24.03.2015: Germanwings Maschine (A320) auf dem Weg von BCN nach DUS abgestürzt

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LH88

Erfahrenes Mitglied
08.09.2014
15.394
8.904
Für den Einzelnen weiß man es nicht. Im statistischen Mittel hingegen schon.

Das würde ja bedeuten das jeder der das statistische Mittel erreicht hat auch keinen Anspruch mehr auf ein entsprechendes Schmerzensgeld hätte. Verzwickt das ganze. Ich denke nach wie vor das man auch den Ansatz wählen kann das Leben als nicht besonders wertvoll einzuschätzen (in Sachen Schmerzensgeld), begrüßenswert wäre es jedoch das ganze global einheitlich zu regeln - den es kann nicht angehen das der Wert eines Lebens vom Standort des Gerichtes abhängt.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
49
55
Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Das würde ja bedeuten das jeder der das statistische Mittel erreicht hat auch keinen Anspruch mehr auf ein entsprechendes Schmerzensgeld hätte.


Frauen werden aktuell annähernd 85 im Schnitt. So viele Unfall- oder Gewalttote im Alter von 85+ wird es nicht geben... ;)

Aber ja, Menschen, die ihr statistisches Verfallsdatum bereits überschritten haben, wird man wohl zubilligen müssen, dass sie womöglich noch deutlich älter werden. Stimmt schon: Schwierig das Ganze.
 

berlinet

Erfahrenes Mitglied
21.07.2015
5.392
3.096
Ich denke nach wie vor das man auch den Ansatz wählen kann das Leben als nicht besonders wertvoll einzuschätzen (in Sachen Schmerzensgeld), begrüßenswert wäre es jedoch das ganze global einheitlich zu regeln - den es kann nicht angehen das der Wert eines Lebens vom Standort des Gerichtes abhängt.

Es gibt nur leider die nüchterne Erkenntnis, dass in vielen Gegenden der Welt ein Leben geradezu nichts wert ist. :sick:
 
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LH88

Erfahrenes Mitglied
08.09.2014
15.394
8.904
Es gibt nur leider die nüchterne Erkenntnis, dass in vielen Gegenden der Welt ein Leben geradezu nichts wert ist. :sick:

Genau das ist mein Punkt - es ist doch anmassend einmal Millionensummen für ein Leben zu berechnen und auf der anderen Seite das Leben noch nicht mal mit Pennies zu berechnen.

Da wir nicht in der Lage sein werden den Wert des Lebens überall im Bereich von Millionen Euros zu bewerten sollten wir evtl nüchtern erkennen das auch unser Leben nur ein paar Cent wert ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
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Berlin
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Wie unfertig das heutige System ist, zeigt sich ja ziemlich deutlich daran, dass die Anwälte der Opfer-Angehörigen nun der LH über die US-Flugschule an den Karren wollen. Das erscheint mir so unendlich albern, dass ich im Ergebnis sogar hoffe, dass sie keinen Erfolg haben werden. Da ist mir das Bemühen, irgendwie einen Anknüpfungspunkt für einen US-Gerichtsstand zu finden, dann doch zu offensichtlich.
 

janetm

Erfahrenes Mitglied
11.02.2012
4.087
1.451
DUS, HAJ, PAD
Bist du dir da sicher?

Ich hatte familiär einen Fall, wo die Tochter zum behandelnden Arzt ist und genau darauf gedrängt hat (Vater war im Anfangsstadium dement) und der muss sich wohl geweigert haben....

Ja, selbstverständlich kann der Arzt die Führerscheinstelle informieren. Gibt es genug Artikel zu im Netz. Er muss es aber nicht machen, wenn Angehörige ihn darauf drängen, sondern die Betonung ist auf "kann".
Der Bruch der Schweigepflicht ist natürlich nichts was der Arzt gerne macht und er braucht gute Gründe dafür, da er sich im Zweifelsfall dafür rechtfertigen muss und nicht die Angehörigen.

Die Balance zwischen Leute fahren lassen, die evtl. nicht auf die Straße gehören und dem Bruch der Schweigepflicht ist ein Balanceakt um die man Ärzte nicht beneiden kann.
 

Saul Goodman

Erfahrenes Mitglied
30.01.2015
480
0
Wie unfertig das heutige System ist, zeigt sich ja ziemlich deutlich daran, dass die Anwälte der Opfer-Angehörigen nun der LH über die US-Flugschule an den Karren wollen. Das erscheint mir so unendlich albern, dass ich im Ergebnis sogar hoffe, dass sie keinen Erfolg haben werden. Da ist mir das Bemühen, irgendwie einen Anknüpfungspunkt für einen US-Gerichtsstand zu finden, dann doch zu offensichtlich.



