09.02.16: Schweres Zugunglück in Bayern mit mehreren Toten und 100 Verletzten

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Brainpool

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15.03.2014
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Natürlich ist mir das klar, aber es wäre wohl die einfachste Ansteuerung dass ein Stromausfall jeden Zug sofort zu einer Notbremse zwingt. Damit hätte man ferngesteuert die Möglichkeit jeden elektrisch angesteuerten Zug zu stoppen.

Das System kannst du zu Hause bei deiner Modellanlage verwenden.
Das System Eisenbahn in der Realität ist um ein vielfaches komplexer, da kann man nicht durch Strom wegschalten alles zum stehen bringen. Das ist auch gar nicht angedacht. Schon mal daran gedacht das auch Dieselloks / -Triebwagen unterwegs sind?
Die Bahn hat ein mehr oder weniger gut durchdachtes Regelwerk nachdem der Betrieb durchzuführen ist.
Fängt damit an das man eine gestellte Ausfahrt nur nach Rücksprache mit dem Treibfahrzeugführer zurücknehmen darf, wenn dieser dem FDL bestätigt noch vor dem Signal zu stehen.
Für das betätigen des Ersatzsignals gibt es ebenso Regeln wann man es benutzen kann, aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen das in den meisten Fällen vorher kommuniziert wird dass es verwendet wird. Macht ja auch Sinn, denn das Ersatzsignal leuchtet nur 90 Sekunden, wenn also der Zug das Signal noch nicht erreicht hat kann es erloschen sein bevor der TF es sieht. Daher in der Regel auch Funkkontakt bei dem der TF sagt das er nun das Signal klar erkennt, woraufhin der FDL das Signal bedient.

Genau die Sache mit verschieben der Zugkreuzung, in der Regel wird dies alles zwischen TF und FDL abgesprochen. Alleine schon weil der Wartepflichtige die Wartezeit sonst außerhalb des Führerstandes verbringt, mit Zigarette im Mund.

Das bei der Bahn wie im jetzigen Fall jemand einfach alle Tasten auf dem Pult drückt wie es ihm beliebt ist eigentlich nur im Vollrausch denkbar.
 
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singmeister

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16.08.2011
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BSL
...Das bei der Bahn wie im jetzigen Fall jemand einfach alle Tasten auf dem Pult drückt wie es ihm beliebt ist eigentlich nur im Vollrausch denkbar.

Welche Knöpfe hat er denn wie gedrückt und warum hat das solche Folgen gehabt? Mir ist der Hergang und die Ursachen des Unfalls im Detail noch völlig unklar. Was ist denn bekannt, ausser dass er sich "falsch" verhalten hat?
 

tmmd

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24.07.2014
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www.euroreiseblog.de
Natürlich ist mir das klar, aber es wäre wohl die einfachste Ansteuerung dass ein Stromausfall jeden Zug sofort zu einer Notbremse zwingt. Damit hätte man ferngesteuert die Möglichkeit jeden elektrisch angesteuerten Zug zu stoppen.

Sorry, das klingt mir sehr nach "Modellbahnfachwissen". Auch bei einer Notbremse hättest du je nach Zuggewicht, Gefälle der Strecke und Höchstgeschwindigkeit Bremswege von teils über 1.000 Metern!

Und wie ich bereits oben schrieb, gibt es auch reguläre stromlose Abschnitte. Wenn ein Befahren selbiger immer zu einer Schnellbremsung wegen "kein Strom da" führen würde, ich mag mir nicht ausdenken was das für den Bahnbetrieb bedeuten würde.
 

tmmd

Erfahrenes Mitglied
24.07.2014
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www.euroreiseblog.de
Welche Knöpfe hat er denn wie gedrückt und warum hat das solche Folgen gehabt? Mir ist der Hergang und die Ursachen des Unfalls im Detail noch völlig unklar. Was ist denn bekannt, ausser dass er sich "falsch" verhalten hat?

