Ersatzbeförderung 2.0: Mit dem Jet ans Ziel (Klage am LG Düsseldorf)

ANZEIGE

thbe

Erfahrenes Mitglied
27.06.2013
9.146
9.378
ANZEIGE
Das wäre aber eine sehr unfaire Diskriminierung von Leuten mit weniger gut bezahlten Jobs. Ok, sie sind jung und sehen aus wie ein Schüler - sie bleiben hier. 8-(

Dir ist schon klar, dass diese Klage genau an diesem Punkt ansetzt. Bei wem Zeit am meisten Geld ist, hätte aus Sicht des Klägers bevorzugt mitgenommen werden müssen. Statt des Klagenden "Sie wissen wohl nicht, wenn Sie hier vor sich haben.", hätte gefälligst der ohnehin ausgebeutete Bergarbeiter-Azubi am Gate bleiben sollen.

Außerdem gibt es keinerlei vernünftigen Grund, warum man ausgerechnet einem Multinationalen Unternehmen das Leerverkaufsrisiko deckeln und den Überschuß den Kunden aufbrummen sollte. Schließlich hat der Kunde keinerlei Einfluß und oft auch keine Information zu den Leerverkäufen. Er kauft und bezahlt eine Leistung und muß sich drauf verlassen können.

Geht vollkommen am Thema vorbei. Es ist unstrittig, dass die Airline zahlen muss. Und auch mehr als der Ticketwert war. Die Frage ist, ob es sich die Zahlung in der Dimension einer Jetcharter bewegen darf.

Und da Du offensichtlich sozialistisch-nah orientiert bist: Wer einen Jet chartern kann, zählt ganz sicher zum Klassenfeind. Du verbrüderst Dich hier mit der häßlichen Fratze des Großkapitals.

Nochmal: Wenn ich etwas verbindlich verkaufe, was ich nicht besitze (hier Sitzplatzkapazität), muß ich bereit sein, das zum später aktuellen Marktpreis einzudecken. Der kann viel teurer sein, wenn es entsprechend kurzfristig ist (wie in dem Extrembeispiel hier). Will ich das nicht, kann ich mich absichern (Gegengeschäft, Versicherung, Option etc.). Mache ich das nicht, dann schädige ich durch mein Verhalten meinen Vertragspartner. Letztendlich sogar vorsätzlich.

Auch daneben. Was Du bescheibst, ist in EU261 berücksichtigt. Genau genommen ist das DER Hauptgrund dafür, dass es EU261 überhaupt gibt.

Eine "Sitzkapazität" im Privatjet ist aber was anderes als eine im Linienflieger. Du kannst Dir ja auch keinen 6er-Träger Bier bestellen und bei Nichterfüllung den Preis eines 47er Cheval Blanc einklagen, weil Du gerade so durstig warst.

Warum soll es da Pardon geben? Die Fluggesellschaften profitieren von ihren Leerverkäufen einseitig. Es ist eine Spekulation auf dem Rücken der Kunden. Mit welchem Recht sollte man denen dann ihre Ansprüche auf Vertragserfüllung beschneiden? Als Bankkunde mit Warentermingeschäftsfähigkeit trägt man übrigens einen evtl. Spekulationsschaden auch in unbegrenzter Höhe. Und ohne die "WTG" erlaubt man dir diese Geschäfte nicht. Da sehe ich schon Parallelen.

Es gehört zur Lebenserfahrung, dass Verkehrsmittel nicht oder zu spät ankommen.

Es ist fürs Zuspätkommen ja zunächst egal, warum man nicht oder zu spät aus dem Flieger kommt. Das Risiko besteht, auch wenn keiner an irgendetwas Schuld hat. Wer hohe Summe darauf wettet, dass er mit einem Verkehrsmittel pünktlich an einem bestimmten Ort ist, der soll für den besonders hohen Verlust selbst aufkommen.

Und das Risiko ist nicht gering. Wer ein Verkehrsmittel bucht, darf nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon ausgehen, dass er pünktlich ankommt. M.E. sollte er sogar davon ausgehen, dass er nicht pünktlich ankommt. Beispielsweise war exakt noch keine (!) meiner Fahrten mit der Deutschen Bahn jemals pünktlich am Zielort. Hätte ich das jeweils mit einer Hubschrauberbuchung kompensieren dürfen?
 

malschauen

Erfahrenes Mitglied
05.12.2016
2.440
1.432
I
Geschieht etwa in NUE ab und an, dass LH einen NUE-MUC Flug streicht, und stattdessen die Handvoll verbliebene Paxe in ein Sammeltaxi setzt. Solange der Zielort pünktlich erreicht wird, wird das zuzumuten sein.