Warten wir doch einfach mal ab, ob die Klage angenommen wird und wie die Klage ausgeht. Dann können wir das us-amerikanische Rechtssystem immer noch als "albern" oder nicht-albern bezeichnen.

Haben die hiesigen Insassen, die davon reden, dass in Deutschland Familien von tödlich Verunglückten bestens abgesichert sind, schon mal die konkreten Rentenansprüche gesehen?

Kleiner Exkurs: Was bekommt die Witwe eines 38jährigen Alleinverdieners mit zwei Kindern, der bei einem Verkehrsunfall aus dem Erwerbsleben gerissen wird?

Und kennen die hiesigen Insassen die Summen, die bis heute, ein Jahr nach dem Unglück, an die Hinterbliebenen gezahlt wurden?
 

Luftikus

Megaposter
08.01.2010
26.224
12.209
irdisch
Schreibe doch bitte gleich die Antworten dazu. Solche reinen Fragenkataloge klären sonst nicht viel.
Wir sind ja nicht bei Petrocelli.:D
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
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49
55
Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Warten wir doch einfach mal ab, ob die Klage angenommen wird und wie die Klage ausgeht. Dann können wir das us-amerikanische Rechtssystem immer noch als "albern" oder nicht-albern bezeichnen.

Nur, falls das falsch angekommen ist: Als "albern" habe ich die Versuche bezeichnet, über den Umweg Flugschule zu einem US-Gerichtsstand zu kommen. In diesem Kontext also gerade NICHT das dortige Rechtssystem.

Es würde mich ja sehr freuen, falls es gelänge, höhe Entschädigung für die Angehörigen der Opfer zu erstreiten. Aber diese sollte dann für meinen Geschmack Ergebnis der Feststellung sein, dass Germanwings hätte erkennen können und müssen, dass einer ihrer Piloten nicht flugtauglich war. Wenn der Vorwurf wirklich lauten sollte, dass der Typ schon bei seiner Ausbildung den den Staaten hätte rausgefiltert werden müssen, käme mir das arg konstruiert vor.
 

rotanes

Erfahrenes Mitglied
01.06.2010
7.016
6
HAM
Wenn der Vorwurf wirklich lauten sollte, dass der Typ schon bei seiner Ausbildung den den Staaten hätte rausgefiltert werden müssen,....

Zu diesem Ergebnis kommt allerdings nicht einmal der gestern veröffentliche und weiter oben verlinkte "offizielle" Untersuchungsbericht. Den müsste man natürlich für ein Verständnis der Vorgeschichte des Piloten mal lesen, bevor man ein Urteil über seinen Arbeitgeber fällt; aber auszugsweise steht da drin:

"Der Copilot hat weder Rat bei einem flugmedizinischen Sachverständigen gesucht,
noch informierte er seinen Arbeitgeber trotz seiner andauernden Depression und der
entsprechenden Medikation."
 

TachoKilo

Erfahrenes Mitglied
21.02.2013
2.142
51
Berlin (West) - TXL
Haben die hiesigen Insassen, die davon reden, dass in Deutschland Familien von tödlich Verunglückten bestens abgesichert sind, schon mal die konkreten Rentenansprüche gesehen?

Kleiner Exkurs: Was bekommt die Witwe eines 38jährigen Alleinverdieners mit zwei Kindern, der bei einem Verkehrsunfall aus dem Erwerbsleben gerissen wird?

Und kennen die hiesigen Insassen die Summen, die bis heute, ein Jahr nach dem Unglück, an die Hinterbliebenen gezahlt wurden?
Alle Fragen wurden bereits beantwortet, allerdings auf den konkreten Fall 4U9525 bezogen.
1) Die Rentenansprüche sind oft recht niedrig. Besonders, wenn es um die verunglückten Jugendlichen geht. Aber was tut das zur Sache? Es geht um Schmerzensgeld- und Schadenersatzforderungen gegenüber der LH. Der Schadenersatz umfasst selbstverständlich auch ausgefallene Rentenansprüche.
2) Sie bekommt die Witwenrente. Zusätzlich wird die Lebensversicherung ausbezahlt. Möglicherweise bekommt sie Geld aus der Betriebsrente für Hinterbliebene. Sie hat die Möglichkeit Schadenersatzforderungen gegenüber dem Unfallverursacher geltend zu machen. Also alles wie im konkreten 4U-Fall auch.
3) Nein, nur die geleisteten Sofortzahlungen sind bekannt. Außerdem ist bekannt, dass sich die LH nicht weigert, die konkreten Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche der Verbliebenen zu zahlen. Es ist lediglich zu vernehmen, dass einigen Hinterbliebenen diese Zahlungen zu niedrig sind, obwohl alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind (deshalb auch keine anhängigen Klagen vor deutschen Gerichten, soweit bekannt).

