AI171 Dreamliner Absturz in Ahmedabad | 12.06.25

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tabbie

Reguläres Mitglied
21.06.2025
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Hier wird offensichtlich die Beweisführung einer Unfalluntersuchung nach ICAO Regeln mit der Beweisführung in zivilrechtlichen und strafrechtlichen Auseinandersetzungen vermischt.
Tatsache ist, dass nach den ICAO Regeln eine Unfalluntersuchung nicht als Beweis für eine strafrechtliche oder zivilrechtliche Ermittlung als Beweis herangezogen werden soll.
Auch werden die Gerichte dies allein nur als "Hörensagen" bewerten, da keine direkten Erkenntnisse vorgetragen werden können.

Allerdings bleibt es den Parteien unbenommen, die Sach- oder Zeugenbeweise in ein Verfahren einzubringen. Inwieweit die Beweislast der Kläger oder Ankläger aufbringen muss, liegt an der lokalen rechtlichen Ausgestaltung des jeweiligen Rechts. Sofern nur die beklagte Partei oder die Angeklagten über Beweismittel verfügen, kann es je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts auch eine sogenannte "Beweislastumkehr" geben. Die ist keine gesetzliche Umkehr, sondern eine Beweislasterleichterung für die schwächere, offensive Partei.
So kann die Aufzeichnung von FDR und CVR als Beweis eingebracht werden, da diese einen direkten Beweis, wie z.B. ein abgehörtes Telefongespräch, ermöglichen. Wenn die Beklagte Partei oder eine angeklagte Person (in den USA auch angeklagte Firma) die Herausgabe verweigert) kann dies als als positiver Beweis gewertet werden.
(Nach richterlicher Beweiswürdigung oder Überzeugung der Geschworenen wäre dann der Beweis erbracht, obwohl er objektiv nicht erbracht wurde.)

Während meiner Zeit als (Partei)Sachverständige war ich sowohl mit zivilrechtlichen als auch strafrechtlichen Verfahren in Deutschland und den USA betraut. Ich hatte für eine international tätige Kanzlei die jeweils möglichen Beweise zusammengetragen und die Strategie entwickelt.

Interessant ist, dass seinerzeit der Flugsicherheitspilot der LH bei einem Strafverfahren gegen Mitarbeiter die Herausgabe der Firmenuntersuchungsunterlagen verweigerte und bei einer möglichen Durchsuchung mit Vernichtung drohte. Der zuständige Staatsanwalt hat diese dann aus Kenia erhalten und die Angelegenheit gegen den LH Mitarbeiter nicht weiter verfolgt. In den USA wäre der Mitarbeiter wegen (versuchter) Strafvereitelung in Haft genommen worden.
 
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Luftikus

Megaposter
08.01.2010
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irdisch
Um Unglücke technisch aufzuklären braucht man Offenheit, die man nicht mehr hätte, wenn in diversen Staaten anschließend nach diversen Rechtssystemen den Beteiligten unabsehbare Strafen drohten. Man würde diese Untersuchungen abwürgen. Das basiert auf dem Vertrauen, dass man eben nicht verfolgt wird.

Die juristischen Ermittlungen bleiben ja unbenommen, nur das ist eine komplett separate Schiene.
 

Loungepotato

Erfahrenes Mitglied
02.12.2016
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Je nach Rechtssystem heisst eine Veröffentlichung ja nicht zwangsläufig, dass sie auch verwendet werden. Es kommt häufiger vor, dass Beweismittel zwar existieren, aber vor Gericht nicht zugelassen sind.
Darum ging es ja auch nicht, sondern lediglich um die Tatsache, dass die CVR-Aufnahmen nicht als Audiodaten zur Verfügung gestellt werden.
 

FCL

Erfahrenes Mitglied
02.04.2020
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Darum ging es ja auch nicht, sondern lediglich um die Tatsache, dass die CVR-Aufnahmen nicht als Audiodaten zur Verfügung gestellt werden.

Konkret ging es um den Satz "Als offiziell anerkanntes Beweismittel vor Gericht wirst du nie die CVR Daten erhalten." in #2021.

Und jenes "nie" ist mit dem in #2023 verlinkten Praxis-Beispiel widerlegt.
 

Loungepotato

Erfahrenes Mitglied
02.12.2016
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Konkret ging es um den Satz "Als offiziell anerkanntes Beweismittel vor Gericht wirst du nie die CVR Daten erhalten." in #2021.

Und jenes "nie" ist mit dem in #2023 verlinkten Praxis-Beispiel widerlegt.
Konkret ging es in meiner Antwort an Volume darum, dass die Audio-Daten nicht veröffentlicht werden. Den Rest der Diskussion können andere führen.
 