Vermutlich müsste man das gar nicht akzeptieren, da es sich nicht um eine vergleichbare Beförderung nach EU/VO handelt. Die meisten werden das aber eher so sehen, dass das zumutbar ist um das Endziel pünktlich zu erreichen.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Was hat so ein hypothetisches Szenario damit zu tun, dass die Airline den geschlossenen Beförderungsvertrag nicht eingehalten hat?

Was hat denn der Beförderungsvertrag mit der VO (EG) Nr. 261/2004 zu tun? Man muss sich das schon vergegenwärtigen: die vertraglich verpflichtete Airline kann das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne der VO sein, aber erforderlich ist diese Identität nicht. Mit anderen Worten: Eine Airline kann auch dann zur Ersatzbeförderung verpflichtet sein, wenn sie dem Pax nie irgendwas versprochen hat.

Ich bin kein Jurist, aber nach meiner Einschätzung: Gar nicht, das ist nämlich unerheblich für die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung des Vertrags. Schließlich kaufe ich ja kein Ticket mit Beförderungsgarantie "nur für den Fall, dass es dringend ist".

Absolut richtig, ob Jurist oder nicht.

Man könnte allerdings argumentieren, dass nur Kosten "im Rahmen der Wirtschaftlichkeit" erstattet werden können. Also, Lear-Jet fällt aus, wenn es einen Linienflug zu vertretbaren Kosten gegeben hätte, inklusive der Möglichkeit, ein Taxi zu einem anderen Flughafen zu nehmen.

Auch richtig. Nennt sich im deutschen Recht Mitverschulden, findet sich in § 254 BGB. Verkürzt: Der Geschädigte muss den Schaden möglichst gering halten.

Das Luftfahrtunternehmen hat hier keinerlei Hilfestellungen erbracht, um den Passagieren eine rechtzeitige Anreise zu ermöglichen, da sehe ich dann für § 254 BGB (wird natürlich kommen) wenig Raum

Na, stell Dich doch auf den Standpunkt, dass für Erwägungen deutschen Schadens(minderungs)rechts gar kein Raum ist, weil der Anspruch der Mandantschaft gar nicht aus den §§ 280 ff BGB folgt, sondern unmittelbar (!) aus dem vorrangigen EuropaR, nämlich hier Art. 8 VO. Die Möglichkeit dessen hat der EuGH ja immer mal wieder zum Ausdruck gebracht (NJW 2011, 3776, Rz. 44), wenngleich er ein wenig durch die Hintertür auch hier von „notwendig, angemessen und zumutbar“ spricht (NJW 2013, 921, Rz. 66).
 
  • Like
Reaktionen: Brainpool

thbe

Erfahrenes Mitglied
27.06.2013
9.146
9.378
Man könnte allerdings argumentieren, dass nur Kosten "im Rahmen der Wirtschaftlichkeit" erstattet werden können. Also, Lear-Jet fällt aus, wenn es einen Linienflug zu vertretbaren Kosten gegeben hätte, inklusive der Möglichkeit, ein Taxi zu einem anderen Flughafen zu nehmen.

Was steht denn aus Deiner Sicht in EU261, Art. 4 (3) und Art. 8 (1) b)? Art. 7 kommt noch dazu, ebenso Art. 9.

Es geht in diesem Fall nicht um die Leistungen nach EUR261. Auf diese besteht ohne Zweifel ein Anspruch und dadurch ist Deine Argumentation ohnehin erfüllt.

Es scheint hier einigen unklar zu sein, was die Folgen sein werden, wenn man bei Verspätungen auch zum Privatjet greifen darf.
 

malschauen

Erfahrenes Mitglied
05.12.2016
2.440
1.432
Eine "Sitzkapazität" im Privatjet ist aber was anderes als eine im Linienflieger. Du kannst Dir ja auch keinen 6er-Träger Bier bestellen und bei Nichterfüllung den Preis eines 47er Cheval Blanc einklagen, weil Du gerade so durstig warst.

