[29.10.18] Absturz Lion Air JT610 nahe Jakarta

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Loungepotato

Erfahrenes Mitglied
02.12.2016
4.522
6.077
Dann sollte die Pilotenausbildung ohne weitere Verzögerungen unter neuen Gesichtspunkten verändert und der internationale Standard verschärft werden.

Im vorliegenden Fall lag es wohl nicht an der Ausbildung.

Ubd wer sollte durchsetzen können, dass ein (wie und durch wen auch immer zu definierender) „internationaler Standard verschärft“ werden soll.
 

Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
4.492
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Farewell City
Die NYT mit einer anschaulichen Darstellung: What the Lion Air Pilots May Have Needed to Do to Avoid a Crash https://nyti.ms/2DpFHax

Wenn dieser Artikel tatsächlich so fundiert ist, wie es den Anschein hat, dann ist dass hier

The crucial step, according to the Boeing bulletin, would be to reach across to the central console to a pair of switches (sometimes protected with covers that must be opened), and flip the switches off. Those switches disable electric control of the motor that moves the stabilizers up and down, preventing the anti-stall system from exerting control over their position.

der Schluesselsatz.

Und wenn dass der Schluesselsatz ist, welcher sich auch nach der Untersuchung als "relevant" herausstellt, dann ist meine erste Intuition zu diesem Unglück nicht so ganz falsch gewesen:

Diese Crew hat 7 Minuten lang (das ist eine unendliche lange Zeit im Cockpit) versucht "straight and level" zu fliegen - was ihr nicht gelang.

Ich will nach wie vor nicht glauben dass eine durchschnittlich begabte Crew bei Tageslicht (!), in VMC (!) die Situation nicht unter Kontrolle bekommen kann.

Ganz ungeachtet der Irritationen / fehlerhaften Anzeige der Fahrtmesser und der vermuteten Stall Warning aufgrund des defektiven Signals des AoA Sensors.

Fly the airplane ist die erste Direktive - und das muss eine durchschnittliche Crew im Hellen, mit Sicht zum Horizont alleine mit Pitch & Power hinbekommen. Und zwar pronto. Inklusive der Erkenntnis dass, abgesehen von fehlerhaften Anzeigen und den damit verbundenen Warnsignalen, alles in bester Ordnung ist.

Nach dieser Bestandsaufnahme taucht das nächste Problem auf - der fortwährend laufende Trim, dessen "Erkennungszeitpunkt" mutmaßlich der Schluessel sein dürfte.

Diese Crew war vielleicht derart "occupied" mit den vermuteten "Nebenkriegsschauplätzen" dass der berüchigte Tunnelblick / Fokussierungseffekt zuschlug.

Mit dem "very first" step der "Memory Items" eines erkannten Trim Runaway wäre das dem NYT Artikel zufolge zu regeln gewesen.

Ein Mysterium...
 
Zuletzt bearbeitet:

Loungepotato

Erfahrenes Mitglied
02.12.2016
4.522
6.077
Ich will nach wie vor nicht glauben dass eine durchschnittlich begabte Crew bei Tageslicht (!), in VMC (!) die Situation nicht unter Kontrolle bekommen kann.

Die Crew war auf das neue System einfach nicht vorbereitet und geriet in Panik.

Die Entscheidung von Boeing, das nicht zu kommunizieren, um die Piloten nicht zu überfordern, war rückblickend (wo man es ja immer besser weiß) wohl nicht so geschickt. Das ist leider ein gutes Beispiel für die aktuelle Boeing-Sichtweise bzgl. zunehmend nicht-amerikanischer Piloten ihres Fluggeräts.
 

concordeuser

Erfahrenes Mitglied
01.11.2011
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Hamburg
Quote Fare IT

The crucial step, according to the Boeing bulletin, would be to reach across to the central console to a pair of switches (sometimes protected with covers that must be opened), and flip the switches off. Those switches disable electric control of the motor that moves the stabilizers up and down, preventing the anti-stall system from exerting control over their position.

Wie soll eine Crew dies tun und bedenken, wenn sie nicht weiß, das ein Anti-stall-System an Bord ist und in ihr piloting eingreift?
 
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Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
4.492
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Farewell City
Quote Fare IT

The crucial step, according to the Boeing bulletin, would be to reach across to the central console to a pair of switches (sometimes protected with covers that must be opened), and flip the switches off. Those switches disable electric control of the motor that moves the stabilizers up and down, preventing the anti-stall system from exerting control over their position.

Wie soll eine Crew dies tun und bedenken, wenn sie nicht weiß, das ein Anti-stall-System an Bord ist und in ihr piloting eingreift?

My educated guess:

Weil der "Pilot Flying" irgendwann innerhalb der 6 Minuten bemerkt, dass sich das Trimmrad neben seinem Knie "sichtbar" und "hörbar" fortwährend in Bewegung setzt (sich dreht) ohne dass er selbst, als Pilot Flying, das veranlasst hat?

