Man sollte auch nicht unterstellen, dass junge Piloten heutzutage weniger qualifiziert wären als die alten. Vermutlich ist es angesichts der immer feineren Auswahlverfahren sogar anders. Der Pilot von heute ist sicherlich ein anderer Typ als der Pilot von 1960.
Das "Problem" ist einfach, dass man als Pilot eines modernen Jets mit Glascockpit von allen Seiten Assistenz erhält. Der Autopilot fliegt die vorgegebenen Wegemarken automatisch ab, sämtliche aktuell legalen (Anflug-)Routen sind im System gespeichert, man kann in Sekundenschnelle wechseln, etwas heraus- oder dazu nehmen. Navigieren "im Kopf" ist nicht mehr notwendig, man braucht keine ADF-Zeiger zu interpretieren, keine VORs einzustellen und Nadeln zu beobachten, um dann auf einer Papierlandkarte mit Lineal und Bleistift eine Kreuzpeilung zwecks Navigationsbestimmung vorzunehmen. Früher waren die Piloten über unbewohnten, per Funkfeuer unererschlossenen Gegenden ja sogar noch mit dem Sextanten unterwegs.
Die heutige Technik ist so genial wie komplex, und sie erhöht zweifellos die Sicherheit, weil sie sich um vieles kümmert und typische menschliche Fehler ausschließt. Ein Taschenrechner verrechnet sich ja in der Regel auch nicht - ein Mensch, der alles im Kopf rechnet, durchaus einmal.
Beim Taschenrechner kommt es allerdings darauf an, dass alles korrekt eingeben wird, sonst ist auch das Ergebnis für die Tonne. Hier haben moderne Jets bereits den ersten Schwachpunkt, siehe den EK-Beinhahecrash mit dem Airbus 345, bei dem falsche Gewichtswerte eingegeben worden waren, sodass der Bordcomputer beim Start zu wenig Schub gab. Denn nicht der Mensch regelt beim Start den Schub, der Computer macht das. Wenn der Mensch den Schubhebel auf die Startposition schiebt, dann gibt er dem Airbus damit lediglich die Erlaubnis, mit einem aus den Eingabewerten berechneten Schubwert zu starten. Irgendwann erscheint dann auf dem Bildschirm die zuvor berechnete Abhebegeschwindigkeit, das Flugzeug gibt dem Piloten damit die Erlaubnis, den Stick nun zurückzuziehen und abzuheben. Dumm nur, wenn diese Erlaubnis aufgrund von Falscheingaben erst zu einem Zeitpunkt kommt, an dem die Startbahn schon zu Ende ist.
Die meisten Abstürze werden bekanntlich auf "Pilotenfehler" zurückgeführt, dabei macht man es sich meiner Meinung nach aber zu einfach, weil sich bei genauerem Hinsehen eigentlich fast immer zeigt, dass der Fehler tatsächlich beim Zusammenspiel zwischen den Piloten und der Technik lag. Und eine Technik, die solche Fehler erlaubt, ist per se ebenfalls fehlerhaft und verbesserungswürdig, nur wird das natürlich ungern öffentlich gesagt, weil das die Airlines und Flugzeughersteller überhaupt nicht mögen. Dann wären ihre Flugzeuge ja technisch "unsicher".
Das aber sind sie in der Tat, jedenfalls dann, wenn durch Fehlfunktionen der komplexen Technik Situationen entstehen, die für die Piloten verwirrend sind und sie zu falschen Entscheidungen veranlassen. Piloten, die ihr Flugzeug auf einmal nicht mehr verstehen, sind zweifellos ein Risiko - erfahrende Analogpiloten haben hier einen Erfahrungsvorteil, weil sie Fluglage, Navigation und Ursache/Wirkung von Steuerbefehlen in den unterschiedlichsten Situationen direkter erfahren haben als ihre Kollegen, die von Anfang an nur digital geflogen sind. Wer sekundenschnelle Entscheidungen treffen muss, ist gut beraten, instinktiv das Richtige zu tun. Nicht immer hat man ja die Zeit, eine Situation in aller Ruhe zu analysieren und lange (oft zu lange) Checklisten abzuarbeiten.
Zu viel Automatisierung führt dann auch zu Vorfällen wie bei NW, wo die Piloten sich dermaßen in andere Tätigkeiten vertieften, dass sie weit über das Ziel hinausflogen und nicht mehr auf den Funkverkehr reagierten. Das Flugzeug flog eben von ganz allein, und darüber hatten die Piloten die Zeit vergessen. Oder der unglaubliche TK-Crash in AMS, bei dem drei Piloten im Cockpit nicht merkten, dass ihr Flieger wesentlich tiefer flog als er eigentlich sollte, weil sie blind einer Technik vertrauten, die das Flugzeug aufgrund falscher Messdaten in die Katastrophe flog.
Das ist schon ein Problem: Einer Technik, die in 99,9% der Fälle super funktioniert, wird naturgemäß vertraut. In den 0,1%, wo sie versagt, dauert es dann oft zu lange, bis man das Vertrauen aufgibt und den Flieger "überstimmt". Falls man das Versagen überhaupt bemerkt, es gab nicht nur bei TK Vorfälle, wo Warnsignale einfach ignoriert wurden, weil diese auch in anderen, harmlosen Situationen immer wieder auftauchen und man gewohnt war, sie zu ignorieren oder "wegzuklicken", um zum nächsten Routinepunkt der Checkliste zu gelangen. Die Technik wurde also nicht mehr hinterfragt, weil erfahrungsgemäß bisher immer alles gut gegangen war.