Vereinfacht ausgedrückt:

Zug 1 bekam Ausfahrt aus Kälbermoor (oder wie das Kaff heißt)
Zug 2 hätte dementsprechend warten müssen in Bad Aibling, bis Zug 1 dort eingetroffen wäre, da die Strecke zwischen beiden Orten nur eingleisig ist.

Da die Sicherungstechnik es verhinderte, daß Zug 2 auch Ausfahrt bekam, hatte der Fahrdienstleiter dem Zug 2 das sogenannte "Ersatzsignal" Zs1 gegeben, daß eine Vorbeifahrt am rot zeigenden Hauptsignal erlaubt. Somit fuhr Zug 2 dem Zug 1 auf freier Strecke entgegen.
 
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rorschi

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09.03.2009
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Und wie ich bereits oben schrieb, gibt es auch reguläre stromlose Abschnitte. Wenn ein Befahren selbiger immer zu einer Schnellbremsung wegen "kein Strom da" führen würde, ich mag mir nicht ausdenken was das für den Bahnbetrieb bedeuten würde.

Ist es in Deutschland nicht auch so, dass eine plötzliche Spannungsabschaltung als Gefahrensignal interpretiert werden muss?

Damit meine ich nicht Systemtrennstellen und Schutzstrecken (damit ist die Bayerische Oberlandbahn sowieso sehr vorbelastet...).
 

Brainpool

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15.03.2014
2.801
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Ist es in Deutschland nicht auch so, dass eine plötzliche Spannungsabschaltung als Gefahrensignal interpretiert werden muss?

Nein,
einzig wenn die Schleifleistenüberwachung vom Stromabnehmer anschlägt hat der TF eine Schnellbremsung mit Nothaltauftrag für andere Züge einzuleiten, da in dem Moment die Fahrleitung und der zerbröselte Stromabnehmer eine Einheit bilden, wobei der Stromabnehmer entsprechend der Zuggeschwindigkeit durch die Landschaft rauscht und die Fahrleitung still und starr an Ort und Stelle verweilt--->sprich: Die Fahrleitung wird auf ca 1000- 1500 Meter abgerissen und kann auch noch die Fahrleitung des Gegengleises in Mitleidenschaft bringen.
 
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MANAL

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29.05.2010
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Dahoam
Das System kannst du zu Hause bei deiner Modellanlage verwenden.
Das System Eisenbahn in der Realität ist um ein vielfaches komplexer, da kann man nicht durch Strom wegschalten alles zum stehen bringen. Das ist auch gar nicht angedacht. Schon mal daran gedacht das auch Dieselloks / -Triebwagen unterwegs sind?

Wenn Du meinen von Dir zitierten Text gelesen hättest wüsstest Du die Antwort... :doh:


Es gibt keinerlei Anzeichen, daß der FDL unter Drogen irgendwelcher Art stand und er war auch nicht alkoholisiert.

Wurde auch so in der PK ausgesagt:
Es gibt keine Hinweise auf Alkoholkonsum. Eine Atemalkoholkontrolle hat den Wert 0,0 ergeben. Die Ergebnisse der Blutentnahme liegt noch nicht vor", so die Behörden. Ebenso gebe es keine Hinweise auf Krankheiten. Es handle sich wohl um ein furchtbares Einzelversagen dieser Person. Der Fahrdienstleiter hatte 1997 seine Ausbildung beendet.



Sorry, das klingt mir sehr nach "Modellbahnfachwissen". Auch bei einer Notbremse hättest du je nach Zuggewicht, Gefälle der Strecke und Höchstgeschwindigkeit Bremswege von teils über 1.000 Metern!