Mutmasslich kam dieser Rueckschluss nicht zu Stande, anstattdessen hat der PF bzw die Crew 6 lange Minuten am Steuerhorn , mit zunehmender Intensität gezogen, bis dann irgendwann das Höhenleitwerk an seine mechanischen Stops (Nose down) gelaufen war und der Höhenruder Ausschlag keinen gegengesetzten Effekt mehr brachte.

Die Crew war auf das neue System einfach nicht vorbereitet (...)

Ich denke nicht dass diese Interpretation (und der Rückschluss) zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnig ist.

Ein "Trim Runaway" ist etwas, dass eine Crew auf einer Boeing erkennen muss - und dann handelt.

Warum der Trim wegläuft ist im Moment des Auftretens des Fehlers vollkommen nebensächlich imho.

Die Vorstellung dass man im Cockpit im Moment der Fehlererkennung zunächst eine tiefe Analyse der mögliche(n) Ursache(n) Wirkungsketten verbalisiert / herstellt ist afaik falsch.

Und das gilt besonders für das Szenario eines Trim Runaways - der mittels sog "Memory Items" (also ohne gelesene Checkliste) akut und sofort abgearbeitet werden muss.

Wenn Boeing ernsthaft davon ausgehen muesste dass eine Crew den Trim Runaway NICHT in einer angemessenen Zeit bemerken kann - dann, glaube ich , wäre dass das Ende der Luftfahrt...
 
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Langstrecke

Erfahrenes Mitglied
31.08.2013
11.075
10.086
LEJ
My educated guess:

Weil der "Pilot Flying" irgendwann innerhalb der 6 Minuten bemerkt, dass sich das Trimmrad neben seinem Knie "sichtbar" und "hörbar" fortwährend in Bewegung setzt (sich dreht) ohne dass er selbst, als Pilot Flying, das veranlasst hat?

Mutmasslich kam dieser Rueckschluss nicht zu Stande, anstattdessen hat der PF bzw die Crew 6 lange Minuten am Steuerhorn , mit zunehmender Intensität gezogen, bis dann irgendwann das Höhenleitwerk an seine mechanischen Stops (Nose down) gelaufen war und der Höhenruder Ausschlag keinen gegengesetzten Effekt mehr brachte.

Ganz laienhaft (hab nämlich echt keine Ahnung)
Zum permanenten Korrigieren der "Flughöhe" und "Gegenmaßnahmen" braucht der Pilot beide Hände. Das Trimmrad macht was will. Er will diese Selbstätigkeit ausschalten. Er weiß aber nicht wie, weil ihm Informationen fehlen. Er kann schalten und walten wie er will, das Ding rattert wie es will. Den "richtigen Schalter" kennt er nicht, woher denn auch. Er schafft es immerhin die sechs Minuten, das Teil einigermaßen gerade in der Luft zu halten.
Bevor das Teil nicht gerade fliegt, tut er einen Teufel, die Kehrtwende Richtung Jakarta einzuleiten.
Die Meinung, es wären doch zwei Piloten an Bord, lasse ich nicht gelten, denn im Notfall hat nur einer das sagen und fertig.
So ist die Ansicht eines Laien.
 

Loungepotato

Erfahrenes Mitglied
02.12.2016
4.522
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Ein "Trim Runaway" ist etwas, dass eine Crew auf einer Boeing erkennen muss - und dann handelt.

Warum der Trim wegläuft ist im Moment des Auftretens des Fehlers vollkommen nebensächlich imho.

Die Vorstellung dass man im Cockpit im Moment der Fehlererkennung zunächst eine tiefe Analyse der mögliche(n) Ursache(n) Wirkungsketten verbalisiert / herstellt ist afaik falsch.

Und das gilt besonders für das Szenario eines Trim Runaways - der mittels sog "Memory Items" (also ohne gelesene Checkliste) akut und sofort abgearbeitet werden muss.

Ich glaube auch nicht, dass die Crew nicht erkannt hat, dass etwas es ein Trim-Problem gibt. Sie wussten nur nicht, wie sie es in den Griff bekommen sollen.

(Deine Änderung in Fettdruck hat mir persönlich zu viel Pathos.)
 

Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
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Farewell City
Ganz laienhaft (hab nämlich echt keine Ahnung)
Zum permanenten Korrigieren der "Flughöhe" und "Gegenmaßnahmen" braucht der Pilot beide Hände. Das Trimmrad macht was will. Er will diese Selbstätigkeit ausschalten. Er weiß aber nicht wie, weil ihm Informationen fehlen. Er kann schalten und walten wie er will, das Ding rattert wie es will. Den "richtigen Schalter" kennt er nicht, woher denn auch. Er schafft es immerhin die sechs Minuten, das Teil einigermaßen gerade in der Luft zu halten.
Bevor das Teil nicht gerade fliegt, tut er einen Teufel, die Kehrtwende Richtung Jakarta einzuleiten.
Die Meinung, es wären doch zwei Piloten an Bord, lasse ich nicht gelten, denn im Notfall hat nur einer das sagen und fertig.
So ist die Ansicht eines Laien.