Die Mandaten wollten ja auch nur einen Sitzplatz in einem Linenflieger. Diese Umbuchung wurde ihnen verweigert und man hat sie stattdessen warten lassen um sie dann doch nicht mitzunehmen. Und hier kommt in meinen Augen das 2. verschulden dazu, man hat auch keinen Versuch unternommen noch freiwillige zu finden, die gegen eine Entschädigung am nächsten Tag fliegen. Man hat also einfach darauf vertraut, dass das Sitzplatzpuzzle am Ende schon aufgehen wird.


Es gehört zur Lebenserfahrung, dass Verkehrsmittel nicht oder zu spät ankommen.

Es ist fürs Zuspätkommen ja zunächst egal, warum man nicht oder zu spät aus dem Flieger kommt. Das Risiko besteht, auch wenn keiner an irgendetwas Schuld hat. Wer hohe Summe darauf wettet, dass er mit einem Verkehrsmittel pünktlich an einem bestimmten Ort ist, der soll für den besonders hohen Verlust selbst aufkommen.

Und das Risiko ist nicht gering. Wer ein Verkehrsmittel bucht, darf nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon ausgehen, dass er pünktlich ankommt. M.E. sollte er sogar davon ausgehen, dass er nicht pünktlich ankommt. Beispielsweise war exakt noch keine (!) meiner Fahrten mit der Deutschen Bahn jemals pünktlich am Zielort. Hätte ich das jeweils mit einer Hubschrauberbuchung kompensieren dürfen?

Wer sagt, dass das so gemacht wurde. Die Verspätung wurde offensichtlich eingeplant oder meinst du der Jet hat schon mit heulenden Motoren gewartet, bis die Mandanten angerannt kam um einige Minuten nach dem Linenflug loszudüsen. Was nicht eingeplant war, die Insel nicht an dem Tag zu erreichen bzw. mit dem nächsten Flug mit x freien Sitzplätzen mit der gebuchten Airline. Ist für mich schon ein Unterschied und man hat wohl in Abwägung mit dem entstanden Schaden, den man durchaus auch hätte Einklagen können, entschieden, dass es günstiger ist einen Jet zu chartern.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
@thbe:

Thorfdbg bezieht sich - wenn ich das richtig verstehe - auf die Überlegung, was „wirtschaftlich“ war, als dem/den Pax keine Ersatzbeförderung angeboten worden war. Und natürlich wäre es dann - deutsches Schuldrecht als anwendbar unterstellt - so, dass ein verfügbarer (!) Linienflug anstatt eines Privatjets das Mittel der Wahl gewesen wäre, um den (unbestrittenen!) Schaden möglichst gering (dh geringer) zu halten.
 

Anonyma

Erfahrenes Mitglied
16.05.2011
16.140
8.416
BRU
Ich persoenlich finde es auch eine übertriebe Forderung, aber das ist eine persoenliche Meinung. Gleichzeitig finde ich es eine spannende Angelegenheit und werde dem Fall sicher folgen. Am Ende entscheidet immer das Gericht, aber es bedarf auch gleichzeitig immer jemanden der bereit ist das durchzuziehen. Chapeau!

Also grundsätzlich fände ich das auch übertrieben. Nur wenn eine Airline wie in dem Fall die Umbuchung auf eine mehr oder weniger zeitgleiche Alternative verweigert, obwohl sie den Flug überbucht hat und nicht weiß, ob sie selber die Paxe befördern kann, dann geht das für mich einfach auch zu weit.

Ja, wir alle wissen, dass Überbuchung gängige Praxis ist (unabhängig von rechtlichen Diskussionen). Nur das Mindeste, was ich in so einem Fall erwarten würde, ist eine Umbuchung auf die nächste Möglichkeit.
 

thbe

Erfahrenes Mitglied
27.06.2013
9.146
9.378
@thbe:

Thorfdbg bezieht sich - wenn ich das richtig verstehe - auf die Überlegung, was „wirtschaftlich“ war, als dem/den Pax keine Ersatzbeförderung angeboten worden war. Und natürlich wäre es dann - deutsches Schuldrecht als anwendbar unterstellt - so, dass ein verfügbarer (!) Linienflug anstatt eines Privatjets das Mittel der Wahl gewesen wäre, um den (unbestrittenen!) Schaden möglichst gering (dh geringer) zu halten.

