Zinsen im Keller, Inflation recht hoch - Wie sichert ihr euer Vermögen?

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Wie ist Eure Einschätzung zum 'Gesundheitszustand' des EUR?

  • Der EUR wird in der EU noch sehr lange Bestand haben.

    Abstimmungen: 226 62,4%
  • Der EUR ist für mich klinisch tot und ich erwarte früher oder später eine Währungsreform.

    Abstimmungen: 83 22,9%
  • Sparen bzw. eine Flucht in Sachwerte ist für mich unausweichlich.

    Abstimmungen: 114 31,5%

  • Anzahl der Umfrageteilnehmer
    362
  • Diese Umfrage wird geschlossen: .

Minowa

Erfahrenes Mitglied
29.05.2011
2.758
752
DUS, NRT/HND
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Das liest sich super intellischlau. Wobei gegen Ende des Aufsatzes die Anglizismen und Fremdwörter etwas abfallen 😉

OT: Ich habe Hochachtung vor Menschen, die komplexe Zusammenhänge gut und allgemein verständlich erklären können. Mir gelingt das auch nicht immer, arbeite aber daran…
 
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longhaulgiant

Erfahrenes Mitglied
22.02.2015
8.070
5.957
Ich sehe das ganz anders als longhaulgiant.
Kann ich aus deinen weiteren Ausführungen nicht unbedingt herauslesen. Ich denke du sprichst hauptsächlich andere Dinge an. Das einzige wo wir wirklich unterschiedlicher Meinung sind ist bei der Priorität der Preisstabilität auf der EZB Agenda. Ansonsten teile ich viele der gemachten Aussagen.
Wir hatten einfach eine Serie von adversen Kostenschocks. Das kommt nicht so oft vor. Wenn die Zentralbank die Inflationswirkung der cost-push shocks offsetten will, geht das nur durch Herbeiführung einer herben Rezession. Und zwar nicht sofort, sondern ebenfalls nur mit Verzögerung. Denn, ich wiederhole, die kontemporären Effekte der Geldpolitik sind sehr begrenzt. "Monetary policy affects the economy with long and variable lags" ist ein geflügeltes Wort unter monetären Ökonomen und Geldpolitikern in der Praxis (geht zurück auf Milton Friedman).
Keine Frage, das war und ist so. Auch die Verzögerung der Wirkung ist erforscht und damit bekannt und welche Wirkungen damit einhergehen können. Das einzige was ich gerne anmerken würde ist, dass man genau deshalb eigentlich frühzeitig und sanft gegenhalten sollte. Hier hat man das nicht getan und muss nun die Zinsen schneller anheben. Genau so soll es eben nicht sein.
Ist es wirklich eine Rezession in 22/23 wert, um die Inflation runterzukriegen? Denn es bestehen sehr gute Chancen, dass die Inflation bis dahin von selbst zurück geht.
Das glaubte man auch als die Inflation anzog. Seriöse Prognosen dazu sind aus meiner Sicht unmöglich. Dafür ist im Moment einfach zu viel Dynamik im System.
Außerdem ist eine etwas höhere Kerninflation wünschenswert. Wir haben seit 2007 wiederholt gesehen (und im letzten Jahrhundert in Japan), dass der "zero lower bound" ein ernsthaftes Problem ist. Die Zinsen können eben nicht unter null Prozent (oder etwa minus 0,5 Prozent, wenn man die Kosten der Geldaufbewahrung berücksichtigt) fallen. Und aufgrund der rund um die Welt gesunkenen Realzinsen ist der zero lower bound eine ernste Bedrohung.
Ja, das ist völlig richtig. Deflation lähmt eine Wirtschaft. In diesen Sog will niemand hineingeraten…
Denn wir ganzen neuen Programme (PEPP, APP usw.) sind kein vollwertiger Ersatz für konventionelle Geldpolitik im Sinne von Offenmarktoperationen.
Die haben die aufgeblähte Bilanz der EZB überhaupt erst ermöglicht. Hier sind wir tatsächlich fundamental anderer Ansicht. Ich sage, dass diese Gelddruckerei irgendwann in die Preise gehen musste und jetzt ist es eben soweit. Aber da kommt es wohl darauf an welcher Denkschule man eher folgt.
Ich denke schon, dass die Geldpolitik ihre nach wie vor akkommondierende Ausrichtung aufgeben muss, wie sie das auch angekündigt hat. Aber ich bin der Meinung, dass diejenigen, die vor einer dauerhaften Inflation sprechen, falsch liegen.
Da bin ich mir nicht so sicher. Und was ist schon „dauerhaft“? Ich sage die Inflation wird uns in der einen oder anderen Form auch in den nächsten zwei bis drei Jahren erhalten bleiben.
Die Gründe für die Inflation und auch die etwas höhere Kerninflation (3,8%) liegen meiner Meinung nach überwiegend angebotsseitig.
Auch da bin ich erst einmal bei dir. Allerdings sehe ich es eher als Katalysator. Die Frage ist ja auch wann sich das wieder ändern soll. Der Wirtschaftsmotor der Welt (China) stottert (Lockdowns und keine Abkehr von zero covid am Horizont) und Russland wirft auch noch Sand ins Getriebe. Das kann in ein paar Monaten besser werden oder auch erst in Jahren.
Es ist nicht der Fall, dass mittel- und langfristige Inflationserwartungen bedrohlich hoch sind. Fakt ist etwa, dass das Survey of Professional Forecasters die Inflation für 2024 bei 1,9% sieht. Auch die Anleihespreads sind ein klares Indiz dafür, dass mittel- und langfristige Inflationserwartungen nahe dem Inflationsziel der EZB verankert sind.
Ich finde solche Umfragen immer toll. Genauso gut könnte man den Klub der Kaffeesatzleser befragen.
Da fällt mir doch direkt ein Zitat von Volker Pispers ein: „Die akademischen Kaffeesatzleser telefonieren mit den Glaskugelbesitzern. Und daraus erstellen die dann einen Index - mit einer Stelle hinterm Komma! Meine Damen und Herren: die halten uns doch für genauso blöd wie wir sind“. 🙂
 

