückgezogen im Descent

Ich verweise hier nochmal auf den zeitlichen Ablauf laut Bericht:

09:50:00 Maschine sinkt, Triebwerke im Leerlauf
09:51:52 Flaps einfahren (18 auf 0 Grad), Treibwerke immernoch im Leerlauf
09:51:52 bis 09:52:20 Sinkrate erhöht sich Rapide auf ~ 1430 ft/min, Triebwerke = Leerlauf
09:51:20 Powersetting sehr schnell auf 70° (was vermutlich TOGA entspricht)

Ich finde, das spricht eine deutliche Sprache.

Das dürfte also eher bewußt geschehen sein, was gegen "völliger Kontrollverlust" spricht.

Ich frage mich wie man bewusst, in einer unklaren Fluglage die Konfig des Fliegers ändern kann. Außerdem frage ich mich, wie man "bewusst" nach dem Flaps einfahren in den Sinkflug übergehen kann, in 3000' MSL (~1000' GND). Das Szenario "open descent" mit "Idle Thrust" in Bodennähe ist ein klarer SIM Fail Reason.

Nachdem ich den BFU Bericht nun mehrmals aufmerksam gelesen habe, muss ich leider immer mehr feststellen, dass der Bericht in Sachen "impartial and unbiased" den Ansprüchen der BFU nicht gerecht werden kann.

Ich will den BFU Untersuchern nichts unterstellen - aber ich komme auf die Eingangsfrage zurück: Wie wäre mit RYR im gleichen Fall umgegangen worden?

Hätte die Kommission dann auch so "undeutlich" geschrieben? z.B. in Power Lever Angle (30° = idle Position) anstelle Thrust?

Fragen über Fragen....
 

Triple3

Erfahrenes Mitglied
19.03.2009
2.483
1
FRA
Ich gehe nicht davon aus, dass die Crew das vertikale Profil so abfliegen wollte.

...weil? Bzw. wo steht, daß es "unintended" war?

Ich will den BFU Untersuchern nichts unterstellen - aber ich komme auf die Eingangsfrage zurück: Wie wäre mit RYR im gleichen Fall umgegangen worden?

Hast Du doch selbst beantwortet:

Die Neutraltität und Unvoreingenommenheit jeglichen BFU Berichts ist das höchste Gut.

Ich verweise hier nochmal auf den zeitlichen Ablauf laut Bericht:

09:50:00 Maschine sinkt, Triebwerke im Leerlauf
09:51:52 Flaps einfahren (18 auf 0 Grad), Treibwerke immernoch im Leerlauf
09:51:52 bis 09:52:20 Sinkrate erhöht sich Rapide auf ~ 1430 ft/min, Triebwerke = Leerlauf
09:52:20 Powersetting sehr schnell auf 70° (was vermutlich TOGA entspricht)

Ich finde, das spricht eine deutliche Sprache.

Na ja, TOGA im Descent würde ich als Kontrollverlust sehen, weil das wäre - zumindest außerhalb von abnormen Situationen à la upset recovery oder Hochgeschwindigkeitserprobung :rolleyes: - eher strange. Ohne jetzt in den Bericht geguckt zu haben, nehme ich mal an, daß bei T > 09:52:20 der Climb begann, korrekt? Ergo ist doch Öffnen sinnvoll gewesen.

Das Szenario "open descent" mit "Idle Thrust" in Bodennähe ist ein klarer SIM Fail Reason.

Tatsache? Bei welchem Check / Operator? Wie flared dieser Operator denn dann? Flare bei Thr > idl? :D :p

Gehe ich mal zu deinen Gunsten davon aus, daß es Dir um sowas wie Höhen zwischen MDA und Flare geht: Also in unseren SOPs spricht unter VFR / IFR so gar nichts gegen open des (einzige Ausnahme: NPA, dann gilt unter MDA verbindlich Speed Mode). Yup, es gibt eine Empfehlung, V/S zu nutzen, aber das war es auch schon. Mittlerweile haben sich die Airbus FCOMs auch wieder entspannt (eine AI 320 wurde ja mal geschreddert, weil irgendein Held open des anstelle V/S genutzt hat). Solange ich nicht eine Höhe von 0 ins MCDU gehackt habe, ist es doch auch wurscht - vorausgesetzt, ich vergesse eben nicht, daß in open des A/THR eher nutzlos ist.

Hätte die Kommission dann auch so "undeutlich" geschrieben? z.B. in Power Lever Angle (30° = idle Position) anstelle Thrust?

OK; bis zu dem Satz hätte ich Dich ernst genommen. :p

PLA ist sicher ein deutlich präziseres Maß als "Thrust". Was soll letzteres denn sein? N1? EPR? N2? ...
 
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