Alle drei Fragen sind nicht zielführend. Da ich gerade nach gegoogelt habe, hier was angezeigt wird, wenn man nach 4U9525 sucht.
 

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Luftikus

Megaposter
08.01.2010
26.224
12.209
irdisch
Diese Verheimlichung, vielleicht sogar absichtliche Verschleierung, kann man ihm durchaus anlasten. Auch, ein ganzes Flugzeug mitzunehmen, wenn nur er aus dem Leben scheiden will.
 

flying_mom

Erfahrenes Mitglied
03.11.2014
2.322
822
HOQ/NUE/CGN
Ich finde jetzt gerade die Stelle im Bericht nicht, aber ich glaube, gelesen zu haben, dass die FAA ihm das Flugtauglichkeitszeugnis verweigert hat. Das wird dann wohl der Ansatzpunkt sein.
 

rotanes

Erfahrenes Mitglied
01.06.2010
7.016
6
HAM
Ich finde jetzt gerade die Stelle im Bericht nicht, aber ich glaube, gelesen zu haben, dass die FAA ihm das Flugtauglichkeitszeugnis verweigert hat. Das wird dann wohl der Ansatzpunkt sein.
Nein, haben sie nicht verweigert.

Auf Seite 33 im Untersuchungsbericht steht, dass ihm am 28.07.2010 von der FAA des Tauglichkeitszeugnis erteilt wurde.
Zitat:

Ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 3 der FAA ohne
Einschränkungen wurde ausgestellt
. Der Brief der FAA, der
das Tauglichkeitszeugnis begleitete, zeigt, dass basierend
auf der Krankengeschichte mit der reaktiven Depression
„operation of aircraft is prohibited at any time new symptoms
or adverse changes occur or any time medication and/or
treatment is required”.

Über diese neuen Symptome bzgl. des Begleitbriefes hat er aber niemanden informiert, außer seine "eigenen" Ärzte. die die Schweigeplicht eingehalten haben.
 

flying_mom

Erfahrenes Mitglied
03.11.2014
2.322
822
HOQ/NUE/CGN
Ich meine den Brief der FAA an ihn vom 8.7.2010 (auch Seite 33), dass er zur Zeit nicht berechtigt sei, ein Flugtauglichkeitszeugnis zu erhalten, da reaktive Depression Teil seiner Krankengeschichte sei. An diesem Punkt war das ja aufgefallen und führte zur Verweigerung.
Später hat er es dann bekommen. Mich wundert eben, dass die Begründung für den negativen Bescheid später keinen Bestand mehr hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:

Mladen

Erfahrenes Mitglied
01.08.2013
345
135
NRW
Zur Erinnerung: Man muss immer zwischen Schadensersatz und Schmerzensgeld unterscheiden:

Schadensersatz umfasst Beerdigungskosten, Verdienstausfall, Verlust des Ernährers etc dürfte von der LH bezahlt werden, auch wenn man sich natürlich hier auch streiten kann (Wieviel hätte das 40jährige Opfer in den nächsten 20 Jahren verdient?) etc.

Schmerzensgeld ist aber dann schon ne andere Kiste. Da gibt es in den USA für pain and suffering viel mehr als in Deutschland (im übrigen gibt es fast überall mehr als hier). Da kann es auch keine definitive Antwort geben, man wird wohl schauen müssen, wie nahe die Anspruchssteller und der Verstorbene waren (kann auch der beste Freund Schmerzensgeldansprüche stellen?), welche Auswirkungen der Tod beim Anspruchssteller hatte (Depressionen? Längere Zeit krankgeschrieben? Etc) u.s.w.