Barry Egan

Erfahrenes Mitglied
12.01.2022
2.408
3.490
Das glaubte man auch als die Inflation anzog. Seriöse Prognosen dazu sind aus meiner Sicht unmöglich. Dafür ist im Moment einfach zu viel Dynamik im System.
Ich denke, es sind seriöse Prognosen möglich. Um erneut Friedman zu bemühen: Inflation is always and everywhere a monetary phenomenon.

Die EZB kontrolliert mittel- und langfristig die Inflationsrate. Und sie ist commited, ihr Inflationsziel zu erreichen. Dieser Quatsch um gallopierende Inflation, Lohn-/Preisspiralen usw. kommt heute noch in den Medien vor, obwohl es seit 30 Jahren veraltet ist.

Die EZB hat das richtige institutionelle Design und Verantwortliche, die sehr stark an das Inflationsziel glauben.

Die Chance, das wir eine Inflation wie in den 1970ern in den USA nochmals erleben, ist sehr niedrig. Das schreibt kein Geringerer als Ben Bernanke (eine Koryphäe der geldpolitischen Forschung und ex Fed Chairman) heute in der NY Times. Almost certainly not schreibt er. Dabei ist die Inflation in den USA aktuell höher als in DE. Aber er hat vollkommen recht. Inflation Targeting funktioniert und es gibt keine entkoppelten Inflationserwartungen. Nicht nur nach SPF, sondern auch anderen Metriken zu entnehmen (in den USA sogar ganz direkt am Spread zwischen nicht inflationsindexierten Treasury Bonds und TIPS, Treasury Inflation Protected Securities).

Ich halte mich für einen Experten, was Geldpolitik angeht, und ich bin betrübt über die Berichterstattung in den Medien. Selbst in Medien, die ich sonst schätze (wie die ARD) wird ziemlich viel Mist erzählt zur Inflation

Edit: Dieser Bernanke Artikel in der Times ist übrigens sehr gut. Was er zum know-how und der Macht der Fed sagt, würde ich sinngemäß auf die EZB übertragen. Link: https://www.nytimes.com/2022/06/14/opinion/inflation-stagflation-economy.html
 
Zuletzt bearbeitet:

Aladin

Erfahrenes Mitglied
03.03.2020
3.196
3.149
Chersonesus Cimbrica
Ich finde solche Umfragen immer toll. Genauso gut könnte man den Klub der Kaffeesatzleser befragen.
Da fällt mir doch direkt ein Zitat von Volker Pispers ein: „Die akademischen Kaffeesatzleser telefonieren mit den Glaskugelbesitzern. Und daraus erstellen die dann einen Index - mit einer Stelle hinterm Komma! Meine Damen und Herren: die halten uns doch für genauso blöd wie wir sind“.
Mit Volker Pispers werden die Fans von Milton Friedman und Ben Bernanke nicht viel anfangen können.
;)

Und nochmal Volker Pispers zum Thema:
Der Kapitalismus hat den Sieg davongetragen. Fragt sich nur: Wohin?
 

longhaulgiant

Erfahrenes Mitglied
22.02.2015
8.070
5.957
Die EZB kontrolliert mittel- und langfristig die Inflationsrate. Und sie ist commited, ihr Inflationsziel zu erreichen. Dieser Quatsch um gallopierende Inflation, Lohn-/Preisspiralen usw. kommt heute noch in den Medien vor, obwohl es seit 30 Jahren veraltet ist.

Die EZB hat das richtige institutionelle Design und Verantwortliche, die sehr stark an das Inflationsziel glauben.
Und genau da bin ich mir eben nicht so sicher. Mitte der 0er Jahre hätte ich dir da voll zugestimmt. Mittlerweile bin ich da äußerst skeptisch. Ich kann mir einfach schwer vorstellen, dass man die PIIGS oder gar gleich den ganzen Euro über die Klinge springen lässt - selbst wenn es notwendig wäre. Ich hoffe jedoch für uns alle, dass du recht behältst.
 

Piw

Erfahrenes Mitglied
15.10.2015
844
1.831
FRA
Ist es wirklich eine Rezession in 22/23 wert, um die Inflation runterzukriegen? Denn es bestehen sehr gute Chancen, dass die Inflation bis dahin von selbst zurück geht.

Wiederholt man nun gut seit einem Jahr. Passiert ist genau das Gegenteil und die Inflationsspirale dreht sich immer schneller. Ich sehe auch bei keinem der globalen, preistreibenden Faktoren so schnell eine Besserung in Sicht. Der Krieg wird nicht so schnell enden, der erwartete russische Blitzsieg ist nicht eingetreten, ganz im Gegenteil es bahnt sich so ein richtiger Stellungskrieg an, der durchaus Jahre dauern kann. Covid ist auch noch nicht durch, vor allem in China geht es jetzt erst los mit monatelangen Lockdowns, die sind gedanklich noch da wo Europa und die USA im Jahr 2020 war und im Westen hat das Umdenken 1-2 Jahre gedauert. Für so "schnell" halte ich die Chinesen nicht, zumal die total festgefahren in ihrem No-Covid-Kurs sind. Die globale Lieferkettenproblematik wird also noch länger andauern bzw. sich noch weiter verschärfen. Überhaupt ist die Globalisierung, die lange für stabile bzw. gar sinkende Produktionspreise gesorgt hat, erstmal am Ende der Fahnenstange angekommen. Aus deutscher Sicht ist man erst nach Polen/Tschechien gegangen, dann Rumänien/Bulgarien, zuletzt Westbalkan. Wohin demnächst? Ukraine/Russland, Nahost, Subsahara-Afrika? Fällt logischerweise alles flach, viele Flecken auf der Erde gibt es nicht mehr wo man noch günstig unter politisch stabilen Bedingungen produzieren kann- mal abgesehen davon, dass die Lieferketten dann auch immer länger und anfälliger werden. Und in den vorgenannten osteuropäischen Ländern, wo mittlerweile ein beträchtlicher Teil der deutschen Vorproduktion stattfindet, ist die Inflationsrate schon längst im zweistelligen Bereich angekommen - Tendenz weiter steigend! Auch das wird sich verzögert auf die Endverbraucherpreise hierzulande niederschlagen.

Wie schaut es national aus. Ist hier eine Besserung in Sicht? Auch eher unwahrscheinlich, denn steigende Löhne haben sich bisher noch gar nicht auf die Preise durchgeschlagen. Aber auch hier werden die AN nicht ewig stillhalten und zusehen wie ihre Löhne schmelzen, sondern immer lauter einen Inflationsausgleich fordern. Hinzu kommt das allgemeine Arbeitsmarktproblem, was sich mit dem Wegfall der Boomer noch verschärfen wird. Überhaupt stagniert seit der Finanzkrise die Produktivität in Deutschland, man hat es total verschlafen durch Investitionen günstiger und mehr zu produzieren, sondern hat vor allem auf den Faktor Mensch gesetzt und der Arbeitsmarkt hat alles absorbiert was nicht bei drei auf den Bäumen war. Aber auch hier ist nun mal irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht.

