Teil 2: Der Bord-Betriebsrat der Austrian Airlines (AUA) warnt vor dem Betriebsübergang auf die Regionaltochter Tyrolean. Im schlimmsten Fall könnte das die Fluglinie bis zu 280 Mio. Euro kosten und keinen Cent bringen. „Es könnte auch mehr werden“, so Betriebsratschef Karl Minhard, der den Vorstand von einer Verhandlungslösung überzeugen will. „Seit gestern gibt es zwei Wege, das Unternehmen zu sanieren“, sagte Minhard am Dienstag in einer Pressekonferenz. Bis 27. Mai bleibe noch Zeit für eine Einigung. Der Betriebsrat schlägt ein von der Belegschaft abgesegnetes Papier für einen AUA-Spar-Kollektivvertrag vor.
Durch den Zwangsumstieg auf den Tyrolean-Flugbetrieb entstünden massive Kosten: 100 bis 200 weitere Piloten und hunderte Flugbegleiter könnten das Unternehmen samt Abfertigung verlassen, befürchtet Minhard. Die AUA müsste Flugzeuge und Crews von Swiss und Lufthansa anmieten. Kurzum: Zusammenführungen von Flugbetrieben seien noch nie gut gegangen. Während dem Merger von Swiss und Crossair habe es zwei Unfälle gegeben, so Minhard. Der Anwalt der Betriebsrates, Roland Gerlach, ergänzt: „Der Betriebsübergang bringt genau null“. Es gebe keine Einsparungen, denn die AUA-Belegschaft unterliege auch nach dem 30. Juni dem AUA-Kollektivvertrag, weil dieser nachwirke, so Gerlach‘s Rechtsansicht.
Dass die AUA statt den gekündigten KVs von AUA und Tyrolean nun Unternehmensrichtlinien einführen wolle, ist laut Gerlach nicht möglich: „Sonst würde das jedes Unternehmen machen.“ Das Management gehe mit diesem Plan ein juristisches Risiko ein. Und Rechtsrisiko heißt, Rückstellungen bilden zu müssen. Laut Gerlach kann der Betriebsübergang jederzeit gestoppt werden. Auch der 1. Juli „ist nicht in Stein gemeißelt“, den Druck macht sich nur der Vorstand, so der Anwalt der Personalvertreter.
Die Piloten und Flugbegleiter haben bis gestern über ein vom Betriebsrat einseitig geändertes Papier abgestimmt. Die überwiegende Mehrheit, 96,4 Prozent, habe bei einer Wahlbeteiligung von fast 90 Prozent mit „Ja“ gestimmt, sagte Minhard heute. Damit gebe es Rechtssicherheit für das Paket. Der Vorstand hat die Belegschaftsvertreter mit dem Verweis auf Mehrkosten von 60 Mio. Euro bereits vor der Abstimmung abblitzen lassen. „Dieses Paket kostet keinen Groschen mehr“, kontert Minhard. Der Grund: Weitere Rückstellungen sollen im Vergleich zum ersten Paket aufgelöst werden. Der Betriebsrats-Vorschlag ist übrigens nicht verhandelbar. Minhard: „Was auch immer wir ändern, müssen wir abstimmen lassen.“
Der Betriebsrat will in den nächsten Tagen Gespräche mit dem Vorstand führen. Das Angebot beinhalte jährliche Einsparungen von 40 Mio. Euro. Das fliegende Personal sei bereit, auf 28 Prozent der jährlichen Lohnkosten von aktuell 141 Mio. Euro zu verzichten. Im Gegenzug wollen die Piloten und Flugbegleiter 160 Mio. Euro aus den Pensions- und Abfertigungsansprüchen bar auf die Hand. Pro Pilot wären das bis zu 450.000 Euro, bei Flugbegleitern zwischen 20.000 und 100.000 Euro. In Summe wären es 45 Prozent der Gesamtansprüche von 350 Mio. Euro. Laut Betriebsrat könnte die AUA damit insgesamt 230 Mio. Euro an Rückstellungen in Eigenkapital umwandeln.
In der Pressekonferenz listete der Betriebsrat die Vorteile des Pakets und die Nachteile des Betriebsübergangs auf: Die gegenseitigen Neidereien zwischen den beiden AUA-Kollektivverträgen „KV-neu“ und KV-alt“ wären beendet und die Kündigungswelle, mit der der Betriebsrat ab nächster Woche rechnet, könnte verhindert werden. Außerdem könne auch ein Konzern-KV, über den parallel verhandelt wird, nur auf einer bestehenden Lösung basieren.