Jedes km/h das man runtergebracht hätte, hätte die Katastrophe verringert. Fakt ist, dass der FDL Notrufe abgesetzt hat aber dazu war es zu spät. Ein "Notaus" für den Streckenabschnitt oder eine Notbremse wie es sie in den Münchner U-Bahnhöfen am Bahnsteig gibt, würde Unfälle dieser Art die immer wieder vorkommen verhindern oder zumindest den Schaden verringern. Nur weil der Bremsweg von einem Zug sehr lang ist bedeutet das ja nicht dass man die Geschwindigkeit so weit wie möglich runterbringt.


Zug 1 bekam Ausfahrt aus Kälbermoor (oder wie das Kaff heißt)

Das Kaff heißt Kolbermoor ;)
 

Worldtraveler42

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15.02.2015
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MRS
Jedes km/h das man runtergebracht hätte, hätte die Katastrophe verringert. Fakt ist, dass der FDL Notrufe abgesetzt hat aber dazu war es zu spät. Ein "Notaus" für den Streckenabschnitt oder eine Notbremse wie es sie in den Münchner U-Bahnhöfen am Bahnsteig gibt, würde Unfälle dieser Art die immer wieder vorkommen verhindern oder zumindest den Schaden verringern. Nur weil der Bremsweg von einem Zug sehr lang ist bedeutet das ja nicht dass man die Geschwindigkeit so weit wie möglich runterbringt.

Die Notbremse hätte da aber auch nicht wirklich was gebracht. Ein Not-Aus ist schlichtweg nicht möglich:

  • Es gibt multiple Stromquellen. Bis man die richtigen lokalisiert hat ist es zu spät.
  • Die Oberleitungen sind keine Glühlampen die man mal einfach so abschaltet. Bei 15 kV Spannung dürfte es etwas länger dauern bis kein Strom mehr fliesst.

Eine Notbremse ist auf offener Strecke auch kaum sinnvoll. Hat der Zug die Bremse bereits überfahren wenn der Fehler festgestellt wird, kann man nichts mehr machen. Kollidiert der Zug vor der Notbremse, war diese auch für nix gut.

Verhindert werden können solche Unglücke wahrscheinlich nur durch TCAS-ähnliche Systeme für Züge oder strengere Regeln. Ich denke dabei z.B Filme aus den Neunzigern, wo U-Boot Offiziere gleichzeitig zwei Schlüssel umdrehen müssen, um die Atomrakete auf den Weg zu schicken.
 

Brainpool

Erfahrenes Mitglied
15.03.2014
2.801
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wo U-Boot Offiziere gleichzeitig zwei Schlüssel umdrehen müssen, um die Atomrakete auf den Weg zu schicken.

Der FDL im Feld, Wald und Wiesen Stellwerk, der bei Ankunft des Zuges in seinem Bereich, merkt das die Technik "klemmt", funkt seinen Vorgesetzten an, der sich dann in den Dienstwagen schwingt und zu ihm fährt um mit dem "Zweitschlüssel" die Ersatzmaßnahme zu autorisieren und anschließend den Bericht schreibt warum die Störung 56 Minuten gedauert hat.

Wenn man hier teilweise die Schimpftiraden liest weil die Bahn 2 Minuten zu spät war... mit dem "Zweitschlüssel" wird die Verspätung garantiert länger.
 

Worldtraveler42

Erfahrenes Mitglied
15.02.2015
3.885
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MRS
Der FDL im Feld, Wald und Wiesen Stellwerk, der bei Ankunft des Zuges in seinem Bereich, merkt das die Technik "klemmt", funkt seinen Vorgesetzten an, der sich dann in den Dienstwagen schwingt und zu ihm fährt um mit dem "Zweitschlüssel" die Ersatzmaßnahme zu autorisieren und anschließend den Bericht schreibt warum die Störung 56 Minuten gedauert hat.

Mensch. Hier wird einem jedes Wort im Mund umgedreht. Dass ich an die U-Boot Offiziere mit den zwei Schlüsseln denke, soll nicht heißen, dass ich mir das als praktikable Lösung vorstellen kann.