Das Einzige was bisschen Linderung schaffen könnte, ist dass der Corona-Nachholeffekt demnächst wieder rum sein dürfte. Die angehäuften Ersparnisse dürften dann doch wieder schneller ausgeben worden sein als sie aufgebaut wurden. Primär betrifft dieser Nachholeffekt aber Dienstleistungen: Reisen, Gastro, Freizeit, etc., also alles was verboten war und weniger Dinge des täglichen Bedarfs. Folglich werden sich Hotel- und Flugpreise auch wieder einpendeln - auch wenn auf deutlich höheren Niveau als noch vor Covid. Allerdings ist deren Einfluss auf die allgemeine Inflationsrate nun mal überschaubar.

Bleibt dann noch die EZB: Ich persönlich erwarte von ihr gar nichts mehr. Den Grundkonflikt zwischen geringverschuldeten Nordländern mit einer einkommensstarken, aber unvermögenden Bevölkerung, die eine hohe Inflationsrate sofort hart trifft und den hochverschuldeten Südländern mit einkommensschwacher, aber vermögender Bevölkerung, wo eine hohe Inflation prinzipiell sogar nützlich ist, wird man nicht auflösen können. Wahrscheinlich trifft man sich dann irgendwo in der Mitte und fünf Prozent werden die neuen zwei Prozent als Zielwert. Höchstwahrscheinlich werden wir uns also einfach alle an höhere Inflationsraten gewöhnen müssen.
 

PAXfips

Erfahrenes Mitglied
15.12.2016
1.936
403
HAM
Wenn die Effekte erst in 1-2 Jahren sichtbar sind, sollte man sich mal ueber die Prognoseguete der EZB, FED und der weiteren "Spezialisten" Gedanken machen.

Habe die Grafik gerade nicht zur Hand, aber seit 2 Jahren ist die Vorhersage immer "und ab jetzt geht CPI zurueck und ist in 6-12 Monaten wieder 'gut'" - wird
dann Quartalsweise widerlegt und die Prognose einfach "geschoben".

Das ist alles Blindflug.
 
Zuletzt bearbeitet:

Barry Egan

Erfahrenes Mitglied
12.01.2022
2.408
3.490
Mit Volker Pispers werden die Fans von Milton Friedman und Ben Bernanke nicht viel anfangen können.
;)

Und nochmal Volker Pispers zum Thema:
Der Kapitalismus hat den Sieg davongetragen. Fragt sich nur: Wohin?
Ich find deinen Beitrag ja gut

Das Traurige ist aber, dass manche Leute sich ernsthaft auf Ahnungslose wie Pispers berufen. Der hat null Erfahrung in Geldpolitik, Wirtschaftspolitik, in Ökonomie, Finance oder anderen einschlägigen Bereichen.

Aber solche Laien dürfen regelmäßig bei Maisberger, Plaßbeck, Will usw. mitdiskutiern.

Natürlich lebt die Demokratie davon, dass auch solche Leute zu Wort kommen. Aber warum nicht häufiger jemanden einladen, der fachlich was auf dem Kasten hat und entsprechende Berufserfahrung bei einer Zentralbank vorweisen kann oder auf den einschlägigen Konferenzen von CEPR, AEA, NBER usw. zu sehen ist.

Stattdessen tingelt diese Börse vor Acht Moderatorin von Talkshow zu Talkshow und verbreitet dort ihren geballten Unfug.
 
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longhaulgiant

Erfahrenes Mitglied
22.02.2015
8.070
5.957
Ich find deinen Beitrag ja gut

Das Traurige ist aber, dass manche Leute sich ernsthaft auf Ahnungslose wie Pispers berufen. Der hat null Erfahrung in Geldpolitik, Wirtschaftspolitik, in Ökonomie, Finance oder anderen einschlägigen Bereichen.
Einer der Sätze die zu Katastrophen führen: „uns kann das nicht passieren“. Die Geschichte ist voll von Beispielen falscher Einschätzungen durch Notenbanker und deren fatalen Auswirkungen. Man sollte angesichts dessen nicht so tun als wäre das eine unfehlbare Wissenschaft. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten einiges dazugelernt aber wir bewegen uns seit der Finanzkrise auch in unbekannten Gewässern. Ich teile deinen Optimismus, dass die EZB (oder andere Zentralbanken) schon wissen was sie tun und alles gut werden wird daher nicht so vollumfänglich.