Ja, und genau das ist der springende Punkt. Wie knapp war die Zeitplanung des Klägers, dass kein alternativer Linienflug zur Verfügung stand? Wie knapp darf eine Zeitplanung gewesen sein, dass ich auf Kosten der Airline zum Privatjet oder Hubschrauber greifen darf?

Auch aus meiner Sicht muss die Airline zahlen - und zwar neben EU261-Entschädigung auch die Kosten einer Ersatzbeförderung per Linienflieger, die ja kurzfristig gebucht auch recht teuer ausfall kann.

Kosten für einen Charter-Jet übersteigen das in der Regel jedoch. Und die Differenz muss m. E. der Kläger selber tragen.
 
  • Like
Reaktionen: chrini1

malschauen

Erfahrenes Mitglied
05.12.2016
2.440
1.432
Was steht denn aus Deiner Sicht in EU261, Art. 4 (3) und Art. 8 (1) b)? Art. 7 kommt noch dazu, ebenso Art. 9.

Es geht in diesem Fall nicht um die Leistungen nach EUR261. Auf diese besteht ohne Zweifel ein Anspruch und dadurch ist Deine Argumentation ohnehin erfüllt.

Es scheint hier einigen unklar zu sein, was die Folgen sein werden, wenn man bei Verspätungen auch zum Privatjet greifen darf.

Selbst wenn dieses Urteil pro Passagier ausfällt, wird man nicht einfach immer und überall dann auf einen Privatjet zurückgreifen dürfen. Insbesondere wenn innerhalb vernüftiger Zeit ein alternativer Linenflug stattfindet. Aber hier war schon viel Unfähigkeit und Ignoranz im Spiel seitens der Fluggesellschaft. Dazu kommt, dass man eben nicht sehr viele alternative Flugverbindungen hat, da die Kapazitäten stark zurückgefahren sind.
 

alinakl

Erfahrenes Mitglied
15.07.2016
4.070
1.562
Mir würde auch noch ein Punkt bei diesem Sachverhalt einfallen der erhebliche Bedeutung haben könnte, und zwar wäre es eigentlich den Reisenden möglich gewesen sich ein reguläres Flexticket für einen anderen oder den letzten Flug an diesem Tag zu kaufen?

Es scheint ja zwischen dem Zeitpunkt zu dem klar geworden ist dass es ein Problem geben könnte und der letzten Flugmöglichkeit am gleichen Tag doch eine gewisse Menge ein Zeit vergangen zu sein.

Wird keine Lösung gefunden hat der Reisende ein Ticket und kann sein Ziel gebenenfalls mit anderer Fluggesellschaft erreichen, wird ihm jedoch doch noch die Beförderung durch den ursprünglichen Vertragspartner gewährt so kann das neu gebuchte Ticket, storniert werden ohne das dem Reisenden Kosten entstehen.
Im anderen Fall werden eben die Mehrkosten für das Flexticket geltend gemacht im Ergebnis immer noch ein weit geringerer Kostenaufwand als hier entstanden.
 
  • Like
Reaktionen: rainer1

kexbox

Erfahrenes Mitglied
04.02.2010
6.322
2.515
Neuss
www.drboese.de
Die Passagiere haben ihr Reisebüro bemüht, dass parallel auch nach anderen Flügen recherchiert hat, die man per Taxi / Bahn noch rechtzeitig hätte erreichen können, die haben ja nicht einfach mal eben so den Jet gebucht.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Es ist ja nicht so, als dass die Überlegung "Privatjet buchen infolge Nichtbeförderung" nicht schon eine gewisse Historie in der deutschen Rechtsprechung und mit Blick auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB hätte:

Das Berufungsgericht durfte bei der Prüfung der Frage, inwieweit hier § 254 BGB anzuwenden ist, nicht allein auf dessen subjektive Vorstellungen abstellen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Geschäftsführer der Klägerin durch die Charterung des Flugzeuges die Sorgfalt außer acht gelassen hat, mit der ein verständiger Mensch handeln würde, um sich vor Schaden zu bewahren. § 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, daß derjenige, der die Sorgfalt außer acht läßt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruches hinnehmen muß (BGHZ 3, 46, 49 [BGH 03.07.1951 - I ZR 44/50]; 9, 316, 318 [BGH 29.04.1953 - VI ZR 63/52]; BGH NJW 1964, 1670, 1671 [BGH 16.04.1964 - III ZR 83/63]; Alff in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 254 Rdn. 15). § 254 ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH NJW 1972, 334, 335) [BGH 21.09.1971 - VI ZR 122/70].
[…]
Steht somit fest, daß - vom Standpunkt eines verständig handelnden Fluggastes - kein hinreichender Anlaß für den - im Verhältnis zum normalen Flugpreis außerordentlich teueren - Charterflug bestand, muß die Klägerin die entstandenen Kosten gemäß § 254 BGB selbst tragen. […]
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze muß die Klage angesichts des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts hier abgewiesen werden.

BGH NJW 1979, 495 f

Im Übrigen: OLG Frankfurt/M. TranspR 1992, 366, 367
 

Flying Lawyer

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
6.157
3.143
Die Passagiere haben ihr Reisebüro bemüht, dass parallel auch nach anderen Flügen recherchiert hat, die man per Taxi / Bahn noch rechtzeitig hätte erreichen können, die haben ja nicht einfach mal eben so den Jet gebucht.

Ich stimme Dir zu. Anspruch (+), §§ 280, 281 BGB. Keine Schadensminderungspflichten verletzt, alles versucht um billiger hinzukommen, geht nicht. Die Airline sogar auf das Risiko hingewiesen, vorbildlich. Ob der Termin wichtig war oder nicht, wäre mir persönlich in rechtlicher Hinsicht sogar egal. Der BGH hat das irgendwann meine ich mal anders gesehen. Da es aber hier so war, bin ich gespannt, wie die sich da rauswinden wollen :p
 

SWINE

Erfahrenes Mitglied
06.08.2016
1.150
302
Die Passagiere haben ihr Reisebüro bemüht, dass parallel auch nach anderen Flügen recherchiert hat, die man per Taxi / Bahn noch rechtzeitig hätte erreichen können, die haben ja nicht einfach mal eben so den Jet gebucht.

Das ist ja dann "perfekt" so hat man gleich noch Zeugen die die Bemühungen den Schaden ab zu wenden belegen können, so langsam hat die Klägerseite immer mehr Pluspunkte und die Beklagte immer mehr Minuspunkte.

Wobei ich es wahrscheinlicher halte, dass das Gericht mit einem Vergleich um die Ecke kommt der dann von beiden Seiten angenommen wird.
 

lance89

Erfahrenes Mitglied
28.01.2014
255
284
So kategorisch nicht. So hätte man durchaus auch einen anderen Linienflug nehmen können (was ja auch viele Airlines nicht gerne gewähren und dann erst vor Gericht zur Kostenerstattung verklagt werden müssen). hier gab es aber keinen Linienflug mehr der - das mag der Sonderfall hier sein - rechtzeitig das Ziel erreicht hätte.

Meine Idee war es noch, auf Hahn Air auszuweichen, das wäre auch happig teuer geworden, aber nur ein Bruchteil der nun angefallenen Kosten. Die hatten aber ihren Freitagsflug nach PMI coronabedingt gerade nicht im Programm.

Vielen Dank für deine Erklärung, ich bin gespannt wie das Gericht entscheiden wird.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Ob der Termin wichtig war oder nicht, wäre mir persönlich in rechtlicher Hinsicht sogar egal.
a.A.: der BGH (jedenfalls noch 1978), siehe oben. Der Senat setzt sich darin tatsächlich im Rahmen der Überlegungen von § 254 BGB damit auseinander, ob die Klägerin (eine Filmproduktion) an einer Geburtstagsfeier eines Regisseurs teilnehmen "musste", deren Filme sie produzierte und im Zuge derer das TV auch über Arbeiten an einem von der Klägerin produzierten TV berichten und Interviews mit deren Geschäftsführer (dem Pax) führen sollte.
 

xcirrusx

Erfahrenes Mitglied
16.10.2012
3.830
1.099
KUL (bye bye HAM)
Du kannst Dir ja auch keinen 6er-Träger Bier bestellen und bei Nichterfüllung den Preis eines 47er Cheval Blanc einklagen, weil Du gerade so durstig warst.