Zwei-Etappen Autorisierungen sind heute üblich. Wieso also nicht in Stellwerken auch? Die betroffenen Sicherheitssysteme muss man auch in Zukunft in Ausnahmen überbrücken können. Wieso also nicht die Sicherheit erhöhen, indem die Entscheidung des FDL nochmals autorisiert werden muss!?
 

MANAL

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29.05.2010
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Dahoam
Wer etwas für die Hinterbliebenen Gutes tun will kann sich übrigens über Internet das Benefizspiel zwischen den Eishockeymannschaften aus Bad Aibling (Landesliga) und Rosenheim (2. Liga) in Sprade TV anschauen. Kosten sind 5 EUR die im vollen Umfang an die Opfer gespendet werden.

Wer mit Eishockey nichts am Hut hat kann auch einfach eine 5 EUR Spende online durchführen die ebenfalls den Benefizeinnahmen zugeführt werden.

SpradeTV | WE LIVE SPORTS
 
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rorschi

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09.03.2009
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ZRH / MUC
Zur Stromabschaltung: In der Schweiz ist es tatsächlich so.
Keine Spannung mehr am Fahrdraht = sofort anhalten. Und das jeweilige Stellwerk / die jeweilige Betriebsleitzentrale kann den Strom abschalten.

Verhindert werden können solche Unglücke wahrscheinlich nur durch TCAS-ähnliche Systeme für Züge oder strengere Regeln.

TCAS tönt schön und gut, aber nur für den Flugzeugbereich. Gerade die Fahrzeuge der Bayerischen Oberlandbahn fahren ja auf stark befahrenen zweigleisigen Hauptsrecken ebenso, wo alle paar Minuten ein Zug entgegenkommt (Salzburg, Kufstein oder nach Regensburg in die Werkstatt). Und auf der Mangfalltalbahn selber gibt es auch nicht wenig Güterverkehr (ÖBB, DB Cargo, Lokomotion, private...) und Umleiterverkehr (Eurocity, Railjet). Gerade bei Bauarbeiten auf der Strecke über Grafing gibt es Tage, wo im Mangfalltal jede Kreuzungsstelle gebraucht wird.
Auf einem geschlossenen System wie der Harzer Schmalspurbahn, das überall einspurig ist und wo pro Strecke nur 3-4 Züge am Tag verkehren, kann man ein "TCAS" ausprobieren oder gar als Sicherungssystem verwenden. Die Harzer Schmalspurbahn hat sowieso keine PZB. Aber für stark befahrene Hauptlinien wird das eine Knacknuss.

Klar muss man jetzt Lehren aus dem Unglück ziehen, aber auch ermitteln, WIESO und WIE der FdL so gehandelt hat. Aber dieser Fall ist mit PZB90 bisher einmalig, und das zeigt, dass das System per se doch ein hohes Sicherheitsniveau hat.
 
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E

E190

Guest
Die StZ hat heute einen Bericht, mit Berufung auf interne Papiere der DB über Funklöcher auf der Strecke, veröffentlicht.

Was nützt ein Notrufsystem, wenn es im entscheidenden Fall nicht funktioniert? Das fragen sich nach der Bahn-Katastrophe bei Bad Aibling nicht nur die Angehörigen der Opfer, sondern auch Lokführer und andere Bahnexperten. Nach bisherigem Ermittlungsstand soll allein menschliches Versagen des verantwortlichen Fahrdienstleiters die Zugkollision verursacht haben. Doch diese Erklärung greift nach den internen Unterlagen der bundeseigenen DB Netze, die dieser Zeitung vorliegen, deutlich zu kurz. Die Listen beweisen zweifelsfrei, dass bundesweit viele Hundert Funklöcher entlang der Bahnstrecken existieren, häufig auf bis zu einem Kilometer. Das ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt, aber aus mehreren Gründen brisant. Denn wenn der digitale Zugfunk GSM-R nicht funktioniert, kann der Lokführer keinen Notruf von seinem Fahrdienstleiter empfangen.
Zwar soll ersatzweise das öffentliche Mobilfunknetz P-GSM genutzt werden, auf das die DB Netze die Lokführer verweist. „Aber der allgemeine Rund-Notruf, mit dem sich zum Beispiel auf Kollisionskurs fahrende Züge stoppen lassen, ist damit nicht möglich“, sagt ein erfahrener Lokführer, der diese Lücken seit Jahren bei den zuständigen Stellen kritisiert.