Viel schlimmer als Pispers finde ich übrigens den hier immer wieder angeführten Krall und Konsorten. Traurig ist, dass die Leute auf solche Typen hören. Oder die Gold Bugs die den Zusammenbruch des Systems seit Jahrzehnten herbeischrei(b)en und dass das Gold (jetzt aber wirklich!) durch die Decke gehen wird.
 

juliuscaesar

Erfahrenes Mitglied
12.06.2014
16.657
14.035
FRA
Auch ein Hans Werner Sinn hat z.B. völlig falsch gelegen mit seinen Untergangs-Prophezeiungen bzgl. Griechenland, Target II usw.
 

Piw

Erfahrenes Mitglied
15.10.2015
844
1.831
FRA
Einer der Sätze die zu Katastrophen führen: „uns kann das nicht passieren“. Die Geschichte ist voll von Beispielen falscher Einschätzungen durch Notenbanker und deren fatalen Auswirkungen. Man sollte angesichts dessen nicht so tun als wäre das eine unfehlbare Wissenschaft. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten einiges dazugelernt aber wir bewegen uns seit der Finanzkrise auch in unbekannten Gewässern. Ich teile deinen Optimismus, dass die EZB (oder andere Zentralbanken) schon wissen was sie tun und alles gut werden wird daher nicht so vollumfänglich.

Zumal es wohl keine andere Wissenschaft gibt, wo es gefühlt jeder Generation einen radikalen Paradigmenwechsel gibt, wie bei den Wirtschaftswissenschaften. Meistens erfolgt das große Umdenken immer dann, wenn es mal wieder so richtig gekracht hat und der aktuelle wissenschaftliche Mainstream keinerlei Erklärung dafür hatte, was da eigentlich schief gegangen ist. Zuerst war die Neoklassik das Maß aller Dinge und meinte alles erklären und prognostizieren zu können, dann kam die Weltwirtschaftskrise und plötzlich war der Keynesianismus angesagt, zumindest bis er in die Stagflationsfalle getappt ist und nun war wieder eine radikale Angebotspolitik im Sinne des Trickle-Downs a la Reagan, Thatcher und Kohl der Weisheit letzter Schluss. Nur um wieder nach der Finanzkrise von einer exzessiven Nachfragepolitik, die sich nicht mal im Sinne von Keynes während der Boomphase bemühte wieder auf die Bremse zu drücken, abgelöst zu werden. Aber auch der MMT und dem Neukeynesianismus droht das gleiche Schicksal wie seinem geistigen Vorgänger und man ist wieder auf dem besten Weg in die Stagflation und der nächste Paradigmenwechsel kündigt sicher bereits an. Hat nur diesmal nicht mal eine Generation gedauert.
 

knusper

Erfahrenes Mitglied
27.02.2019
404
338
Sti
Einer der Sätze die zu Katastrophen führen: „uns kann das nicht passieren“. Die Geschichte ist voll von Beispielen falscher Einschätzungen durch Notenbanker und deren fatalen Auswirkungen. Man sollte angesichts dessen nicht so tun als wäre das eine unfehlbare Wissenschaft. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten einiges dazugelernt aber wir bewegen uns seit der Finanzkrise auch in unbekannten Gewässern. Ich teile deinen Optimismus, dass die EZB (oder andere Zentralbanken) schon wissen was sie tun und alles gut werden wird daher nicht so vollumfänglich.

Viel schlimmer als Pispers finde ich übrigens den hier immer wieder angeführten Krall und Konsorten. Traurig ist, dass die Leute auf solche Typen hören. Oder die Gold Bugs die den Zusammenbruch des Systems seit Jahrzehnten herbeischrei(b)en und dass das Gold (jetzt aber wirklich!) durch die Decke gehen wird.
Stimme zu.

Möchte allerdings einwerfen, dass Gold z.Z. sehr gut läuft und die Vola meines Portfolios im Zaum hält. Ich bin daher froh, trotz aller Unkenrufe, einen Teil meines Vermögens in Gold investiert zu haben.
 