Aber (und da dürfte ich die Minderheit stellen): Für den Tod an sich sollte es aber kein Schmerzensgeld oder sonstigen Ersatz geben. Denn wie will man den Wert eines Menschenlebens messen? 1000 €? 1.000.000 €? Ist der hochbezahlte CEO mehr wert als der ungebildete Harz IV Empfänger? Ist der junge mehr/weniger wert als der alte? Ist der Deutsche mehr wert als der Inder? Das wird man kaum beantworten können, deswegen sollte man den Schmerzensgeldsanspruch auf das erlittene Leiden begrenzen. Wobei mir auch klar ist, dass es dadurch (wie oben schonmal beschrieben) billiger wird, jemanden zu töten, als jemanden zu verletzen.
 
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LH88

Erfahrenes Mitglied
08.09.2014
15.394
8.904
Aber (und da dürfte ich die Minderheit stellen): Für den Tod an sich sollte es aber kein Schmerzensgeld oder sonstigen Ersatz geben. Denn wie will man den Wert eines Menschenlebens messen? 1000 €? 1.000.000 €? Ist der hochbezahlte CEO mehr wert als der ungebildete Harz IV Empfänger? Ist der junge mehr/weniger wert als der alte? Ist der Deutsche mehr wert als der Inder? Das wird man kaum beantworten können, deswegen sollte man den Schmerzensgeldsanspruch auf das erlittene Leiden begrenzen. Wobei mir auch klar ist, dass es dadurch (wie oben schonmal beschrieben) billiger wird, jemanden zu töten, als jemanden zu verletzen.

Na dann sind wir ja schon zu zweit hier.
 

TachoKilo

Erfahrenes Mitglied
21.02.2013
2.142
51
Berlin (West) - TXL
Ich meine den Brief der FAA an ihn vom 8.7.2010 (auch Seite 33), dass er zur Zeit nicht berechtigt sei, ein Flugtauglichkeitszeugnis zu erhalten, da reaktive Depression Teil seiner Krankengeschichte sei. An diesem Punkt war das ja aufgefallen und führte zur Verweigerung.
Später hat er es dann bekommen. Mich wundert eben, dass die Begründung für den negativen Bescheid später keinen Bestand mehr hatte.
Aber auch das ist doch aus dem Bericht ersichtlich:
Brief der FAA an den Copiloten, mit der Information, dass er zurzeit nicht berechtigt sei, ein Tauglichkeitszeugnis zu erhalten, da reaktive Depression Teil seiner Krankengeschichte sei. Die FAA bat ihn einen Bericht seines behandelnden Arztes, einschließlich Diagnose, Prognose ohne Medikation, nachfolgende Maßnahmen und Kopien der Behandlungsunterlagen, einzureichen.
Die geforderten Unterlagen wurden übersetzt und an die FAA gesendet, die erneut prüfte und auf Grundlage dieser neuen Informationen eine Entscheidung traf. Da die Unterlagen ja besagten, dass die depressive Episode überwunden war, stellte man ein Tauglichkeitszeugnis aus, mit den entsprechenden Hinweisen, das im Falle neuer Symptome kein Flugzeug geführt werden darf. Absolut logisch und nachvollziehbar.
 

Wolke7

Erfahrenes Mitglied
30.08.2010
3.244
1.148
Absolut logisch und nachvollziehbar.

Aus der Sicht einer Behoerde stimmt das. Das echte Leben ist aber komplexer, als dass es solche Grauzonen nicht ausnutzen wuerde. Anders gesagt: Diese Einschraenkung macht nur Sinn, wenn der Lizenzinhaber (Lubitz) verantwortungsvoll damit umgeht. Das von einem depressiven Patienten zu erwarten, ist schon fahrlaessig.
 

TachoKilo

Erfahrenes Mitglied
21.02.2013
2.142
51
Berlin (West) - TXL
Aus der Sicht einer Behoerde stimmt das. Das echte Leben ist aber komplexer, als dass es solche Grauzonen nicht ausnutzen wuerde. Anders gesagt: Diese Einschraenkung macht nur Sinn, wenn der Lizenzinhaber (Lubitz) verantwortungsvoll damit umgeht. Das von einem depressiven Patienten zu erwarten, ist schon fahrlaessig.
Was du aber mal wieder ausblendest: zu diesem Zeitpunkt war er kein depressiver Patient. Sondern ein gesunder junger Mann, der mal an einer depressiven Episode litt. Und dass man für solche gesunden Menschen eine bessere Absicherung für den Fall eines Rückfalls bzw. einer erneuten Depression finden muss, hat man nun erkannt. Wie man so schön sagt: "Nachher sind sie alle schlauer."
 

flying_mom

Erfahrenes Mitglied
03.11.2014
2.322
822
HOQ/NUE/CGN
Das ist doch aber alles innerhalb weniger Monate passiert: Ausbildungsbeginn bei LH, Unterbrechung wegen schwerer Depressionen mit Selbstmordgedanken, Ablehnung der Verlängerung des Tauglichkeitszeugnisses durch Lufthansa AeMC, einen Tag später der Bericht des LH Psychiaters, dass er es doch bekommen kann, 13 Tage später die Ausstellung mit Einschränkung, Wiederaufnahme der Ausbildung, Bedenken der FAA, dann doch Ausstellung...

