Nicht Virologen oder sonstige Wissenschaftler bestimmen; es bestimmen die Regierungen und die Gesetzgeber. Formulierungen wie die obige suggerieren oder äußern z.T. ganz offen, dass Virologen (oder auch andere Wissenschaftler, einschließlich Ökonomen) eine politische Agenda hätten. Letztlich können Wissenschaftler lediglich Zusammenhänge erklären, Vorhersagen machen (mit all den Unwägbarkeiten, Ungenauigkeiten und Fehlern, die dabei bestehen) und Konsequenzen und Risiken aufzeigen. Die Abwägung und Entscheidung liegen bei der Politik und bei jedem einzelnen Bürger (was sein individuelles Verhalten angeht; schließlich ist nicht alles, was erlaubt ist, auch ratsam). Und wenn "die Politiker" bei ihren Entscheidungen wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen ("auf die Wissenschaft hören"), ist das ja kein Fehler, heißt aber nicht, dass "die Wissenschaft" bestimmte; umgekehrt hätten wir ein Problem (was in manchen Ländern ja auch der Fall ist), genauso hätten wir ein Problem, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse und wissenschaftlicher, insbesondere naturwissenschaftlicher Diskurs sich an Maßstäben einer politischen Opportunität ausrichtete (gab's in der Geschichte auch schon öfters, sowohl im Mittelalter als auch im 20. Jahrhundert). Manchmal hat man geradezu den Eindruck, dass "die Virologen" als Buhmänner (oder meinetwegen auch -frauen) für die negativen Auswirkungen, die mit der Epidemie einhergehen, herhalten müssen. Offenbar brauchen eine nicht unerhebliche Anzahl an Menschen einen Sündenbock für Leid, das sie erfahren oder empfinden oder beobachten. Ich habe in den letzten Wochen bei vielen öffentlichen Äußerungen den Eindruck bekommen, dass für manche Menschen das Konzept von Objektivität (was keineswegs Unfehlbarkeit bedeutet) fremd ist. Ein Virus (und damit die Pandemie bzw. naturwissenschaftliche Phänomene generell) interessiert sich nicht dafür, wer den besten Fernsehauftritt liefert, die eloquenteste Rede hält oder die meisten Leute auf "sozialen" oder sonstigen Medien in seinen Bann zieht. Vielleicht werden ja auch Meteorologen für schlechtes Wetter angegriffen...
Vielleicht einfach mal in Ruhe darüber nachdenken vor solchen (hoffentlich nur unbedarften) Äußerungen und Formulierungen.
Im übrigen ist Wirtschafts- und Gesundheitsschutz kein Widerspruch; denn die Wirtschaft, gerade die Freizeitindustrie, wird nicht florieren, solange die Konsumenten ein ständiges hohes Infektionsrisiko fürchten (müssen). Das heißt auch ausdrücklich nicht, dass man sich über die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen oder das beste Maß nicht sowohl wissenschaftlich als auch politisch streiten darf und muss.