Vom Traumberuf zur Luftnummer

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htb

Erfahrenes Mitglied
10.10.2010
1.076
3
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Sind wir uns ehrlich, eine Pilotenausbildung ist jetzt kein Medizin- oder Physikstudium. Lassen wie mal die Kirche im Dorf, bei entsprechendem Angebot gehen nunmal die Löhne runter, das ist eben Marktwirtschaft und kein Geheimnis für Neueinsteiger.

Ist bei Physikern und Medizinern aber jetzt nicht anders.

Allerdings scheint es ja so, dass der Markt offensichtlich höhere Gehälter hergibt, die angehenden Piloten aufgrund ihrer besonderen Lage aber erpressbar sind. Entweder sie nehmen den Job bei Lufthansa zu unterdurchschnittlichen Konditionen an, oder sie bleiben arbeitslos. Die angehenden Piloten wurden von LH also offensichtlich verarscht.

HTB.
 

tarantula

Erfahrenes Mitglied
02.02.2011
2.386
1.555
Löhne
Nun, das ist Teil des Problems - die Lizenz mit der die Flugschüler Bremen verlassen ist im Flugbetrieb der Hansa zu gebrauchen und sonst nirgendwo. Die "gute Ausbildung" ist woanders völlig wertlos.

Dann fliegt man halt erst mal einige Jahre für den LH-Konzern und wechselt, sobald dieses möglich ist.
Ich kann mir nun beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses nicht möglich ist oder ein unüberwindbares Hindernis ist.
 
A

Anonym38428

Guest
Dann fliegt man halt erst mal einige Jahre für den LH-Konzern und wechselt, sobald dieses möglich ist.
Ich kann mir nun beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses nicht möglich ist oder ein unüberwindbares Hindernis ist.

Ich würde behaupten genau das würden die paar hundert NFF liebend gerne tun ;)
 

Bonbonpapier

Erfahrenes Mitglied
07.02.2013
690
26
Ich glaube, hier sind auf beiden Seiten Fehler begangen worden. Korrigiert meine inhaltlichen Fehler - beruht auf Hörensagen und entschuldigt meine Überspitzung.

LH hat sich über Jahrzehnte zur krönenden Spitze der (deutschen) Luftfahrt hochstilisiert und mit diesem Image gespielt und kokettiert. Die Einstellungstests wurden als "die härtesten" beschrieben, nur eine einmalige Chance für ab-initio-Einsteiger. Keiner wusste, wie ausgewählt wurde - was hinter verschlossenen Türen entschieden wurde. Nach was wird gesucht? Entscheidet der Nasenfaktor?
Wer es einmal geschafft hat und gesund bleibt, dem ist "der Himmel auf Erden" versprochen. Da eiferten Jünglinge ihren Kapitänsvätern nach und erhielten zum Einstand eine Breitling, die Aviatorbrille saß schon lange auf der Nase. Man bekommt bei Bestehen einen Job innerhalb von 5(?) Jahren im Konzern, wenn es bis dahin nicht klappt, darf man seinen ATPL nehmen und ohne Rückzahlung des Eigenanteils woanders hinwechseln.

Dann kam der MPL, dann wurden die Kosten erhöht, dann kam Germanwings, dann Eurowings, Jump, Wings, usw usf.
Die Bewerber gab es immer. Viele träumen davon, zu Fliegen. Und ich persönlich verstehe, dass viele die rosarote Brille aufhaben oder hatten. Haben sie vielleicht vertragliches überlesen, falsch verstanden, missachtet? Kann sein - sicher ein Fehler. Aber ich würde niemals sagen "Selber Schuld, so ist das Leben". Mir tut es leid, für all die, die nicht Kapitänskinder sind - sondern ganz einfach Flugbegeisterte - die ihren Traum am Boden sehen.