Ich bin kein Mediziner, darf mich aber trotzdem fragen, ob solch eine schwere psychische Störung nicht deutlich länger braucht, um als geheilt zu gelten?
Wenn zur Depression dann klare Suizid-Gedanken zum Ausdruck gebracht und dokumentiert wurden, ist ein Fehler im System, wenn der Patient ein öffentliches Verkehrsmittel führen kann. Traumberuf hin oder her.
Die Empfehlung der BEA ist schliesslich nicht - weiterfliegen lassen, damit man die Gefühle eines Piloten nicht verletzt, sondern alternative, gleich bezahlte Stellen im Unternehmen zu schaffen, damit nicht noch die Angst um die finanzielle Situation dazukommt.
 

TachoKilo

Erfahrenes Mitglied
21.02.2013
2.142
51
Berlin (West) - TXL
Das ist doch aber alles innerhalb weniger Monate passiert: Ausbildungsbeginn bei LH, Unterbrechung wegen schwerer Depressionen mit Selbstmordgedanken, Ablehnung der Verlängerung des Tauglichkeitszeugnisses durch Lufthansa AeMC, einen Tag später der Bericht des LH Psychiaters, dass er es doch bekommen kann, 13 Tage später die Ausstellung mit Einschränkung, Wiederaufnahme der Ausbildung, Bedenken der FAA, dann doch Ausstellung...
Der Abschlussbericht sagt:
Im April 2008 im Alter von 20 Jahren wurde der Copilot ausgewählt, um das ab-initio Training zum Verkehrspiloten bei Lufthansa zu beginnen. Er hatte die dafür geforderten Tests, einschließlich der für die mentalen Fähigkeiten, das logisches Denken, die soziale Kompetenz und die Persönlichkeitseigenschaften bestanden. Am 9. April 2008 hat das Lufthansa AeMC das erste Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 ohne Einschränkungen für den Copiloten ausgestellt. Die psychologische und psychiatrische Beurteilung, deren Durchführung während der medizinischen Untersuchung gesetzlich vorgeschrieben ist, hat keine Hinweise auf eine Verfassung,die ihn fluguntauglich gemacht hätte, ergeben.Er begann mit dem Flugtraining im September 2008 am Lufthansa Training Zentrum in Bremen, Deutschland. Im November 2008 setzte er die Ausbildung aus, da eine Depression eingesetzt hatte, die medikamentös behandelt wurde. Er suchte einen Psychiater auf, der ihn behandelte und erwartete, dass die Depression mehrere Monate andauern würde.
UND
Im August 2008 begann der Copilot an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome zu leiden. ... Von Januar 2009 bis Juli 2009 nahm er antidepressiv wirkende Medikamente und zwischen Januar 2009 und Oktober 2009 wurde er psychotherapeutisch behandelt. Sein behandelnder Psychiater gab an, dass der Copilot im Juli 2009 vollständig genesen war.

Also begann die Erkrankung im August 2008 und im Juli 2009 galt er als genesen. Also ein Jahr finde ich jetzt nicht so kurz, um eine Depression zu heilen. Es gibt Depressionen die brauchen länger, es gibt Depressionen die sind nach wenigen Wochen ausgestanden. Und du musst auch berücksichtigen, dass es um unterschiedliche Tauglichkeitszeugnisse ging (Klasse 1 ausgestellt durch Lufthansa AeMC, Klasse 3 durch FAA).

Ich bin kein Mediziner, darf mich aber trotzdem fragen, ob solch eine schwere psychische Störung nicht deutlich länger braucht, um als geheilt zu gelten?
Wenn zur Depression dann klare Suizid-Gedanken zum Ausdruck gebracht und dokumentiert wurden, ist ein Fehler im System, wenn der Patient ein öffentliches Verkehrsmittel führen kann.
Lies dir am Besten mal im Abschlussbericht das Szenario ab Seite 94 durch. Dort sieht man gut, dass es keine Auffälligkeiten gab, insofern müsste man sich ansonsten die Frage gefallen lassen: warum verwehrt man einem gesunden Menschen die Ausübung eines Berufs? So ein Verbot ist ein so starker Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, dass man sich gut überlegen muss, was man fordert. Sonst verbietet man dir deinen Beruf schneller, als du gucken kannst. Jetzt im Nachhinein für diesen konkreten Fall zu fordern, dass alles hätte anders laufen müssen, ist mir zu simpel. Wenn du hier das nächste Flugzeugunglück schon mal ansagst und auch gleich mitteilst, wie man es verhindert, dann sähe es anders aus.