Loungepotato

Erfahrenes Mitglied
02.12.2016
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Boeing ist als Hersteller dabei und hat natürlich die Daten. Ebenso der Triebwerkshersteller und die USA als Herstellerland.
"Ist dabei" und "hat die Daten" sind zwei völlig verschiedene Dinge.

In aller Regel (Ausnahmen bestätigen die Regel), läuft das grob so ab:

Der CVR wird geborgen und ins Labor der Untersuchungsbehörde gebracht (in dem Fall die indische AAIB, denn Indien stellt als State of Occurrence die die Untersuchung durchführende Behörde), dort werden die Audiodaten ausgelesen und auf deren extra gesicherten Server geladen, das CVR-Modul aus dem Flugzeug wird ohne Veränderung unter Verschluss eingelagert. Dann wird eine CVR-Gruppe gebildet, in die die berechtigten Länder nach en Vorgaben von Annex 13 Vertreter benennen können. Diese können dann nach Unterzeichnung eines NDA und strikter Kontrolle durch die durchführende Behörde Zugang zu den Daten bekommen, u.a. zur Erstellung eines offiziellen Transkripts. Mit dem wird dann gearbeitet, außer Detailfragen erfordern den erneuten Zugang zu den Audiodaten.

Man darf sich das nicht so vorstellen, dass die beteiligten Vertreter die Audiodaten auf einen USB-Stick laden und mitnehmen. Boeing hat also über einen Vertreter wahrscheinlich Zugang zu den Daten, hat die Daten aber nicht bei sich.

Es wird in diesem Fall auch nicht so einfach sein, dass sich ein amerikanischer Anwalt den Zugang zu den Daten bei der indischen Behörde erstreitet. Bei den oben zitierten Ausnahmen handelt sich um Unfälle in den USA, wo die NTSB die Untersuchung als leitende Behörde durchgeführt hat. Das meint Oliver2002 sicher und hat damit völlig Recht.
 
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Reaktionen: marcus67

tabbie

Reguläres Mitglied
21.06.2025
48
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Hier sollte es eigentlich um die Unfallanalyse gehen. Aber wenn die Moderation erlaubt, ein kleiner HInweis zum Klageverfahren in den USA.
Bitte verschieben, wenn es hier nicht sein soll....

Wenn ich Mandanten in den USA hätte , die eine Zivilklage wegen "wrongful death" einreichen wollen, würde ich es so anstellen:
Ich suche ein geeignetes Gericht an dem Wohnort eines der Mandanten (Hinterbliebener eines Opfer von AI171) an einem Wohnort mit möglichst konservativem Geschworenenenpool). Es handelt sich um eine Verbraucherschutzklage wegen unzureichender Produktsicherheit. Erst mal ein Mandant, mal sehen, wie es läuft. Erweitern geht immer.
Dort reiche ich Klage gegen Boeing ein. In der Voruntersuchung beantrage ich beim Gericht die Vorlage der Beweismittel: Kompletter Inhalt des EAFR, einschließlich der Rohdaten.
Die Gegenseite wird dies ablehnen, da sie nicht die Daten besitzen. Das Gericht wird entweder auferlegen, die Daten zu beschaffen oder, wenn Boeing glaubhaft macht, dass diese keine Daten besitzen, dies ablehnen. Boeing besitzt aber einen Teil der Daten, nämlich die, die direkt an Boeing gesendet wurden.
Weiter wird es einen Antrag geben, die Mitglieder der Untersuchungskommission als wichtige, unverzichtbare Zeugen vorzuladen und bei Weigerung mit Erzwingungshaft drohen. Bei Weigerung zu Erscheinen, eventuell auch Strafantrag wegen Behinderung der Justiz stellen. Wenn Boeing die Schuld auf TATA schiebt, wird die Klage erweitert gegen AI und TATA vor dem US Gericht. Der gerichtsstand ist gegeben. Amerikanische Gerichte haben auch kein Verständnis für andere Rechtssysteme, Wenn ein Richter erstmal wütend ist, könnte ein internationaler Haftbefehl für die potentiellen Zeugen die Folge sein.
Im eigentlichen Verfahren vor den Geschworenen muss dann der Eindruck entstehen, dass die Zeugen nicht kooperieren wollen. Den Annex 13 kennen die Geschworenen nicht und wollen nur, dass jemand zur Rechenschaft gezogen wird. es wird eine Menge Geld fließen, es braucht im Zivilverfahren nur eine Mehrheit der Geschworenen, keine Einstimmigkeit.