Ein Medizinstudent weiß spätestens nach einem Jahr, auf was er sich einlässt. Faktenwissen, Bürokratie, Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Jeder Kliniker kann davon ein Lied singen - die Theoretiker pfeifen drauf. Nachtdienste, schlechte Gehälter und nen Haufen voll Arbeit -> und trotzdem ist die Wartezeit zum WS 2015/2016 so hoch wie noch nie: 14 Wartesemester, so lange wie noch nie.
Es heißt, es herrscht ein Ärztemangel - jeder Mediziner mit Examen erhält einen Job, wie schlecht er auch sei. In 5 Jahren kann viel passieren - wer würde denen in dieser Zeit sagen "Selber Schuld, damit musst du rechnen?"
Der Unterschied ist, der Mediziner hat, egal was passiert, ein Examen in der Tasche - ich glaube, die Piloten haben gar nichts, wenn sie das Angebot der LH nicht annehmen. Und können auch nirgendswo anders hin, abseits der Luftfahrt.

Ich gebe zu, ich bewundere euch Piloten - aber mit euch möchte ich gerade nicht tauschen.
 
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MisterG

Stein-Papier-Schere Profi
02.01.2012
10.555
5
Wien
Aber es kann auch anders rum sein. Wie ich angefangen habe zu studieren gab es zwei Warnungen: Nicht Arzt und nicht Lehrer werden. Meine Studienkollegen, die dann doch Lehramt studiert haben, wurden dann teilweise ohne Abschluss mit Sonderverträgen direkt von der Uni wegengagiert, weil es plötzlich an Lehrern mangelte. Und aus der Ärzteschwemme wurde ebenfalls ein Ärztemangel.

Jetzt könnt ich sagen - ja, man hat gesagt geh nicht in die Hölle, deswegen habe ich nicht Medizin oder Lehramt studiert. Und dann war das doch der Himmel. Tu ich dir jetzt auch leid?
 

Bonbonpapier

Erfahrenes Mitglied
07.02.2013
690
26
Mitleid ist da der falsche Begriff vermutlich. Ich hab Empathie für alle, die ihren "Traum" - ob Pilot, Arzt, Lehramt oder Schauspieler - nicht verwirklichen können, aus welchen Gründen auch immer. Der Unterschied ist, dass manche von den o.g. Berufen mal mehr oder mal weniger aussichtsreich/zukunftssicher/risikoreich sind.
Natürlich sollte man im Idealfall eine vernünftige Entscheidung aufgrund der Umstände treffen, so wie du es auch gemacht hast (meide die Hölle) und es kam trotzdem anders. Und auch wenn du dich aus dem Bauch doch für die Hölle entschieden hättest - auch da hätte keine Häme übrig oder ein "Selbst schuld".
 
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flysurfer

Gründungsmitglied
Teammitglied
06.03.2009
26.000
36
www.vielfliegertreff.de
Es kommt in der Tat oft wie es kommt, und das ist nicht immer wie geplant oder versprochen.

In diesem Fall konnte man es freilich kommen sehen. Das hat hier auch so ziemlich jeder, der sich mit der Materie etwas beschäftigte.

Erinnern wir uns nur, wie etwa die Aua vor einigen Jahren ihr Pilotenproblem "gelöst" hat.
 

MisterG

Stein-Papier-Schere Profi
02.01.2012
10.555
5
Wien
Ich kann nur aus meinem persönlichen Freundeskreis folgendes beisteuern. Ein Freund wurde nach absolvierter Ausbildung auch nicht "übernommen" bzw. ihm wurden nur Sachen Angeboten, die ihm nicht zusagten. Also wählte er den Weg über diverse kleinere Fluggesellschaften (die Hälfte davon mittlerweile nicht mehr existent) zu entsprechenden Stunden zu kommen. Verdient hat er dabei fast nichts.

Dann hat er ein sehr gutes Angebot einer arabischen Airline angenommen. Lebt jetzt dort samt Familie, laut eigener Auskunft sehr gut, für ein halbes Jahr und dann ein halbes Jahr in AT. Er ist dort in sehr kurzer Zeit zum Kapitän (Langstrecke) aufgestiegen - ungefähr 3 x so schnell wie wenn er in AT/DE geblieben wäre. Und verdient heute deutlich mehr, als er selbst am oberen Ende der Fresskette in AT/DE verdienen würde.
 
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travelben

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
3.273
44
MUC
Und wenn Pilot werden ein Traum ist, dann setzt man ihn so um. Und steht nicht bockig mit verschränkten Armen da und hofft, dass andere es für einen richten werden.
 
