Das Problem mit unserem Julian ist doch vor allem, dass er die zukünftige Entwicklung von AB seit jeher ausschließlich deterministisch unter dem Aspekt betrachten kann oder will, dass AB implodieren wird und jegliche Fakten stets nur in dieses Weltbild einordnet, wenn ihm das möglich ist und ignoriert, wenn das nicht gelingt. Dabei zeigt er eine Überheblichkeit bzgl. der eigenen Meinung, die den Großteil der Journalisten eines großen Springer-Kampfblatts im Vergleich als diplomatische Genies erscheinen ließe.
Es gibt ja niemanden hier, der ernsthaft bestreiten würde, dass AB schwerste wirtschaftliche Probleme hat und strategisch in den letzten Jahren viele katastrophale Fehler gemacht hat. Engstirnig ist es jedoch, daraus lediglich den einen vermeintlich zwingenden Schluss einer AB-Insolvenz ziehen können zu glauben. Dafür gibt es einfach zu viele Unbekannte auf der einen Seite und zu viele Partikularinteressen anderereits, als dass das eine äußerst wahrscheinliche Konsequenz ist. Und es ist mitnichten Haarspalterei, zwischen der von manchen gebetsmühlenartig in Aussicht gestellten Insolvenz und einer radikalen Umstrukturierung zu unterscheiden. Das beides ist ein Unterschied wie Tag und Nacht und es jetzt vermengen zu wollen, wirkt lediglich wie der hilflose Versuch, die eigenen markigen Behauptungen einer baldigen Insolvenz ex post zu relativieren. Sich begrifflich zurückzuziehen auf "das Geschäftsmodell ist gescheitert", ist - sorry - armseliges Zurückrudern und sich schön reden. Dass das Geschäftsmodell ein jahrelanges Scheitern war, hat angesichts der kontinuierlichen Verluste hier nie jemand ernsthaft bestritten, aber die eindimensionalen Schlussfolgerungen einiger (teilweise allwöchentlicher) Propheten wurden eben angezweifelt und das wohl zurecht, wie es momentan den Anschein macht. Dass das defizitäre Geschäft Veränderungen bedurfte, war doch absoluter Tenor. Wenn manche der lautesten Untergangspropheten sich jetzt als Rufer in der Wüste feiern wollen, denke ich unwillkürlich an den alten Witz vom Consultant (Aktienanalysten o.ä.):
Ein Schäfer steht mutterseelenallein auf seiner Wiese und hütet seine Schafe.
Plötzlich tauchte in einer großen Staubwolke ein nagelneuer Cherokee-Jeep auf und hält direkt neben ihm. Der Fahrer des Jeep, ein junger Mann in Brioni-Anzug, Cerrutti-Schuhen, Ray-Ban-Sonnenbrille und einer YSL-Krawatte, steigt aus und fragt ihn:
»Wenn ich errate, wie viele Schafe Sie haben, dann bekomme ich eines davon.«
Der Schäfer schaut den jungen Mann an, dann seine friedlich grasenden Schafe und sagt ruhig:
»Einverstanden.«
Der junge Mann parkt den Jeep, verbindet sein Notebook mit dem Satelliten-Handy, geht im Internet auf eine NASA-Seite, scannt die Gegend mit Hilfe seines GPS-Satelliten-Navigationssystems, öffnet eine Datenbank und 60 Excel-Tabellen mit einer Unmenge Formeln. Schließlich druckt er einen 150-seitigen Bericht auf einem High-Tech-Minidrucker aus, dreht sich zu dem Schäfer um und sagt:
»Sie haben exakt 1586 Schafe.«
Der Schäfer sagt: »Das ist richtig, suchen Sie sich ein Schaf aus.«
Der junge Mann nimmt ein Tier und lädt es in den Jeep ein.
Der Schäfer schaut ihm zu und sagt: »Wenn ich Ihren Beruf errate, geben Sie mir das Schaf dann zurück?«
Der junge Mann antwortet: »Klar, warum nicht.«
Der Schäfer sagt: »Sie sind Unternehmensberater.«
»Das ist richtig, woher wissen Sie das?«, will der junge Mann wissen.
»Sehr einfach«, sagt der Schäfer,
»erstens kommen Sie hierher, obwohl Sie niemand gerufen hat,
zweitens wollen Sie ein Schaf als Bezahlung haben dafür, dass Sie mir etwas sagen, was ich ohnehin schon weiß, und
drittens haben Sie keine Ahnung von dem, was ich mache!
So, und jetzt will ich meinen Schäferhund zurück.«