737_Pedestal.JPG

1 dreht sich permanent (auf beiden Seiten des Pedestals)

2 der weise Zeiger wandert sukzessive (aber mit einem klaren Trend über 6 Minuten) in Richtung unterer "Anschlag" = Nose down (auf beiden Seiten des Pedestals)

3 die Lösung (laut NYT) die 2 Schalter umzulegen

(Und: Man braucht nicht beide Hände, jedenfalls nicht initial.)
 

Luftikus

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08.01.2010
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irdisch
Ich glaube es bringt nichts, sich hier einig zu sein, dass man es selber natürlich besser gewusst hätte. Die Frage ist, was eine durchaus erfahrene und scheinbar geplant handelnde Crew dazu veranlasst hat, anders zu reagieren. Wir haben noch keine belastbaren Daten gesehen (nur FR24) und der Stimmenrekorder fehlt noch komplett.
 

Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
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Farewell City
Vielleicht war es aber auch ganz anders:

Die Crew hatte schon am Level Off in 5000 Fuss gemerkt dass der Stabilzer Trim "voll nose down" gelaufen war

Und der sehr erfahrenen Crew war sofort klar, dass sie diesen mis-trim niemals manuell korrigieren konnten, solange das Flugzeug mehr oder weniger straight and level flog, und das Höhenleitwerk quasi "quer" in der umströmenden Luft stand (und entspechend belastet war).

Also schmiedeten die beiden Piloten 6 Minuten lang einen Plan und sprachen detailliert die Druchfürhung durch (weil sie wussten dass sie nur eine Chance haetten).

Dann war der Moment gekommen, als man das offene Meer unter sich hatte:

Der Pilot Flying senkte die Nase um das Hoehenleitwerk aerodynamisch zu entlasten...und der Kollege fing wie wild an die Trimwheels von Hand zu drehen (Nose Up).

Während der Maßnahmen verlor das Flugzeug zu schnell an Hoehe und zerschellte...

Es ist ein Rätsel...der Untersuchungsbericht wird das hoffentlich aufklären können. Und nur der.
 
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Luftikus

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08.01.2010
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irdisch
Die NYT verfolgt im Prinzip auch nur die bisherige Boeing-Lesart, dass man nur die übliche Runaway-Stab-Checkliste abarbeiten muss.
 
J

jsm1955

Guest
Ich bleibe übrigens bei meiner Meinung, dass ein System, das ein Flugzeug aufgrund eines einzelnen, fehlerhaften Messwertes ohne Plausibilitätsprüfung, die leicht machbar wäre, gegen den Willen der Piloten auf Fluglevel Null zwingt, eine irrsinnige Fehlkonstruktion ist - Information der Piloten hin oder her. Ich verstehe nicht, wie so etwas eine Genehmigung bekommen kann.
 

Loungepotato

Erfahrenes Mitglied
02.12.2016
4.522
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Die NYT verfolgt im Prinzip auch nur die bisherige Boeing-Lesart, dass man nur die übliche Runaway-Stab-Checkliste abarbeiten muss.

Das klingt für mich aber nicht so:

"
If the pilots of Lion Air 610 did in fact confront an emergency with this type of anti-stall system, they would have had to take a rapid series of complex steps to understand what was happening and keep the jetliner flying properly. These steps were not in the manual, and the pilots had not been trained in them." (zur Markierung fett gemacht)




 

Luftikus

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08.01.2010
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irdisch
Typischerweise indem man versehentlich vergisst, die Angelegenheit in den genehmigungsrelevanten Unterlagen ausführlich zu erläutern.....

Das hat noch niemand behauptet, dass die Behörden das System nicht kennen. Gibt es irgendeinen Beleg für diese steile These?
 

juliuscaesar

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12.06.2014
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FRA
SEATTLE - Das Assistenzsystem MCAS war bis November 2018 nur einem kleinen Expertenkreis ein Begriff. Boeing-Chef Dennis Muilenburg tritt trotzdem energisch Vorwürfen entgegen, Boeing habe Piloten eine wichtige Funktion der 737 MAX "absichtlich vorenthalten". Die sehen das anders.

"Alle relevanten Systemfunktionen werden im Flight Crew Operations Manual erklärt", verteidigt Muilenburg die Flugsicherheit der 737 MAX in einem Memo an die Mitarbeiter. Gegenteilige Darstellungen "in den Medien" seien "schlichtweg falsch".

https://www.aero.de/news-30376/Boeing-verteidigt-Informationen-zu-MCAS.html
 

juliuscaesar

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12.06.2014
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Er sagt nicht, dass sie MCAS erklärt haben, er sagt nur, alle wichtigen Funktionen seien genannt worden. Das klingt so juristisch, dass vermutlich doch irgendwas im Busch ist?

Ja. Steht im "Kleingedruckten" auf Seite 721. So macht man sich keine Freunde unter den Pilotinnen und Piloten...