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Meine Macke mag sein, daß ich bei Lufthansa davon ausging, daß ich einen vertrauenswürdigen Geschäftspartner vor mir habe.
Also bitte, Lufthansa ist eine Airline. Und welche große Airline verdient denn das Merkmal "vertrauenswürdig"? Da fällt mir jetzt wirklich keine ein, aber ich kenne natürlich auch nicht alle aus intensiver eigener Erfahrung. Aber grundsätzlich wissen wir doch, dass im Passagierverkehr überwiegend wenig bis nichts verdient wird, viele Marktteilnehmer sogar andauernd Verluste machen und viele auch die Segel streichen. Mit Redlichkeit kommen die Airlines da aus eigener Sicht nicht wirklich weiter, viele pfeifen aus dem letzten Loch, es wird mit harten Bandagen gekämpft. Nicht umsonst rät man ja Milliardären, die Millionäre werden wollen, zum Kauf einer Fluglinie.
Kundenveraschung gehört bei den allermeisten Airlines zum Geschäftsmodell. Der Massenmarkt ist höchst preissensitiv, alles ist online vergleichbar, also muss man durch die Hintertüre zu seinem Geld kommen. Doug Parker hat im November nicht umsonst erzählt, dass der gesamte Gewinn seiner Airline letztlich ziemlich genau die Höhe des Betrags hat, den US Air mit den neu eingeführten Gepäckgebühren erwirtschaftet. Und jeder guckt auf den anderen. Kaum führt einer eine neue Schikane ein und kommt damit durch, machen es alle anderen nach. Viele Airlines scheinen einen permanenten Überlebenskampf zu führen. Und wer ums Überleben kämpft hat andere Prioritäten und eine andere Wahrnehmung als führende Unternehmen, die mit sich und ihrem Markt im Reinen sind, die in Ruhe selbst gestalten und Qualitätsmaßstäbe setzen zu können, anstatt nur noch auf das zu reagieren, was die anderen gerade machen. Von einem Ertrinkenden zu erwarten, dass er aufrichtig, ehrlich, freundlich und hilfsbereit ist, ist doch etwas viel verlangt. Vielmehr ist doch eher zu erwarten, dass es so ziemlich alles tun wird, um nicht unterzugehen – auch Dinge, die normalerweise eher unmoralisch sind.
Die Airlinebranche ist wie eine Flotte Schiffbrüchiger. Die einen saufen bereits ab, andere sitzen noch in Rettungsbooten. Aber alle sehen sie um sich herum ständig den Untergang. Das schlägt den Schiffbrüchigen natürlich aufs Gemüt, eine gewisse Bunkermentalität macht sich breit: "Was sollen wir sonst machen, es geht schließlich um unser Überleben?" Wertesysteme, die in anderen Branchen zwischen Kunde und Anbieter gelten mögen, werden dann schnell als überflüssiger Ballast über Bord gekippt. Und natürlich orientieren sich alle an den Skrupellosesten, denen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht. Was die machen, machen alle anderen direkt nach.