Zur Rede des Kaisers, mit ein paar Hintergrundinfos über die Beziehungen Tenno/Volk.
"Mit Verwunderung reagierte die Welt auf das lange Schweigen von Kaiser Akihito zur Katastrophe in Japan. Doch mit seiner späten Rede hat der Tenno genau das Zeichen gesetzt, das seiner Rolle zukommt."
"Trost zu spenden, zum Durchhalten ermutigen, die Nation in der Krise zu einen - das sei die Aufgabe des Tenno, der ja laut Verfassung als Symbol Japans gelte, so der Experte für japanische Sozialgeschichte. Auch wenn er keine politische Macht habe - seine Bedeutung für das Volk sei immens."
"Gerade jene, die mit der japanischen Kultur vertraut sind, vermissen in dem gebeutelten Land die kaiserliche Präsenz: "Ich habe die vergangenen sieben Jahre in Tokio gelebt, und ich erinnere mich, dass bei jedem größeren oder kleineren Erdbeben das Kaiserpaar nach zwei, drei Tagen in die Notunterkünfte kam, mit den Menschen sprach, sie in die Arme nahm und sie einfach weinen ließen", zitiert das Hamburger Abendblatt die Japanologin Gabriele Vogt von der Uni Hamburg.
Bei aller Verwunderung sollte man jedoch bedenken, dass Akihito von einem beachtlichen zeremoniellen Korsett umgeben ist: "Seine Funktion verbietet es dem Tenno, im Blaumann oder in Gummistiefeln die Katastrophenregion zu besuchen", erklärt Professor Vollmer. Dennoch: Eine Rede vom Palast hätte man durchaus erwarten können - erst recht, seit die Situation weiter eskaliere und sich in der Bevölkerung Panik ausbreite, findet der Münchner."
"Dies ist nun - gerade noch rechtzeitig - geschehen: "Ich denke, der Tenno hat mit dieser Rede genau das Zeichen gesetzt, das seiner Rolle zukommt", sagt Vollmer. Die Äußerung des Kaisers sei jetzt von großer Bedeutung. Was der Tenno und seine Worte für die Menschen tatsächlich bedeuten, zeige sich gerade in dieser Situation, findet der Japanologe. Hätte sich der Tenno ausgerechnet in diesen schweren Zeiten nicht gezeigt, würde das auf eine tiefe Krise dieser Institution hindeuten. Das lange Schweigen habe bereits in gewisser Weise verdeutlicht, "dass die Beziehung zwischen dem japanischen Volk und seinem Symbol doch eher dürftig ist", sagt Vollmer."
"Zwar verehren die Japaner den 77-Jährigen als Repräsentanten der ältesten Dynastie der Welt noch immer, und seine symbolische Bedeutung für das Volk ist immens. Dennoch hat sich der Kaiser aus aktuellen Dingen herauszuhalten. In der jetzigen Situation bedeutet das konkret: Erst musste sich die Regierung zur Lage im eigenen Land äußern, dann der Tenno.
Diese Voraussetzung, immerhin, war gegeben: Eifrig versuchte Japans Regierung, in Gestalt des Kabinetts-Chefsekretärs Yukio Edano auf allen TV-Kanälen seine Landsleute darüber zu informieren, wie sie mit der Katastrophe in Fukushima Daiichi (-1) umgeht. Leider bewirkte der Mann, der in seinem blauen Anzug wohl die Kompetenz eines Technikers vermitteln sollte, mit seinen Aussagen eher das Gegenteil. "Wenn die Japaner ihr Verhalten der Regierung anpassen würden, wäre längst Panik ausgebrochen", kommentierte Stephan Krug von der Umweltschutzorganisation Greenpeace die japanische Informationspolitik.
Vielleicht ist das der Grund, warum der Tenno so lange nicht zu seinem Volk sprach: dass seine tröstlichen Worte die Ratlosigkeit der Regierung nur noch deutlicher zutagetreten lassen."
Japans Kaiser Akihito - Wenn der Tenno spricht - Leben & Stil - sueddeutsche.de