Noch ein Zitat aus dem Abschlussbericht:
Alle beurteilten seine psychiatrische und psychologische Gesundheit durch Diskussionen und Beobachtung seines Verhaltens. Dieser Prozess der Beurteilung der psychischen Verfassung eines Bewerbers entspricht den Vorschriften der Luftfahrtbehörden und der luftfahrtmedizinischen Organisationen. Keine der Antworten des Copiloten haben bei den flugmedizinischen Sachverständigen Besorgnis ausgelöst und sie dazu veranlasst weitere Untersuchungen bei einem Psychiater einzufordern. Daher wurde der Copilot bei jeder Verlängerungs- oder Erneuerungsuntersuchung für ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 für flugtauglich befunden.

EDIT:
Ergänzung von der Website der Bundes Psychotherapeuten Kammer:
Eine depressive Phase („Episode“) dauert durchschnittlich sechs bis acht Monate, wenn sie nicht behandelt wird. ... Die Dauer einer depressiven Erkrankung kann durch eine Behandlung deutlich verkürzt werden – auf durchschnittlich 16 Wochen. Effektive Behandlungen senken die Rückfallrate erheblich.
 
Zuletzt bearbeitet:

flying_mom

Erfahrenes Mitglied
03.11.2014
2.322
822
HOQ/NUE/CGN
Mir war nicht klar, dass Depressionen so schnell geheilt werden können. In meinem engen Umfeld leidet jemand seit 3 Jahren trotz dauerhafter Behandlung mehr oder weniger unverändert daran.

Dennoch bleibe ich dabei: Es gibt gerade für den Pilotenberuf so unglaublich strenge Zugangsvorraussetzungen, unter anderem auch Grösse und Sehschärfe, für die man nichts kann und man trotzdem nicht zugelassen wird, dann kann und muss eine bestehende oder durchlebte Suizidalität auch zum Ausschluss führen. Speziell bei Herrn Lubitz trat das so früh in der Ausbildung auf, dass der Zeitpunkt zum Ausschluss noch günstig gewesen wäre.
 

TachoKilo

Erfahrenes Mitglied
21.02.2013
2.142
51
Berlin (West) - TXL
Dennoch bleibe ich dabei: Es gibt gerade für den Pilotenberuf so unglaublich strenge Zugangsvorraussetzungen, unter anderem auch Grösse und Sehschärfe, für die man nichts kann und man trotzdem nicht zugelassen wird, dann kann und muss eine bestehende oder durchlebte Suizidalität auch zum Ausschluss führen. Speziell bei Herrn Lubitz trat das so früh in der Ausbildung auf, dass der Zeitpunkt zum Ausschluss noch günstig gewesen wäre.
Das kann man grundsätzlich so sehen und fordern. Allerdings bleibt für mich der Unterschied: eine Psychose kann man heilen, Größe und Sehschärfe nicht. Wobei ja auch hier strittig ist, was geregelt werden darf. Die LH hat eine Mindestgröße, die tarifrechtlich geregelt ist, aber nicht unumstritten (bei der Swiss liegt die Mindestgröße bei 1,60m, bei KLM 1,57m, AirBerlin hat keine Mindestgröße). Die Beschränkungen zur Sehschärfe sind so locker (Refraktionswert bis +/-5,0 Dioptrien und Astigmatismus > 2 steht bei der LH), dass wirklich nur noch extreme Fehlsichtigkeiten ausgeschlossen sind.

Aber wie gesagt: man kann das fordern. Ich vermute aber, dass du als Mutter das spätestens dann als ungerecht empfinden würdest, wenn dein Kind mal eine psychische Erkrankung gehabt hätte und dann später bei der Berufswahl eingeschränkt wäre (mal angenommen man schließt Personen mit früher aufgetretenen psychischen Erkrankungen schon von der Ausbildung zu Berufen aus, die in irgendeiner Form Menschenleben gefährden könnten). "Wie kann man nur", "Das war mal früher", "Er ist seit 15 Jahren gesund" ...
 
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