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Bonbonpapier

Erfahrenes Mitglied
07.02.2013
690
26
Es kommt in der Tat oft wie es kommt, und das ist nicht immer wie geplant oder versprochen.

In diesem Fall konnte man es freilich kommen sehen. Das hat hier auch so ziemlich jeder, der sich mit der Materie etwas beschäftigte.

Erinnern wir uns nur, wie etwa die Aua vor einigen Jahren ihr Pilotenproblem "gelöst" hat.
Da habe ich als junges Mitglied dieses Forum einfach noch nicht den Zugang zu - da verstehe ich eure Sichtweise.
Magst du vll. in 2 halb-offtopic-Sätzen erklären, was bei der AUA ablief im Vergleich? Das würde mich interessieren.

@travelben und MisterG: Wie man sieht, kann dieses vorläufige "scheitern" auch zu späterem, großen Erfolg führen. Eine interessante Geschichte deines Freundes und ein tolles Beispiel.
 

MisterG

Stein-Papier-Schere Profi
02.01.2012
10.555
5
Wien
Es muss sich halt am Ende jeder die Frage stellen: Will ich mein Leben selbst leben oder lasse ich mein Leben von anderen leben!
 
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somkiat

Erfahrenes Mitglied
30.05.2013
5.705
4.122
Gummersbach
Na ja , die Verallgemeinerungen . Ich würde mal die überaus Selbstbewußten von der VC nicht in einen Topf mit denen werfen , denen mit einer halbwegs gut bezahlten Anstellung als Pilot schon gedient wäre . Von einer Lachnummer würde ich jedenfalls nicht gerne durch tropische Konvergenzzonen bzw über nicht existierende afrikanische Funkfeuer gegen einen Berg geflogen werden . Obwohl selbst dieses ja kaum schiefgeht was man so mitbekommt .
 

Luftikus

Megaposter
08.01.2010
22.158
7.744
irdisch
Da eine feste Anstellung auch bei der künftigen EW noch immer zum Leben reicht, kann ich das Gejammere grundsätzlich nicht verstehen. Wer nicht dorthin will, geht eben woanders hin oder macht was anderes. Das ist so, als ob ein junger Ingenieur-Berufsanfänger sagt, ich gehe aber nur zu Mercedes und keinesfalls zu Opel oder Ford.
 
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travelben

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
3.273
44
MUC
"Systemmanager eines kundenorientierten Dienstleistungsprodukts" vs. "Bezwinger der Schwerkraft"....

Da gehen Selbstbild und Fremdbild aber sehr weit auseinander...

(y)


Großartig auch:

"Als Pilot ist man schließlich - rein juristisch - nicht mehr als ein angelernter Hilfsarbeiter. Der Flugschein ist nur so etwas wie ein Führerschein."


:D
 
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Huey

Erfahrenes Mitglied
06.04.2009
4.484
-2
Ich bewerte die Leistung eines Piloten nicht danach, ob er mich von A nach B bringt. Ich bewerte die Leistung dann, wenn ihm auf den Weg von A nach B das System verlässt und er in dieser Situation die richtigen Entscheidungen trifft.

Als Einschränkung sei gesagt, vielen Abiturienten traue ich genau das nicht zu.
 
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travelben

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
3.273
44
MUC
Also im Prinzip wie bei mytaxi, wenn man nach der Fahrt aufgefordert wird mit Sternchen Fahrer und Auto zu bewerten.
 

MANAL

Erfahrenes Mitglied
29.05.2010
14.183
8.484
Dahoam
"Systemmanager eines kundenorientierten Dienstleistungsprodukts" vs. "Bezwinger der Schwerkraft"....

Da gehen Selbstbild und Fremdbild aber sehr weit auseinander...

(y)


Großartig auch:

"Als Pilot ist man schließlich - rein juristisch - nicht mehr als ein angelernter Hilfsarbeiter. Der Flugschein ist nur so etwas wie ein Führerschein."


:D

Ist aber alles Fakt, finde daher dieses Interview mit dem Flugpsychologen sehr gut. Der beschreibt die Sache wie es ist und sieht wie sich die Flugschüler/Piloten selber sehen.