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tripleseven777

Erfahrenes Mitglied
27.06.2016
4.060
3.428
DTM
Ich bin vor ca. 5 Jahren in Gold und Silber eingestiegen.
Die Edelmetalle sind ja lediglich eine Versicherung gegen das Unbekannte und eine Rendite sollte man sich da nicht unbedingt erhoffen.
In einer Stagflation könnten Gold und Silber aber gut performen. So war's zumindest in der Vergangenheit. Aber dies ist kein Beleg, dass es erneut so kommt. Aktuell profitiert man halt vom EUR/Dollar-Wechselkurs.
Wenn allerdings auch Tante Hildegard aus Zittau eines Tages bemerkt, dass da mit dem Fiat-Geldsystem 'was nicht stimmt und eine globale Überschuldung vorliegen könnte, wird das dem physischen Gold sicher nicht schaden. Ein paar Gramm lassen einen beruhigter schlafen. Außerdem kann man es anfassen, nachdem man es, z.B. aus dem Garten, wieder ausgebuddelt hat.
 
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longhaulgiant

Erfahrenes Mitglied
22.02.2015
8.070
5.957
Das sollte kein Plädoyer gegen Gold per se sein. Man kann sich das schon ins Portfolio legen. Als Versicherung. Mir gehts eher um so Figuren aus der Szene die Verschwörungstheorien anhängen und den Systemuntergang beschreien. Nächste Woche geht das System unter. Ganz sicher. Vielleicht auch schon morgen. Da werden dann Leserzuschriften von irgendwelchen Beobachtungen veröffentlicht und eine krude VT dazu gesponnen. Aktienkäufer werden als Klickaffen verunglimpft, etc. Zur Zeit der Finanzkrise habe ich da täglich reingeschaut und auf den großen Knall gewartet. Der kam aber nie. Wir waren ja bekanntermaßen (offiziell im Nachhinein zugegeben) zwei Mal kurz davor. Aber man hat damals die Bazooka rausgeholt und damit die Märkte wieder eingefangen.

Nachdem der Meltdown zum x-ten Mal „jetzt aber sicher“ kommen musste und offensichtlich war, dass wir aus dem schweren Fahrwasser raus waren, wurde es mir dann irgendwann zu doof. Ich schaue spaßeshalber ab und zu noch rein. Die verlinkten Artikel sind mitunter ganz interessant. Das Geschreibsel der Autoren und die Zuschriften entlocken mir allerdings nur noch ein mildes Lächeln oder Kopfschütteln 🙂
 
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tripleseven777

Erfahrenes Mitglied
27.06.2016
4.060
3.428
DTM
Ja, da gibt es einige Personen, die ich mir auch heute noch regelmäßig anschaue. Zuletzt habe ich ja für Ernst W. hier einen über den Deckel bekommen 🙈 Die Person ist aber auch sehr extrem eingestellt. Dennoch schauen wohl Abertausende seine Vorträge.
Wollen solche Gestalten wirklich nur Aufmerksamkeit erzeugen, Ängste schüren und Kapital, z.B. aus Buchverkäufen oder eben Vorträgen, schlagen?
Naja, mag sein.
Markus Krall halte ich, wie bereits mehrfach geschrieben, für gemäßigter.
Friedrich, Kettner & Co. propagieren da schon nahezu wöchentlich den Untergang. Kettner profitiert ja direkt durch Goldverkäufe. Die deutsche Angst lässt sich scheinbar sehr gut verkaufen.
Bei Mission Money schaue ich auch regelmäßig rein. Die bringen teils gute Inhalte. Andreas Beck z.B., betrachtet alles meist nüchtern, ruhig und sachlich.
 
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Barry Egan

Erfahrenes Mitglied
12.01.2022
2.408
3.490
Die Geschichte ist voll von Beispielen falscher Einschätzungen durch Notenbanker und deren fatalen Auswirkungen.
Die Zentralbanken haben sich krass gewandelt. Gute Geldpolitik ist möglich, wenn der institutionelle Rahmen stimmt wie bei BoE, EZB, Fed, Sveriges Riksbank usw.

