Geburtstag, Teil 

Nahe der Eingangstür wartete eine Stewardess auf mich. "2A", sagte ich ihr. "Nach links", war die Antwort. Ich ging durch die noch leere Geschäftsreiseklasse zu meinem Platz in der vorderen Kabine. Und hier war sie, meine Geburtstagsfee
"Alles Gute zum Geburtstag, Herr cockpitvisit", sagte sie. "Eine Geburtstagstorte ließ sich so kurzfristig leider nicht mehr organisieren, aber hier ist etwas Süßes für Sie" - und legte eine kleine Packung Pralinen auf meinen Sitz. Auch gab's eine LED-Geburtstagskerze, Rosenblätter und zwei Geschenke - einen Lufthansa-Trinkbecher und einen Kugelschreiber.
In der F waren 4 Paxe. Ich war auf 2A. Die zwei Paxe, mit denen ich aus dem FCT kam und die gemeinsam reisten, waren auf 1K und 2K. Und offenbar ein richtiger erstklassiger Vielflieger war in 1A, der noch vor uns an Bord kam und sich danach kaum bemerkbar machte. Nach der Ankunft rannte er zur Immigration noch bevor der PA da war.
"Was möchten Sie trinken?" Zur Auswahl standen Champagner, Avionic und noch ein Getränk, das hier unerwähnt bleibt. "Champagner, bitte!" Die FB hat mir ein Amenity Kit gegeben, nach meiner Pyjama-Größe gefragt und mir meinen Pyjama gebracht. Auch bekam ich einen Internet-Gutschein und die Speisekarten.
"Kann ich noch etwas für Sie tun?", fragte sie. "Können Sie vielleicht ein Foto von mir in diesem wunderschönen Sitz machen?"
Sie machte ein paar Fotos von mir mit meinem Handy. Und dann passierte etwas Unglaubliches.
@pumuckel möge jetzt bitte zwei Beruhigungspillen einnehmen und einwirken lassen!
Nachdem sie die Fotos gemacht hat, hat sie mein Handy auf die Selfie-Kamera umgeschaltet und hat mit meinem Handy ein Selfie von sich selbst mit mir im Hintergrund gemacht!!
An dieser Stelle platzte ich beinahe vor Vorfreude. Es war klar, dass mir ein herausragendes Flugerlebnis bevorstand, nicht nur in einem tollen Sitz und mit leckerem Essen, sondern auch mit einer geilen Crew, die total Spaß ausstrahlte!
Ich habe die Fotos meinem besten Kindheitsfreund geschickt, er fragte gleich, ob Erstklässler nicht auch ins Cockpit dürfen. Hmmm, eine gute Idee. Die Cockpittür war noch offen.
Ich fragte gleich meine Geburtstagsfee, ob ich vor dem Start kurz ins Cockpit reinschauen dürfte. Sie verschwand sofort im Cockpit und hat mich eine Minute später herangewunken. Ich nahm auf dem Jumpseat Platz, beide Piloten haben mir herzlich zum Geburtstag gratuliert. Sie haben auf irgendeine Freigabe gewartet und so konnten wir ein paar Minuten lang plaudern, über Treibstofftanks und -pumpen, über Parkbremsen, über den Kerosinverbrauch. Die Maschine war leer und sehr leicht, mit wenigen Paxen und kaum Fracht. A346-Piloten werden auf den A350 umgeschult. Am Ende habe ich mich für den Cockpitbesuch bedankt und bin auf meinen Platz zurückgekehrt.
Wir sind von der Startbahn 18 Richtung Süden gestartet. Als die FB wieder rauskam, bat ich um ein Glas Champagner, wollte vor dem Essen aber noch eine Stunde Schlafen. Ich hatte nämlich noch gar keinen Hunger.
Die FB hat sich an dieser Stelle auch meine Essensauswahl notiert. So macht man es, liebe Swiss, und nicht in der Eile vor dem Start!
Vor dem Schlafen habe ich einen Rundgang durch das Flugzeug unternommen. Mein Ziel waren zunächst die Toiletten der Economy Class im Unterdeck - ein Alleinstellungsmerkmal des A346. Eine schmale Treppe führt nach unten, wo sich 5 Toiletten befinden. Vor denen befindet sich ein Warteraum - bestimmt ein sozialer Treffpunkt an Bord. Im Warteraum gibt's sogar einen FB-Rufknopf, um 6 Bier nach unten zu bestellen!
In Y herrschte gähnende Leere. C war zu gefühlt 50% voll. Irgendwie bekam ich das Gefühl, dass dieser Flug nur dem Verbrennen von Meilen dient...
Nichts mitgenommen 
Die FB hat für mich den Sitz 2D in ein Bett verwandelt. Ich habe mich in den Pyjama umgezogen, ins Bett gelegt und eine Stunde gepennt. Als ich nach dem Aufwachen meine Geburtstagsfee vorbeigehen sah, signalisierte ich meine Bereitschaft zur Nahrungsaufnahme. Zur alkoholischen Begleitung habe ich mich immer auf ihren Rat verlassen.
Kaviar und Champagner, natürlich mit der Geburtstagskerze
Ich fragte mich, ob ich Fotos aus der First Class meinen Freunden und Verwandten über WhatsApp schicken sollte. Welchen Eindruck würde das bei ihnen wecken? Die meisten würden sich für mich freuen, sie kennen ja meine Hobbys, ein potenzielles Problem sah ich nur bei einer Cousine. Sie reist nicht mehr so viel wie früher, hat aber viel mehr Geld als ich und liebt einfach Kaviar. Wenn bei ihr zu Hause Kaviar gegessen wird, steht auf dem Tisch eine mindestens 500-g-Dose. Welchen Eindruck würde meine winzige Portion Kaviar bei ihr hinterlassen? Rationierung wie im Krieg? Nicht dass meine kleine Cousine einen Lachanfall kriegt und sich verschluckt! Dann erinnerte ich mich, dass sie zwar nur in 5-Sterne-Hotels übernachtet, aber immer in der Economy Class fliegt, und war beruhigt. Auch sie würde sich für mich freuen!
Vorspeisen. Begleitet vom 2022 Pechstein Riesling GG.
Griechische Inseln draußen
Gegrilltes Rinderfilet. Lecker. Begleitet vom Malbec.
Nun war es Zeit fürs Dessert. An dieser Stelle muss ich einen kleinen Exkurs nach Tiflis, Georgien machen. Im August dieses Jahres habe ich mich dort mit zwei Kindheitsfreunden getroffen. Wir haben es uns richtig gut gehen lassen und haben u. a. eine Portwein-Flasche unseres Jahrgangs nahezu ausgetrunken.
Als der jüngste der drei durfte ich den Rest des Portweins wieder mitnehmen, um ihn an meinem Geburtstag zu Ende zu trinken. Diesen Portwein brachte ich in einer kleinen Plastikflasche an Bord. Ich habe meiner Geburtstagsfee die Geschichte dieses Portweins erzählt und sie gebeten, mir ein leeres Glas zu bringen, sowie ein Glas vom 20-jährigen Niepoort von der Getränkekarte als Vergleich.
Flüssiges Dessert
Die Portweine waren sehr sehr lecker und sehr ähnlich, aber beim direkten Vergleich merkte ich, dass der 50-jährige noch runder im Geschmack war. Der 20-jährige hatte eine zusätzliche Note, die im direkten Vergleich eher unangenehm wirkte.
Dessert von der Speisekarte
Pralinen
Vor Israel kam die Ansage, dass aufgrund der rechtlichen Vorschriften in diesem Luftraum alle Paxe sich anzuschnallen und an ihren Plätzen zu verbleiben haben, und der Service ausgesetzt wird