Zwischen dem Wunschbild und der Realität klafft bei Piloten eine riesige Lücke. Und da ein Pilot aufgrund seiner Arbeit und seines Schichtplans auch häufig fast ausschließlich in seinen Kreisen verkehrt wird ihm tagtäglich dieses Wunschbild von den Kollegen bestätigt.
 

Luftikus

Megaposter
08.01.2010
22.158
7.744
irdisch
Die Frage ist, ob die Airlines dieses Bild nicht erst erzeugen? Zum Beispiel im Auswahlverfahren. Oder warum sie sich dort genau diese Leute auswählen und die dann durchlassen. Vielleicht müsste man wieder mehr Vollblut-Flieger nehmen, die notfalls auch einen Gleitflug hinkriegen oder einen Stall direkt erkennen und nicht so sehr Karrieristen und potenzielle Großverdiener, die dann sogar noch einen zweiten Job nebenher machen.
 

MANAL

Erfahrenes Mitglied
29.05.2010
14.183
8.484
Dahoam
Die Frage ist, ob die Airlines dieses Bild nicht erst erzeugen? Zum Beispiel im Auswahlverfahren. Oder warum sie sich dort genau diese Leute auswählen und die dann durchlassen. Vielleicht müsste man wieder mehr Vollblut-Flieger nehmen, die notfalls auch einen Gleitflug hinkriegen oder einen Stall direkt erkennen und nicht so sehr Karrieristen und potenzielle Großverdiener, die dann sogar noch einen zweiten Job nebenher machen.

Die Auswahl ist schon in Ordnung, von den Operations und dem fliegerischen Alltag her passt es ja bei LH, man fliegt sehr zuverlässig und sicher. Allerdings sind die "Auserwählten" im Alltag durch die Automatisierung ziemlich schnell unterfordert und gelangweilt. Aber was willst Du auch machen, wenn im Notfall nichts mehr funktioniert brauchst Du halt jemanden der was auf dem Kasten hat und nicht den überforderten knöpfchendrückenden Busfahrer.

Was bei Piloten Sinn machen würde wäre bei ihnen ein abgeschlossenes Studium oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in Bereichen die passend sind vorzuschreiben. Dann hätten sie auch nicht so ein Problem wenn sie nicht mehr fliegen können. Minimum ein Bachelor in Luft- und Raumfahrttechnik, damit wäre auch ein Teil der theoretischen Ausbildung schon erledigt.
 

Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
4.490
19
Farewell City
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Die Frage ist, ob die Airlines dieses Bild nicht erst erzeugen? Zum Beispiel im Auswahlverfahren. Oder warum sie sich dort genau diese Leute auswählen und die dann durchlassen.

"Airline" und "Pilotenchor" sind seit jeher als "unabhängige Teilsysteme" zu betrachten.

Piloten haben seit jeher innerhalb des Flugbetriebs dafür gesorgt, entsprechenden Einfluss geltend zu machen - und Strukturen geschaffen, die dies fördern.

Nicht zuletzt unter dem "Totschlagargument" Flightsafety konnte (kann) immer sehr viel durchgesetzt werden.

Einer Airline also heute im Rückblick eine wie auch immer geartetes Auswahlverfahren vorzuwerfen wäre also nicht ganz fair.

Ich will damit nicht sagen, dass der Piloteneinfluss gut oder schlecht war! Es ist nur eine Einschätzung der lage zu dem zitierten Statement.

Nach meiner Beobachtung ist die Integration der Piloten (und das betrifft insbesondere die Management Piloten) weltweit sehr unterschiedlich.

Ich erinnere mich an die Auslieferung des ersten A380 und die Taufe in Frankfurt - dort konnte man fast den Eindruck gewinnen, dass die Pilotencrew wichtiger war, als der anwesende Vorstand.

Wenn ich dagegen z.B. EK beobachte sind die Flottenchefs und FBLs sehr unauffällig - und dezent wenn es ans Repräsentieren geht.

Vielleicht ist das sehr überzeichnet - Understatement lässt sich ins Deutsche eben schlecht übersetzen.