Zugunglück von Bad Aibling: Interne Unterlagen der Bahn beweisen Sicherheitsmängel - Panorama - Stuttgarter Zeitung
 
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MANAL

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29.05.2010
15.064
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Dahoam
Und auf der Mangfalltalbahn selber gibt es auch nicht wenig Güterverkehr (ÖBB, DB Cargo, Lokomotion, private...) und Umleiterverkehr (Eurocity, Railjet). Gerade bei Bauarbeiten auf der Strecke über Grafing gibt es Tage, wo im Mangfalltal jede Kreuzungsstelle gebraucht wird.

In den letzten Jahren wurde teilweise der reguläre Personenverkehr tageweise komplett auf Busverkehr umgestellt um Platz für Umleitungen zu schaffen wenn Bauarbeiten auf der Hauptstrecke München-Rosenheim stattgefunden haben. In der Realität ist dann kaum was gefahren und man musste sich fragen warum die Fahrgäste mit Bussen durch die Gegend zuckeln mussten...

Aber ich kenne auch Zeiten da ist bei Umleitungen nachts alle 5-10 Minuten ein Güterzug vorbeigefahren. Dann meistens im Einbahnbetrieb um die Kapazität hochzuhalten.
 

Liegendflieger

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13.02.2016
255
2
Und das meine ich ja, ohne dir das Wort im Munde zu verdrehen.
Es gibt noch viele alte störanfällige mechanisch arbeitende Stellwerke, da ist nichts mit Fernüberwachung zu machen, da hilft nur vor Ort Hand anzulegen.

Ich frage mich immer, weshalb es auf der Strecke Niebüll-Sylt noch nie so ein Unglück gegeben hat. Die eingleisigen Streckenabschnitte auf der Insel und auf dem Festland (nur der Hindenburgdamm ist zweigleisig ausgebaut) werden handmechanisch gestellt. Die Strecke wird im Durchschnitt ca. alle 10 Minuten von einem Zug befahren.
Hängt das wirklich allein an den Wärtern in den Stellwerken entlang der Strecke?
Die Stellwerktechnik ist fast 100 Jahre alt. Die großen Signale (mit den herunterklappenden Armen) sind seit Ewigkeiten von Eisenbahnmuseen in ganz Deutschland vorbestellt. Sie werden vom Stellwerk mit Muskelkraft bewegt; die Drähte verlaufen ungeschützt neben den Schienen auf dem Bahndamm über den Wiesen. Jeder Irre könnte die mit einem Saitenschneider durchknipsen. Ob es bei dieser vorsintflutlichen Technik wohl einen hochmodernen Kontrollmechanismus gibt?
 

Piedra

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28.08.2012
5.118
22
Wenn einer den Draht durchknippst, dann merkt man das recht schnell. Sicherheitsmechanismus gibt es auch, heißt Schwerkraft, Draht weg, Signal geht auf "Halt!". (IIRC)
 
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MANAL

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29.05.2010
15.064
10.750
Dahoam
Ich frage mich immer, weshalb es auf der Strecke Niebüll-Sylt noch nie so ein Unglück gegeben hat. Die eingleisigen Streckenabschnitte auf der Insel und auf dem Festland (nur der Hindenburgdamm ist zweigleisig ausgebaut) werden handmechanisch gestellt. Die Strecke wird im Durchschnitt ca. alle 10 Minuten von einem Zug befahren.
Hängt das wirklich allein an den Wärtern in den Stellwerken entlang der Strecke?
Die Stellwerktechnik ist fast 100 Jahre alt. Die großen Signale (mit den herunterklappenden Armen) sind seit Ewigkeiten von Eisenbahnmuseen in ganz Deutschland vorbestellt. Sie werden vom Stellwerk mit Muskelkraft bewegt; die Drähte verlaufen ungeschützt neben den Schienen auf dem Bahndamm über den Wiesen. Jeder Irre könnte die mit einem Saitenschneider durchknipsen. Ob es bei dieser vorsintflutlichen Technik wohl einen hochmodernen Kontrollmechanismus gibt?