Dem AUA-Vorstandschef Jaan Albrecht richtete Minhard aus, nicht mit 100 Geschäftspartnern zu sprechen, wie Albrecht immer zu sagen pflegte, sondern mit 101. Albrecht solle die Pensionisten überzeugen, dass auch bei ihnen Einsparungen notwendig sind, so Minhard.
Einen Streik schließt Minhard weiterhin dezidiert aus. Auch habe es letztes Wochenende nur eine „handvoll unfit-to-fly-Meldungen“ gegeben. Die Anzahl der Krankenstände sei nicht von normalen Tagen abgewichen. Die Ursache der 24 Flugausfälle liegt laut Minhard an Fehlplanungen und Piloten-Umschulungen. Für die sommerliche Hochsaison bezweifelt Minhard allerdings, dass das Flugprogramm wegen der Abgänge aufrechterhalten werden kann.
Bis Ende Mai müssen sich die Mitarbeiter entscheiden, ob sie bleiben oder die AUA verlassen. Der Anwalt des Betriebsrates, Roland Gerlach, hat eine Beratungshotline eingerichtet. Er geht davon aus, dass die meisten bis zum Schluss abwarten und erst am 27. oder 28. Mai entscheiden. Minhard selbst spielt ebenfalls mit dem Gedanken, die AUA zu verlassen. Er will die nächsten Tage noch abwarten, tendiert zwar dazu der AUA treu zu bleiben, aber: „Ich behalte mir das Recht vor, zu gehen.“ Seine Betriebsratskollegen Andrea Lichal und Wolfgang Widmann legten sich auch noch nicht fest. Widmann spielte allerdings auf Airlines aus Asien und dem arabischen Golf an: „Ich habe keine Lust mit Stäbchen zu essen oder in der Wüste sandzuspielen.“
Und Teil 3:
AUA-Betriebsrat: Klage gegen Betriebsübergang könnte beim EuGH landen
Streit um Pensionsabfindungen entscheidet über Kosten für den Betriebsübergang
Der Betriebsrat der Austrian Airlines (AUA) könnte die Fluggesellschaft im Rahmen des Gehaltsstreits mit weiteren Klagen eindecken. Falls der AUA-Vorstand den Betriebsübergang auf die Regionaltochter Tyrolean durchzieht, könnte der Fall auch beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen, sagte der Anwalt des Bordbetriebsrats, Roland Gerlach, am Dienstag in einer Pressekonferenz in Wien.
Der AUA-Betriebsübergang bedeutet, dass die Piloten und Flugbegleiter der AUA in den Flugbetrieb von Tyrolean wechseln müssen. Solche Betriebsübergange sind im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) geregelt. Wie Gerlach erklärte, kann die Belegschaft widersprechen, wenn sich die Arbeitsbedingungen durch den Betriebsübergang „drastisch verschlechtern“. Laut Gerlach ist dieses Widerspruchsrecht in Österreich allerdings „zahnlos“ umgesetzt. Ein österreichisches Gericht könnte daher den EuGH anrufen, ob die EU-Richtlinie zum AVRAG korrekt implementiert wurde.
Die verschiedenen Rechtsansichten von AUA-Vorstand und Betriebsrat sind auch der Grund, warum die geschätzten Kosten für den Betriebsübergang derart auseinanderklaffen. Das Management rechnet mit 160 Mio. Euro, der Betriebsrat mit rund 280 Mio. Euro, also 120 Mio. Euro mehr. Zusätzlich zu den Abfertigungen, die nach Vorstandsrechnung etwa 85 Mio. Euro ausmachen dürften, ist der Betriebsrat der rechtlichen Meinung, dass die Fluggesellschaft alle rückgestellten Pensionsnachzahlungen (defined benefit obligations) in voller Höhe abzufinden hat. Laut Gerlach sind das 120 bis 130 Mio. Euro.
Rechtlich strittig ist auch, ob die gekündigten Kollektivverträge von AUA und Tyrolean nachwirken und ob die Vorstände statt der Kollektivverträge eine Unternehmensrichtlinie anwenden darf. Nach Gerlachs Rechtsansicht ist das nicht möglich, „sonst würde das jedes Unternehmen machen“.
Bisher hat der Bordbetriebsrat fünf Klagen am Landesgericht Korneuburg eingereicht. Das sind Verfahren erster Instanz. Gerlach geht von einer Gesamt-Prozessdauer von 18 bis 24 Monaten aus.