In der Praxis dürften Individualabreden im B2C-Geschäft aber ziemlich selten sein, welcher Unternehmer hat im gewöhnlichen Geschäftsgang schon Zeit für das Aushandeln solcher Vertragsteile. Die anstehende Entscheidung des BGH könnte insofern wegweisend sein, da es dann möglich wäre, den Verbraucher zwischen mehreren Klauseln wählen zu lassen, die für sich genommen jeweils AGB sind, durch die Möglichkeit der Auswahl jedoch zur Individualabrede werden.
Ob da mal nicht der BGH die Büchse der Pandora im Verbraucherschutz öffnet? Ich sehe schon die (online-) Händler, die einem einen Stapel AGBs zur Auswahl geben und sich so fast jeglicher gerichtlichen Überprüfung entziehen. Mit welcher Argumentation sollte man das unterbinden, wenn man es hier der airline zugesteht?
Es sind ja noch mehr Fragen, die sich da eröffnen. Wie genau muss denn die Individualabrede erläutert werden beim Auswahlprozess? Bei einem Individualvertrag kann man sich ja hinterher nicht damit herausreden, dass man die Bedingungen im Kleingedruckten nicht zur Kenntnis genommen habe. Hier gibt es aber ja weiterhin wie bisher das Kleingedruckte, was sich niemand anschaut, nur halt in verschiedenen Ausführungen. Und im B2C-Bereich ist es natürlich auch bei Auswahl verschiedener AGBs weiter unwahrscheinlich, dass der Verbraucher die unterschiedlichen Vertragsbedingungen genau im Detail liest. Und das ist ja genau der Kern des Schutzbereiches von "AGB-Gesetz" und folgende. Meines Erachtens müssten wenn, dann alle relevanten Klauseln, die der Anbieter durch die Auswahlmöglichkeit zur Individualabrede erklären will, im Klartext (und nicht klein grau auf weiß) direkt im Auswahlfeld dabeistehen. Nicht nur irgendwelche Piktogramme, die ja in der Regel nicht die gesamte rechtliche Tragweite erläutern können. Wenn diese rechtliche Tragweite doch wieder im Kleingedruckten landet, dann sollte der Schutz von §§ 305-310 BGB auch weiter gelten.
Ich kann mir trotzdem vorstellen, dass der BGH hier der Vorinstanz recht gibt. Kommt ja schon mal vor, dass primär im praktischen Einzelfall ein gewünschtes Ergebnis errecht werden soll und die Auslegung entsprechend hin gebogen wird. Selbst ich erkenne ja an, dass bei Auswahl von Flex vs. non-Flex der gesunde Menschenverstand sagt, dass man bei Stornierung nicht sein ganzes Geld zurückverlangen kann bei non-Flex. Nur sollte man das halt nicht dadurch erreichen, dass man behauptet, das sei nun keine AGB mehr.
Nur wie gesagt, manchmal ist halt das gewünschte Ergebnis entscheidend. Und das gewünschte Ergebnis würde vermutlich anders aussehen, wenn mal eine airline bis zum BGH geklagt hätte auf Nachzahlung bei Verfall des letzten legs bei non-Flex Ticket. Das kann man ja schließlich genauso mit der Individualabrede begründen.
Was wäre eine gute Lösung? Der BGH lässt die AGBs AGBs sein. Er sagt aber: Durch die Auswahlmöglichkeit mit ausdrücklichem Hinweis auf stornierbar vs. nicht stornierbar ist die jeweilige Klausel nicht mehr überraschend anders als die gesetzliche Standardregelung aus §648 BGB. Und sie ist durch die Auswahlmöglichkeit auch nicht mehr einseitig benachteiligend, da sich das Problem ja leicht umgehen lässt.
So lässt man für die Zukunft die gerichtliche Überprüfbarkeit auch bei Auswahlprozessen im Kauf von Waren und Dienstleistungen offen. Was dann überraschend und benachteiligend ist für den Verbraucher, das bleibt der Einzelfallentscheidung und gerne auch dem gesunden Menschenverstand vorbehalten. Und so kann dann gerne bei no-show der gesamten Reise das Geld bei der airline bleiben und trotzdem muss der Kunde nicht nachzahlen, wenn er vom round-trip Ticket nur den Hinflug nutzt. Denn letzteres wäre gemessen am gesunden Menschenverstand überraschend und man könnte das sicher auch als einseitige Benachteiligung des Kunden deuten, da er ja nicht nur auf die eigentlich nach §648 BGB zustehende Rückzahlung des Kostenanteils für den Rückflug verzichtet, sondern sogar noch darüber hinaus eine Zahlung für eigentlich schon vertraglich erledigte Teile des Werkvertrags (Geld gegen Hinflug) leisten soll.