Genauso war es bei meinen Flügen nach Israel und Jordanien im Februar. Bei einem Flug nach Israel mit A3 ebenfalls im Februar gab's diesen Unsinn dagegen nicht...
Die Küste von Israel
Das Jordantal
Nach dem Überflug von Israel bekam ich noch eine Käse-Platte serviert. Eigentlich wollte ich noch Panzerotti Pasta mit Steinpilzen probieren, aber der Magen war einfach zu voll.
Die Crew kam immer wieder zum Plaudern vorbei. Die Maschine flog von RUH gleich nach DMM weiter, dann aber ohne Alkoholausschank. Ich erzählte von meinen Plänen und dem Rückflug. Meine Geburtstagsfee war begeistert - denn wir würden uns beim Rückflug wiedersehen!
Hier musste ich kleinlaut zugeben, dass der Rückflug in C gebucht war

Eine leichte Enttäuschung im Gesicht konnte sie nicht verbergen und meinte dann, ich wäre jetzt sehr verwöhnt in der First. Aber man würde sich auf jeden Fall bestens um mich kümmern!
Für eine Sekunde habe ich bereut, nicht auch den Rückflug in der F gebucht zu haben. Aber das wäre Schwachsinn gewesen - F hätte das dreifache an Meilen gekostet, und ich hätte kaum Alkohol trinken können, weil auf Ibiza ein Mietwagen und ein Partymarathon auf mich wartete. Eine richtige, wenn auch in diesem Moment schmerzliche, Entscheidung.
Der Druck in den Ohren erinnerte mich an eine baldige Landung, also habe ich mich wieder in mein geschmackloses Outfit umgezogen. Alle Goodies aus der First Class habe ich vorerst einfach in eine Plastiktüte gepackt.
Nach der Landung verließen die First-Paxe natürlich als erste die Maschine. Der richtige Vielflieger in 1A ist gleich selbst zur Immigration gerannt. Die restlichen drei von uns wurden vom PA zur Immigration geführt, und zwar zu einem Schalter mit kaum Schlange. Beim kurzen Warten kamen wir endlich ins Gespräch, und als erstes haben die anderen Paxe mir ganz herzlich zum Geburtstag gratuliert (aber nicht höhnisch). Also war ich schon auffällig, aber wohl erträglich. Notiz für die Zukunft: da geht noch deutlich mehr!!
Sie hatten eine zweiwöchige Reise durch das Land vor, mit mehreren Städten. Wir verabschiedeten uns nach dem Zoll.
Wow, was für ein geiler Flug. Zu verdanken habe ich ihn natürlich meiner Geburtstagsfee. Sie hat blitzschnell verstanden, was einige Foristen auch im hohen Lebensalter nicht kapieren: dass manche Menschen in der First fliegen nicht um von A nach B zu kommen, nicht der Privatsphäre wegen, und auch nicht um sich als Held zu präsentieren, sondern einzig und alleine um mal richtig Spaß zu haben. Und sie hat ihre Rolle in diesem Spaßspektakel perfekt gespielt. Der Flug war nun vorbei - aber der Geburtstag ging weiter!
Nach dem Zoll stand ich eine kurze Zeit still. Ich war in Saudi-Arabien, am Ziel meiner Geburtstagsreise. Ein neues Land für mich. Ich schaute leicht verwirrt herum. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Die Tüte mit dem Pyjama, den Pantoffeln, dem Amenity Kit, den geschenkten Pralinen und Speisekarten war weg. Ich habe sie im Flieger vergessen.
Fortsetzung folgt