So alt die Technik sein mag, sie ist robust und erprobt. Zudem wird auch alles gewartet, was natürlich recht aufwendig ist. Die Mechanik in den Stellwerken ist unglaublich ausgefeilt, alles was heute elektronisch gelöst wird wurde bei damaligen Systemen mechanisch umgesetzt.

Sollte jemand Drahtseile kappen fallen die Signale immer auf Halten.

Die Drahtseile bedingen aber auch dass die Stellwerke nicht zu weit davon entfernt sind wodurch die Anzahl an Streckenposten immens ist. Da dürfte dann bei einem Fehler recht schnell ein anderer Streckenposten merken dass was nicht stimmt. Bei dem Unfall in Bad Aibling gab es halt keinerlei Rückfallebene wenn der Mensch einen Fehler macht. Wäre in Kolbermoor noch jemand gewesen der diesen Bahnhof gesteuert hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit dass in Aibling ein Fehler unentdeckt bleibt recht gering gewesen.
 
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rorschi

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09.03.2009
10.166
3.526
ZRH / MUC
Ob es bei dieser vorsintflutlichen Technik wohl einen hochmodernen Kontrollmechanismus gibt?

Ja. Die Marschbahn gilt wie die Mangfalltalbahn als Hauptbahn und ist mit dem gleichen PZB90 und Streckenblock ausgestattet.

Formsignale findet man noch auf vielen Strecken, auch in Bayern (z.B. München-Mühldorf, München-Lindau via Memmingen).
Auch da fällt alles auf rot zurück, wenn jemand mit dem Seitenschneider einen Draht zertrennt, und auch da gibt es mittlerweile elektronische Überwachungsmechanismen.
 

Liegendflieger

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13.02.2016
255
2
@ #121-123:
Was heißt, "alles fällt auf Halt zurück"? Es fällt mir (totaler Laie) schwer vorzustellen, daß sämtliche Signale in eine Richtung herunterfallen, wenn zig Km entfernt das Steuerseil durchgeschnitten wird. Bsp.: das Signal kurz vor Niebüll wird außer Kraft gesetzt - dann fallen in Keitum die Signale ebenfalls herunter? Diese Kraft soll über eine Strecke von 20 und mehr Km über ein dünnes Drahtseil übertragen werden? Selbst mir ist klar, daß das so nicht funktionieren kann. Über diese Länge ist das notwendige Spiel, das die Seile haben müssen (Sturm etc.), länger als ihr Arbeitsweg (ein halber Meter?) zum Stellen der Signale.

Wer oder was verhindert, daß der nächste Zug auffährt, wenn auf der einen Seite des Damms einer zum Stehen gebracht wird und der nächste in max. 11 Km Entfernung mit 100 km/h hinterherfährt.
Eine optische Prüfung durch die Stellwärter scheidet aus, das jdf. kann ich versichern. Hofft man da auf eine Telefonverbindung? Oder hat jeder Stellwärter die Möglichkeit, in beide Richtungen das Signal fallen zu lassen, wenn eins außerplanmäßig fällt? Woher weiß er, daß es außerplanmäßig gefallen ist?

Natürlich bin ich mir sicher, hier nicht eine 90 Jahre alte Gefahrenquelle aufgedeckt zu haben, ich finde es im Zusammenhang mit diesem Unglück nur hoch interessant zu erfahren, ob von Menschen bediente analoge Technik wirklich gefährlicher ist (wovon ich eigentlich ausgehe).
 