Das Beispiel ist zwar lustig gemeint, aber dahinter sieht man einen sehr wichtigen Punkt bzgl. des Vertragsverhaeltnisses zwischen Airline und Kunde. Die Airline nimmt sich in der Vertragsgestaltung heraus zu bestimmen das ausschliesslich ein Transportvertrag geschlossen wird, aber nicht feststeht mit welchem spezifischen Flugzeug, oder auf welchem Sitzplatz. Das macht operativ auch entsprechend Sinn!

Um bei deinem Beispiel zu bleiben, ich als Vertragspartner schliesse mit dir als Endkunde einen Vertrag, der besagt das du um 20 Uhr 2,3 Promille im Blut hast. Leider geht mir das Aldi Bier aus und du stehst da. Da du ein vertragliches Recht auf den Suff hast, bietest du an doch einfach einen Sechser Becks von der Tanke nebenan zu kaufen. Das lehne ich ab, weil meine Kalkulation sagt die Dose darf nicht mehr als 60 Cent kosten. Nach zwei Stunden Streit ist die naechste brauchbare Quelle Uschis Saunaclaub zwei Strassen weiter. Da du mitten in der Provinz bist, und jeder Supermarkt geschlossen ist, waere Uschis Bar die guenstigste Alternative die Vertragsbedingung dicht um 20 Uhr zu erfuellen. Leider kostet die Flasche Asti EUR 500.

Wichtig hierbei ist, die Airline garantiert dir nur die Befoerderung in der jeweiligen Reiseklasse zu einem fixen Zeitpunkt. Damit ergibt sich auch fuer den Kunden die Freiheit, unter Beruecksichtigung der Wirtschaftlichkeit, diese Erfuellung zu gestalten. Im Prozess wird die Gegenseite versuchen die Wirtschaftlichkeit in Frage zu stellen, indem man Alternativen aufzeigt die der Kunde haette nehmen koennen.

Vorhersage: sollten Alternativen vorhanden gewesen sein, wird das Gericht einen Vergleich vorschlagen (Fahrlaessigkeit seitens der Airline, da man nicht umbuchen wollte?). Wenn das Gericht der Meinung ist, das die Verhaeltnismaessigkeit gewahrt ist, wuerde ich als Airline einen aussergerichtlichen 100% Vergleich vorschlagen, um ein entsprechendes Urteil zu verhindern. Sonst sitzen naechste Woche 50 Insassen auf Mallorcafluegen in der Hoffnung das sie stehen gelassen werden.
 

kexbox

Erfahrenes Mitglied
04.02.2010
6.322
2.515
Neuss
www.drboese.de
Es ist ja nicht so, als dass die Überlegung "Privatjet buchen infolge Nichtbeförderung" nicht schon eine gewisse Historie in der deutschen Rechtsprechung und mit Blick auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB hätte:

BGH NJW 1979, 495 f7

Dann aber auch bitte die relevanten Passagen zitieren:
"Einem verständigen Menschen mußte sich im vorliegenden Fall - auch unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten der Filmbranche - aufdrängen, daß die Abwesenheit des Geschäftsführers der Kl. die geplante Fernsehsendung über das Werk des Regisseurs R nicht in Frage stellen konnte. Die vorgesehenen Aufnahmen, insbesondere der Bericht über die Arbeiten an dem gerade gedrehten Film, wurden davon nicht berührt. Damit war der von der Kl. angestrebte Werbeeffekt der Fernsehsendung auch ohne die Gegenwart von S gesichert. Dem geplanten Interview mit dem Geschäftsführer der Kl. kommt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu. Die Kl. hat nichts dafür dargetan, daß das Gespräch mit S nicht noch später hätte aufgenommen werden können. Im übrigen sollte der Fernsehfilm sich ja vor allem mit dem Filmschaffen des R befassen. Das Interview mit S konnte in diesem Zusammenhang nur von untergeordneter Bedeutung sein. Eine beachtliche Steigerung der Werbewirkung der Fernsehsendung war davon nicht zu erwarten. Auch die vorgesehene bayerische Brotzeit konnte den Einsatz eines Charterflugzeugs nicht rechtfertigen. Die Werbewirkung des Fernsehfilms für den von der Kl. produzierten Film hing nicht davon ab, ob im „Western-Milieu” eine bayerische Brotzeit gereicht wurde oder nicht."

