Frage ist aber dann genauso, muss ein Fluglotse die gleiche persönliche Verantwortung tragen, wie ein Fahrdienstleiter bei der DB, wie ein Hafenlotse im Hamburger Hafen oder wie ein Busfahrer auf der Autobahn? Damit fing doch die ganze Diskussion an und ich meine „ja“. Das persönliche Risiko ist eben so wie beim Arzt oder anderen Berufen mit einem solchen Gehalt finanziell abgefedert. Der Hafenlotse oder der Fahrdienstleiter wären froh, wenn sie ein solches Einkommen hätten und tragen ein vergleichbares Risiko. Darum verstehe ich die traurigen Kommentare über die armen Fluglotsen nicht.
Ich will dir weder dein wohl verdientes Gehalt oder deine Leistung als Anwalt madig machen. Mit Sicherheit fühlen sich die meisten Anwälte, ähnlich wie wsl. die meisten Berufsgruppen, zurecht nicht genug für ihre Leistung wertgeschätzt.
Aber deine Einschätzung zum Thema Verantwortung teile ich nicht. Jeden Tag dürfte es in Reisebussen auf deutschen Autobahnen ähnlich knappe riskante Situationen geben wie den Zwischenfall in ZRH. Da wird aber kein Busfahrer belangt, einfach weil niemand ihn vor Gericht zerrt.
Kein Fluglotse macht so einen Fehler freiwillig oder leichtfertig, und auch ohne die juristischen Folgen dürfte so ein Vorfall den betroffenen Lotsen mehr als genug zerrütten. Wenn ich mir die Unterschiede im Sicherheitsbewusstsein zwischen verschiedenen Airlines und Nationen anschaue, dann sind meines Empfindens nach dort die sichersten Bedingungen vorzufinden, wo man offen und ehrlich über einen Fehler reden kann und wo anerkannt wird, dass Fehler machen menschlich ist und früher oder später jedem passiert. Deswegen hat man in der Luftfahrt Prozesse und Systeme als Sicherheitsnetz etabliert, die diese Umstände anerkennen und versuchen, ihre Folgen so weit wie möglich zu verhindern. Und deshalb sollte bei einem Fehler nicht die Frage sein, wie denn der Fehlerverursachende zu bestrafen ist, sondern was man besser machen kann, um den Fehler in Zukunft zu vermeiden.
Sollte ein Lotse natürlich dauerhaft eine schlechte Arbeitsleistung zeigen und nicht bei der Sache sein, dann muss das natürlich unweigerlich und konsequent berufliche Folgen nach sich ziehen. Ich bin aber überzeugt, dass in Deutschland, Österreich, der Schweiz und allen anderen nordeuropäischen Ländern die Qualität der Selektion so gut ist, dass niemand dort sitzt, der per sé nicht die kognitiven Fähigkeiten oder das richtige Mindset zu seinem Job hat.
Der Unterschied zwischen im Gehalt zwischen einem Hafenlotsen, FDL und einem ATC dürfte übrigens hauptsächlich in der dritten räumlichen Dimension, der hektischeren und dynamischeren Arbeitsumgebung und (im Vgl. zum FDL) mit dem Umstand, dass halt ein Fluglotse bei mentaler Überlastung (Stichwort Task Saturation) nicht einfach die Notbremse ziehen und alle Flieger an den Siemens-Lufthaken hängen kann, begründet sein.
Um übrigens noch einmal einen Vergleich zwischen Piloten und Fluglotsen zu bemühen: Wenn man bedenkt, was für eine kleine Unaufmerksamkeit hier ausgereicht hat, um für eine ernsthaft kritische Situation zu sorgen, dann möchte man sich nicht ausmahlen, wie viele Piloten in dem Job gnadenlos scheitern würden. Allein wenn ich überlege, wie oft ich es schon erlebt habe, dass ein Flieger mit ausgefahrenen Klappen und Speedbrakes, blinkenden Strobes (und wsl. auch noch angeschaltetem Wetterradar) in die Position gerollt ist, weil die Cockpitcrew nach dem Touchdown mental schon im Feierabend war und keiner mehr die After Landing Procedures bedacht hat.
Ich will den betroffenen Crews da keinen Vorwurf machen, weil man sich vorstellen kann, warum und wieso es passiert ist, aber es führt einem doch ganz gut die unterschiedlichen Ansprüche an Aufmerksamkeit vor Augen.