Ich denke durchaus, Du hast insb. in Bezug auf die EZB schon ein gewisses Argument, dass hier zwischen mehrenen Zielen, die in Konflikt miteinander stehen, gewählt werden muss. Und man kann durchaus diskutieren, ob die Preisstabilität Vorrang hat, so wie ich es glaube. Die - ich würde sagen - handhabbaren Probleme der EZB liegen aber auch daran, dass die Eurozone keine optimum currency area ist.

Fed, BoE usw. haben es da einfacher. Inflationsbekämpfung ist kein Hexenwerk. Liquiditätsfallen (wie nach der Finanzkrise) mit Zinsen nahe Null und zu niedriger Inflation sind das schwerwiegendere Problem.

Wenn es zu Inflationen kommt, ist das fast immer schlechte Geldpolitik. Ich bin vollkommen überzeugt, dass aus den Inflationen des 19. und 20. Jahrhunderts die richtigen Lehren gezogen wurden. Bei Banken- und Finanzkrisen sieht es ein bisschen anders aus. Aber Bekämpfung von Inflation über Target in großen offenen Volkswirtschaften ist regelbasiert möglich ohne allzu große Komplexität. Wie gesagt, Zentralbanken haben da schwierigere Herausforderungen z.B. in Bezug auf sekundäre Ziele wie Outputstabilisierung oder in Bezug auf die Begrenzung der Volatilität der Zinssätze.

Gibt es weiter große Inflationen, sogar Hyperinflationen und große Währungskrisen rund um die Welt? Ja, aber es ist meistens sehr sehr offensichtlich sehr schlechte Geldpolitik. Zum Beispiel aufgrund mangelnder Unabhängigkeit wie in der Türkei. Oder aufgrund von monetärer Staatsfinanzierung wie in Zimbabwe.

Ich argumentiere natürlich ein wenig pointiert. De facto gibt es natürlich viele Detailfragen, die kompliziert sind und wo die Zentralbank durch geschicktes Agieren ihren Tradeoff ein wenig verbessern kann. Aber ich glaube fest, dass eine Stabilisierung der Kerninflation bei gut 2% auf Sicht von 2, 3 Jahren keine allzu große Schwierigkeit sein wird. In Währungsräumen mit "guten" Zentralbanken wie der BoC in Kanada, der Fed in der USA oder der EZB in Euroland wird es keine große Inflation geben.
 
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Barry Egan

Erfahrenes Mitglied
12.01.2022
2.408
3.490
Zumal es wohl keine andere Wissenschaft gibt, wo es gefühlt jeder Generation einen radikalen Paradigmenwechsel gibt, wie bei den Wirtschaftswissenschaften.
Die in den Zentralbanken vorherrschenden New Keynesian Models sind doch eine Kombination aus keynesianischen und neoklassischen Ideen. Diese dominieren min. seit den frühen 1990ern und sind jetzt keine allzu krasse Abkehr von den neoklassisch inspirierten Modellen, die ein RBC oder overlapping-gen Modell um Geld erweitern a la money-in-utility oder cash-in-advance.

Dieser VWLer Witz von "drei Volkswirte in einem Raum und vier Meinungen" ist wirklich eine Übertreibung gerade in Bezug auf die Geldpolitik, wo die New Keynesian Ansätze sehr stark die Überhand haben. Reiner Klassiker/Neoklassiker oder Österreicher auf der einen Seite oder Keynesianer oder Postkeynesianer auf der anderen Seite ist unter Central Bankern und Ökonomen wirklich niemand. Es gibt extrem große Einigkeit darüber, dass Modelle mikrofundiert sein müssen und dass es relevante Friktionen in der Volkswirtschaft gibt, die ebenfalls mikrofundiert werden müssen. Also weder ursprünglicher Keynesianismus noch eine Vorstellung einer vollkommenen Volkswirtschaft.
 

tripleseven777

Erfahrenes Mitglied
27.06.2016
4.060
3.428
DTM
Goldpreis: 1708,78 US$ je 31,1g Feinunze
Silberpreis: 18,327 US$ je 31,1g Feinunze

Dies macht ein Gold-Silber-Ratio von aktuell ca. 1:93

Am gestrigen 14.07. war Silber teils mit über 5% im Minus.
Interessant war zu beobachten, dass die Händler mit den Aufgeldern für Silber kaum einen Cent runtergingen.
Man muss mindestens 20% über dem Spotpreis auf den Tisch legen, wenn man Silber physisch erwerben möchte.