Hier sollten die Passagiere nicht Statisten eines Fernsehbeitrages sein, sondern ein zeitkritisches Geschäft mit einem großen Volumen abschließen, was andernfalls vermutlich nicht gelungen wäre. Für diesen Umstand ist ein Branchenkenner als Zeuge benannt worden.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Dann aber auch bitte die relevanten Passagen zitieren:

Relevant für meinen Beitrag war, dass diese Diskussion (Anlass der Reise) gerade nicht irrelevant ist im Rahmen von § 254 BGB.

Die Rspr sieht sich bei der Frage des Mitverschuldens schon an, was Anlass der Reise ist, siehe auch OLG Frankfurt, Urt. v. 20.2.1997 - 1 U 126/95

Hier sollten die Passagiere nicht Statisten eines Fernsehbeitrages sein, sondern ein zeitkritisches Geschäft mit einem großen Volumen abschließen, was andernfalls vermutlich nicht gelungen wäre. Für diesen Umstand ist ein Branchenkenner als Zeuge benannt worden.

Wenn ich das nicht überlesen habe, bringst Du das - jedenfalls hier - erstmals vor.
 

thbe

Erfahrenes Mitglied
27.06.2013
9.146
9.378
Wichtig hierbei ist, die Airline garantiert dir nur die Befoerderung in der jeweiligen Reiseklasse zu einem fixen Zeitpunkt. Damit ergibt sich auch fuer den Kunden die Freiheit, unter Beruecksichtigung der Wirtschaftlichkeit, diese Erfuellung zu gestalten. Im Prozess wird die Gegenseite versuchen die Wirtschaftlichkeit in Frage zu stellen, indem man Alternativen aufzeigt die der Kunde haette nehmen koennen.

Vorhersage: sollten Alternativen vorhanden gewesen sein, wird das Gericht einen Vergleich vorschlagen (Fahrlaessigkeit seitens der Airline, da man nicht umbuchen wollte?). Wenn das Gericht der Meinung ist, das die Verhaeltnismaessigkeit gewahrt ist, wuerde ich als Airline einen aussergerichtlichen 100% Vergleich vorschlagen, um ein entsprechendes Urteil zu verhindern. Sonst sitzen naechste Woche 50 Insassen auf Mallorcafluegen in der Hoffnung das sie stehen gelassen werden.

Eine wichtige Frage ist, ob man vorher hätte wissen können, dass dieser Flug die letzte Möglichkeit war, pünktlich am Zielort zu sein. Bei wem ein Flug über Gedeih oder Verderb entscheidet, muss eben einen Flug früher nehmen oder gleich zum Charterjet greifen. Es gibt ja - wie gesagt - genügend Gründen ohne Verschulden von Irgendjemanden, die zum verspäteten Erreichen des Ziels führen können.

Dass irgendwelche Verkehrsmittel garantiert pünktlich ankommen, daran glaubt doch wohl niemand ernsthaft. Ich kenne auch keinen Dienstleister, der solche Garantien abgibt. Eine unbeschränkte Haftung halte ich da grundsätzlich für unverhältnismäßig.
 
  • Like
Reaktionen: xcirrusx

sweet

Erfahrenes Mitglied
25.02.2014
538
58
Nochmal: Wenn ich etwas verbindlich verkaufe, was ich nicht besitze (hier Sitzplatzkapazität), muß ich bereit sein, das zum später aktuellen Marktpreis einzudecken. Der kann viel teurer sein, wenn es entsprechend kurzfristig ist (wie in dem Extrembeispiel hier). Will ich das nicht, kann ich mich absichern (Gegengeschäft, Versicherung, Option etc.). Mache ich das nicht, dann schädige ich durch mein Verhalten meinen Vertragspartner. Letztendlich sogar vorsätzlich.

Sehe ich auch so.
Mit dem Überbuchen wird Geld gemacht. Das geht in der Mehrheit der Fälle gut und es gibt einige Pax, die no show sind.
Die Airline muss aber stets damit rechnen, dass es vorkommt, dass wirklich alle Pax erscheinen.

Und dann muss es nun mal ein Plan B geben: eine weitere Maschine, Umbuchung auf den nächsten Flieger,...
Gibt genügend Trip Reports, bei denen Pax ganz alleine auf einem Linienflugzeug waren.