Brainpool

Erfahrenes Mitglied
15.03.2014
2.801
126
@#121-123:
Was heißt, "alles fällt auf Halt zurück"?Es fällt mir (totaler Laie) schwer vorzustellen, daß sämtlicheSignale in eine Richtung herunterfallen,...

Um aufdiese Frage zu antworten hole ich mal etwas in Sachen Bahnbetriebstechnik aus.
Jede Zugmeldestelle (Bahnhof) hat einen eigenen Fahrdienstleiter, dieser ist von Bahnhofanfang (Einfahrsignal) bis Bahnhofende (Einfahrsignal der Gegenrichtung) zuständig.
Zwischen den Zugmeldestellen gibt es nur freie Strecke, keine Weiche, keinen Abzweig etc... nur grade Schiene.
Wenn also Zug 1 Bahnhof A in Richtung Bahnhof B verlässt muss dieser zwangsläufig in Bahnhof B ankommen.
Das ist das Grundprinzip.
Bei der Zugabfertigung läuft es dann so, das FDL A mit FDL B kommuniziert und FDL B dem FDL A bestätigt, das der letzte gefahreneZug vollständig in Bahnhof B angekommen ist. Somit ist die Strecke FREI, FDL A kann die Ausfahrt in Richtung Bahnhof B auf Grün stellen.
Zug fährt los.
Nach Vorbeifahrt am Ausfahrsignal wird dieses wieder auf Rot /Halt gestellt.
Es ist also nur ein Zug in diesem Block.
Nach Ankunft des Zuges am Einfahrsignaldes Bahnhof B erlaubt FDL B dem Zug die Einfahrt in den Bahnhof B und bestätigt FDL A die vollständige Ankunft von Zug 1 in Bahnhof B.
Der Block ist jetzt wieder Frei und FDL A darf den nächsten Zug losschicken.
Wenn nun Zug 1 zwischen Bahnhof A und Bahnhof B liegen bleibt ist die Strecke belegt und es kann kein weiterer Zug in diesen Abschnitt einfahren.
Durch dieses Prinzip ist der Aktionsradius des FDL und seiner Stellhebel auf ~1km vor und ~1km hinter den Stellwerk begrenzt. Eben von Einfahrsignal zu Einfahrsignal der Gegenrichtung.
Wenn nun eine Störung auftritt, z.B das Drahtseil vom Einfahrsignal bricht, so fällt das Einfahrsignal zurück auf Halt.
Bedeutet aber auch das der fahrende Zug erst von dieser Störung betroffen ist wenn er in den Bahnhof einfahren will.
In diesen Fall kann der FDL einen schriftlichen Befehl erteilen, oder eben wenn in seinem Stellwerk das Lichtsignal Zs1 angebracht ist dieses auf Knopfdruck einschalten.
Ein mechanisch arbeitendes Stellwerk verfügt über ein sehr ausgeklügeltes Sperrwerk hinter den Stellhebeln. So lässt sich zB das Signal nur stellen wenn eine bestimmte Kombination an Weichen in die richtige Stellung gebracht wurde (Fahrstrasse).
Alles das was in der heutigen Zeit per Rechner überwacht und sichergestellt wird, wird auch bei einem Hebelstellwerk überwacht, aber eben voll mechanisch.
Desweiteren hat der FDL sein Zugmeldebuch vor sich liegen in dem jeder Zug schriftlich festgehalten wird.
Auch jede Betätigung von Ersatzsignalen (mit Zählwerk versehen) oder Erteilen von Befehlen wird schriftlich festgehalten.
Dazu kommt noch die Aufzeichnung von Bahnfunk und Telefonanschluss im Stellwerk.
Nu ist spät, Finger schmerzen, ich leg mich wieder hin.
Nachfragen werden natürlich beantwortet.
 
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