Ich werde einen Blick auf die größeren Gold- und Silber-Minen-Aktien werfen. Da gibt's wenigstens keine 7%-Differenzbesteuerung oder Aufgelder.
 

longhaulgiant

Erfahrenes Mitglied
22.02.2015
8.070
5.957
Dies macht ein Gold-Silber-Ratio von aktuell ca. 1:93

Interessant war zu beobachten, dass die Händler mit den Aufgeldern für Silber kaum einen Cent runtergingen.
Man muss mindestens 20% über dem Spotpreis auf den Tisch legen, wenn man Silber physisch erwerben möchte.
Als jemand der nicht (mehr) so tief in der Materie ist: welches Gold-Silber Ratio wäre denn „gesund“?

Ansonsten bleibt nur zu sagen, dass die Händler sehr wohl in der Lage sind einzuschätzen wie die echte Nachfragesituation sich darstellt. Wenn denen täglich die Bude eingerannt wird und die Versorgung nicht 100% flutscht dann werden die sich hüten die Preise runterzunehmen.
Die Preisdrückerei bei den Edelmetallen ist ja schon länger wissenschaftlich dokumentiert. Das sind Interessenskartelle die, zumindest aus meiner Sicht, illegal operieren. Ob man ihnen nur nichts nachweisen kann oder ob es den Behörden sogar recht ist, dass die das tun, darüber kann man nur spekulieren.
 
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tripleseven777

Erfahrenes Mitglied
27.06.2016
4.060
3.428
DTM
Als jemand der nicht (mehr) so tief in der Materie ist: welches Gold-Silber Ratio wäre denn „gesund“?
Das ist eine gute Frage, die ich dir auch nicht genau beantworten kann.
1:93 ist vermutlich etwas zu hoch. Die Region um etwa 1:80 würde ich als Durchschnitt betrachten.
Ein paar Daten zum Ratio liefert folgende Chart.

Interessant finde ich auch die Edelmetall-Einschätzungen vom YouTube-Kanal "AUSIS Gold & Silber Minen" -
Mal schauen wie sich alles so weiter entwickeln wird.
Bei ETFs, Bitcoin bzw. Ethereum halte ich jedenfalls seit ca. 02/2022 die Füße still.
 
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Piw

Erfahrenes Mitglied
15.10.2015
844
1.831
FRA
Als jemand der nicht (mehr) so tief in der Materie ist: welches Gold-Silber Ratio wäre denn „gesund“?

Historisch war lange Zeit eine Ratio von 1:20-30 üblich. Während der Lateinischen Münzunion bspw. entsprach ein Vreneli (20 Franken) 6,45 Gramm 900er Gold dafür hätte man 100 Gramm 900er Silber in Form von 4 x 5 Frankenstücken tauschen können. Ratio also etwa 1:15. Ob das nun gesund ist, weiß ich nicht. Aber die momentanen Preise sind schon außergewöhnlich. Mir schwebt da noch so als Faustregel 1 Gramm Gold = 1 Unze Silber im Kopf. Als ich meine ersten Silber- und Goldunzen Anno 2007/2008 gekauft habe da ging es noch grob auf. Silber war etwa bei 13-15€. Mit Prägeaufschlag also für 16-18€ zu haben und die Goldunze irgendwo zwischen 500-600€.

Interessant wäre ja noch ein Vergleich von Gold-/Silberpreis versus Medianmonatslohn. Vielleicht hat ja hier jemand Zahlen.
 

ThoPBe

Erfahrenes Mitglied
16.09.2018
2.470
2.448
Inflation im Euroraum nunmehr bei 8.65%. Tendenz steigend. In Deutschland wird sie wohl deutlich drüber liegen; warten wir mal die Zahlen nächste Woche ab.
 
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tripleseven777

Erfahrenes Mitglied
27.06.2016
4.060
3.428
DTM
Inflation im Euroraum nunmehr bei 8.65%. Tendenz steigend. In Deutschland wird sie wohl deutlich drüber liegen; warten wir mal die Zahlen nächste Woche ab.
EZB in Frankfurt am Main:
ezb-european-central-bank.gif
 

juliuscaesar

Erfahrenes Mitglied
12.06.2014
16.657
14.035
FRA
Echtes „Helikoptergeld“ kommt in der Theorie bei vielen Menschen parallel an. Das sehe ich so bei den Instrumenten der EZB nicht…