Die Option C, wir lassen sie stehen um Kosten zu sparen, ist keine Option.
Wenn Airlines sich nicht an B) halten, müssen sie eben über Gerichtsverfahren daran erinnert werden, dass das so nicht geht und in den sauren Apfel beißen und die Ersatzbeförderung erstatten, ohne Limit.

In anderen Worten, die Airline hätte es selber sehr viel billiger haben können, wenn sie sich selber um die Umbuchung gekümmert hätte, haben sie nicht, dann müssen sie eben jetzt die Ersatzbef. ohne wenn und aber zahlen.
 

alinakl

Erfahrenes Mitglied
15.07.2016
4.070
1.562
Dass irgendwelche Verkehrsmittel garantiert pünktlich ankommen, daran glaubt doch wohl niemand ernsthaft. Ich kenne auch keinen Dienstleister, der solche Garantien abgibt. Eine unbeschränkte Haftung halte ich da grundsätzlich für unverhältnismäßig.

Hier ist doch aber wohl der Fall dass der gebuchte Flug ausfällt eingeplant worden, es scheint ja so gewesen zu sein, die Fluggesellschaft nicht handeln wollte obwohl sie dazu verpflichtet war.

Deine Argumentation funktioniert auch anders rum, kann ich dann meine zwei Wochen Sipadan beim Finanzamt (wenn ich eines hätte) als Geschäftskosten geltend machen, weil ich nur so garantieren konnte pünktlich zum Termin zu sein?
 

sweet

Erfahrenes Mitglied
25.02.2014
538
58
und zwar wäre es eigentlich den Reisenden möglich gewesen sich ein reguläres Flexticket für einen anderen oder den letzten Flug an diesem Tag zu kaufen?

Es scheint ja zwischen dem Zeitpunkt zu dem klar geworden ist dass es ein Problem geben könnte und der letzten Flugmöglichkeit am gleichen Tag doch eine gewisse Menge ein Zeit vergangen zu sein.

Ja eben nicht. Die Airline hat ja nicht beim checkin gesagt, sie werden zu 100% nicht mitfliegen können und wir buchen sie zu 100% nicht um.
Stattdessen war es standby, und die Airline hat erst nachdem die Alternativbefördernde Airline den checkin geschlossen hatte entschieden den Pax zu 100% nicht mitzunehmen.
Die Airline hat also noch weiter gepokert und gehofft, dass sich die Überbuchung von alleine auflöst, weil jemand doch noch no show macht oder ein bereits eingecheckter Passagier auf einmal am Gate grank wird oder so und sie die 2 standby Pax noch mitnehmen können.

Wenn du eine Ersatzbeförderung auf eigene Kosten kaufst bevor die Airline dir die Beförderung verweigert, nur aus der Annahme, dass es wahrscheinlich sei, dass du nicht mitgenommen wirst, bleibst du auf den Kosten selber sitzen, deshalb darfst du keine Ersatzbeförderung selber kaufen, bevor dir die Airline die Beförderung verweigert.
 

alinakl

Erfahrenes Mitglied
15.07.2016
4.070
1.562
Ja eben nicht. Die Airline hat ja nicht beim checkin gesagt, sie werden zu 100% nicht mitfliegen können und wir buchen sie zu 100% nicht um.
Stattdessen war es standby, und die Airline hat erst nachdem die Alternativbefördernde Airline den checkin geschlossen hatte entschieden den Pax zu 100% nicht mitzunehmen.
Die Airline hat also noch weiter gepokert und gehofft, dass sich die Überbuchung von alleine auflöst, weil jemand doch noch no show macht oder ein bereits eingecheckter Passagier auf einmal am Gate grank wird oder so und sie die 2 standby Pax noch mitnehmen können.

Wenn du eine Ersatzbeförderung auf eigene Kosten kaufst bevor die Airline dir die Beförderung verweigert, nur aus der Annahme, dass es wahrscheinlich sei, dass du nicht mitgenommen wirst, bleibst du auf den Kosten selber sitzen, deshalb darfst du keine Ersatzbeförderung selber kaufen, bevor dir die Airline die Beförderung verweigert.

Ja bleibt die Frage ob das Standby eben das Problem nennen wir es mal "ankündigt" und Handlungsbedarf beim Pax auslöst?