Was man ganz sicher nicht und niemals machen sollte ist auf dem Immigrations-Formular ankreuzen, daß man zu touristischen Zwecken einreist. Das ist aber eine ganz andere Frage als die von Dr. Klöbner aufgeworfene.
Okay, letztendlich meinen wir dann alle das Gleiche. Dennoch würde ich VoA auch umgangssprachlich nicht als Touristenvisum bezeichnen, denn wie "xcirrusx" schon erwähnt hat, wird da auch bei VoA beim Grund der Einreise unterschieden. Und es könnten Neulinge auch durchaus so verstehen, dass es völlig unproblematisch ist auf dem Einreisformular "Tourismus" anzukreuzen oder sich gar nur ein Touri-Visum für China, Russland oder Indien zu besorgen. Was in aller Regel auch günstiger und unkomplizierter ist.
Ansonsten stimme ich dem Grundtenor hier zu. KLASSISCHE Geschäftsvisa, die man sich vorab beim Konsulat besorgt, sind als Kurier nice to have, allerdings nicht essentiell. Mit einem deutschen Pass kommt man schon in über 150 Länder visafrei bzw on arrival rein. Darüber hinaus sollte man sich auf jeden Fall ein ESTA für die USA machen, wird dieses verweigert (bspw. weil man mal im Iran war), sollte man über ein B1/B2-Visum nachdenken, denn speziell im süddeutschen Raum mit der ganzen Automobilindustrie führt als Kurier an den USA kein Weg vorbei. So hatte ich dieses Jahr zehn Aufträge bis zum Corona-Ausbruch, davon neun mit Endziel bzw. Umstieg in den Staaten. Also ESTA ist auf jeden Fall ein Gamechanger.
Hinzu kann man sich noch die ESTA-Äquivalente für Kanada, Australien und Neuseeland machen. Da kriegt man vielleicht nur 10 Anfragen aufs ganze Jahr hin, aber 1-2 Aufträgen ergeben sich daraus dann schon. Und dafür lohnt es sich die paar Minuten Zeit und paar Dollar zu investieren. Australiens eVisitor ist sogar komplett kostenlos.
China würde ich auch noch ganz weit oben ansiedeln. Ist aber nicht ganz günstig und man muss sich erstmal hocharbeiten. Desweiteren gibt's auch viele Broker, die TWOV für China machen. Was natürlich den Wert eines richtigen Visums senkt.
Mit deutlichen Abstand zu China kommt dann Indien. Ich hatte bis Corona ein halbes Jahr ein entsprechendes Geschäftsvisum, daraus haben sich dann in einem halben Jahr drei Aufträge und ein gutes Dutzend-Anfragen ergeben. Eine ordentliche Ausbeute. Trotz der geringen Kosten, hätte ich dieses wohl aber nicht verlängert. Die Aufträge sind alles andere als angenehm. Miese Flugzeiten, dreckige Flüghäfen und Lounges. Aber das Schlimmste ist die Bürokratie und der Zoll in Indien. Das man nach einem langen Flug nochmal mit 3-4 Stunden beim Zoll rechnen kann, ist eher die Regel als die Ausnahme.
Russland lohnt sich kaum. Kenne einige Kuriere mit Jahresvisum, die in dem Zeitraum nicht einen einzigen Auftrag dorthin hatten. Die wirtschaftlichen Verpflechtungen zwischen Russland und Deutschland gehen halt gen Null - bis auf Erdöl oder -gas, gibt es da nichts. Hin und wieder mal AOGs, Dokumente oder Stammzellen. Aber nichts womit man regelmäßig rechnen kann. Dazu gibt es auch sehr viel Konkurrenz durch russische Doppelstaatsbürger, die mit ihrem Pass direkt in die ganze GUS kommen.
Ein Nischenmarkt stellt Saudi-Arabien dar. Zwar auch kaum Aufträge, aber adafür kaum Angebot an Kurieren. Gibt wohl nur eine handvoll Kuriere in Europa mit Geschäftsvisum für KSA. Als Visumsinhaber hat man dann quasi schon ein Monopol und kann ordentliche Aufschläge auf den üblichen Tagessatz verlangen, die die horrenden Kosten (im kleinen vierstelligen Bereich) für ein Jahresvisum wieder einspielen.
Exoten wie Nigeria oder Angola kann man getrost vernachlässigen. Zwar gibt es da hin und wieder Anfragen für, aber in aller Regel werden dann afrikanischstämmige Europäer genommen mit Doppelpass. Gibt ja in Afrika ähnliche Konstrukte wie Schengen, wo man mit einem Reisepass gleich visafrei in eine ganze Region kommt.
Dann gibt es noch Fälle wie Oman oder Aserbaidschan, wo man - sollte es tatsächlich man zu einem Auftrag kommen - noch schnell ein Expressvisum beantragen.
Alles in allem, gibt es also nicht viele Business-Visa, die wirklich Sinn machen. Dennoch gilt bei all dem gesagten: Entsprechende Visa an das Portfolio des Brokers anpassen! Hat man einen Broker mit guten Kontakten zur Textilindustrie, dann sind Indien und Bangladesch natürlich ganz heiße Kandidaten. Hat man nur Automobil-Broker, dann macht Russland natürlich überhaupt keinen Sinn. Bei viel AOG und Stammzellen hingegen, kann sich ein Visum schon sehr lohnen. Am Besten sowas mit dem Broker des Vertrauens vorab besprechen: Habt ihr regelmäßig Anfragen in Land X? Fehlen euch dafür Leute oder ist die Kartei sowieso proppenvoll? Habe ich so mit Indien gehandhabt. Kam auch die Rückmeldung, dass der Broker regelmäßig was nach/ab Indien hat und dies durch Kontakte zu Zollbrokern und Speditionen in Chennai bündelt. Drei Tage nach Visumsausstellung kam auch schon die erste Anfrage und am Abend sass ich im Flieger nach MAA. Auch meine anderen Indien-Aufträge waren für diesen Broker und nach/ab Chennai. Von anderen Brokern hingegen habe ich nicht mal eine einzige Indien-Anfrage bekommen.