Montag, 30.09.2019
Zur Valentynas Unmut klingelte der Wecker bereits um 07:15, so dass wir es bis um halb 9 zum Frühstück schafften. Wegen der widerkehrend schlechten Auswahl brachten wir dies schnell hinter uns, liefen um Viertel nach 9 los ins Zentrum, wo wir auf der North Avenue bei SIXT unseren Mietwagen abholten.
Leider meinte es Tante Regine mit uns diesmal nicht gut, gebucht war IFAR, z.B. Ford Kuga Automatik – und trotz Diamond-Status stand nur ein Chevrolet Captiva Automatik, Benziner ohne Allradantrieb für uns bereit.
Trotz Hinweis auf den Status wollte man mir nichts anderes geben, man hätte nichts besseres frei, und Upgrade gäbe es nur nach Verfügbarkeit – trotz Diamond. Wenigstens versprach man mich anzurufen, wenn etwas besseres verfügbar werden würde – ja, klar...
Das Checken des Autos dauerte geschlagene 30 Minuten, so viele Kratzer und selbst Steinschläge wurden eingetragen. Aber, gut so, ich habe lieber zerkratzte Mietwagen – da merkt man später meine nicht.
So fuhren wir erst um kurz nach 10 aus der Tiefgarage, machten uns mit Hilfe von Google Maps auf den Weg nach Osten. Sobald wir aus der Stadt hinauskamen, in die Berge fuhren, erblickten wir den Ararat inmitten einer traumhaften Landschaft, heute ohne Wolken.
Auf einer bisher recht ordentlichen Straße mit relativ viel Verkehr wegen massig Touristen-Bussen erreichten wir nach einer knappen Stunde die Stadt Garni, welche bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. besiedelt war.
In Garni befindet sich ein griechisch-römischer Tempel, das beste Zeugnis der vorchristlichen Geschichte Armeniens (da nach der Christianisierung alle vorchristlichen Sakralbauten zerstört wurden).
Der Tempel stürzte bei einem Erdbeben im Jahre 1679 ein, wurde Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts rekonstruiert – also kein Vergleich zum römischen Tempel von Baalbek, welcher unrekonstruiert noch heute steht.
Wir parkten das Auto in der Nähe des Eingangs, lösten zwei Tickets zu je US$ 3 und gingen hinein in die sehr gepflegte Anlage – leider ziemlich überlaufen.
Nach wenigen Metern Fußmarsch erreichten wir den Tempel,
umrundete diesen.
Auch der Ausblick vom Tempel auf die umgebende Landschaft, sehr eindrucksvoll.
Am lustigsten waren allerdings die Chinesen beim Fotoshooting – irgendwie hatte der Herr wohl Armenien mit Schweden verwechselt.
Nach keinen 20 Minuten wieder zurück zum Auto und weiter der Straße nach Osten. Einige Kilometer hinter Garni erreicht man am Endpunkt der Straße das Kloster Geghard aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. Der frühe Bau wurde bei der Invasion der Araber im 9. Jahrhundert zerstört, die heutige Kirche stammt aus der Zeit ab 1215.
Wieder 200 Dram (ca. US$ 0.40) fürs Parken bezahlt und uns zwischen den Touristenmassen, meist bestehend aus älteren Herrschaften mit Gehstock, nach oben zum Klostereingang geschoben.
Wie Garni wurde auch dieses Kloster beim Erdbeben von 1679 stark beschädigt, wurde erst wieder nach der Eroberung Armeniens durch Russland wieder in Betrieb genommen und erst im 20. Jahrhundert für den Tourismus wiederaufgebaut.
Charakteristisch ist, dass der Kirchenbau teilweise in den Fels getrieben wurde.
So besteht die Westwand der Kirche aus einer Felswand, weitere Räume wurden komplett in den Fels getrieben, wo sich in einem eine Quelle befindet, dessen Wasser in einem Becken gesammelt wird und als heilig gilt.
Wir stiegen eine Treppe hinauf und kamen durch einen in den Felsen getriebenen Gang in eine Kirchenhalle – eigentlich relativ unspektakulär. Plötzlich fielen uns jedoch 4 Damen in langen Gewändern in der Mitte der Halle auf, welche sich gerade positionierten.
Und plötzlich bekamen wir extrem eindrucksvollen Kirchengesang geboten, welcher einem durch die Akustik der Halle fast eine Gänsehaut hervorzauberte.
Nachdem wir einige Zeit der Musik gelauscht hatten, ging es wieder zurück zum Auto, ließen uns von Google Maps führen.
Zu unserem nächsten Stopp westlich von Yerewan wurden zwei Alternativen angeboten, einmal zurück nach Yerewan und dann Richtung Westen, einmal unter Umfahrung Yerewans – 25 Kilometer kürzer, jedoch mit derselben Fahrzeit.
Wir waren uns klar, dass die Umfahrung abenteuerlich werden kann – das kennen wir von zuhause, aber wir hatten ja einen ‚Geländewagen’.
So bogen wir nach 10 Kilometern von der Hauptstraße links ab und machten uns auf ins Abenteuer, welches schneller beginnen sollte als uns lieb war.
Die Straße wurde wirklich schlecht, Schlaglöcher, ausgeschwemmte Stellen – aber wenn man relativ langsam fuhr kam man durch.
Die Landschaft war wunderschön, auch einen relativ leeren Stausee erblickten wir aus der Ferne. Nun ging es über Serpentinen die Berge hinauf – und hier kam unser frontgetriebener ‚Geländewagen’ auch wirklich an seine Grenzen. Asphalt gab es nur noch stellenweise, die Löcher und Rillen waren tiefer als unser Auto – dazu ging es steil nach oben. Einige Male drehten die Räder haltlos durch, wir mussten wieder zurückrollen, um mit Schwung die Steigungen zu nehmen.
Valentyna auf dem Beifahrersitz fand das nicht mehr lustig, auch weil es neben der Straße ziemlich nach unten ging.
Aber wir schafften auch diese Steigung – doch oben angekommen wurde es nicht besser. Wie in Georgien hatten sich neben der nicht mehr passierbaren Straße bereits Feldwege gebildet. Diese nahmen auch wir.
Mir wurde klar, der Captiva mit Frontantrieb ist nicht das ideale Auto für uns.
Trotzdem, nach knapp 1 ½ Stunden Fahrtzeit für 60 Kilometer, erreichten wir den nächsten Punkt unserer Tagesroute, das wohl bekannteste Kloster Armeniens, ‚Chor Virap’, unmittelbar an der Grenze zur Türkei, mit Ararat im Hintergrund.
Zu unserer Überraschung gab es hier keine Touristenmassen, keine Busse.
Die Legende besagt, dass der armenische König Trdat III. den Erleuchter 13 Jahre in einer Höhle gefangen hielt, um diesen vom christlichen Glauben abzubringen. Da die lange Gefangenschaft den Erleuchter nicht von seinem Glauben abbringen und er den König von einer als unheilbar geltenden Hautkrankheit heilen konnte, ließ dieser sich, seine Familie und den gesamten Hofstaat taufen – womit Armenien im Jahre 301 das erste Land mit christlicher Staatsreligion wurde.
Auch hier wurde der ursprüngliche Bau mehrfach zerstört und wiederaufgebaut, die heutige Klosteranlage stammt aus dem 17. Jahrhundert.
Aber nicht nur wegen der Legende hat ‚Chor Virap’ für die Armenier eine herausragende Bedeutung: nach der endgültigen Grenzziehung zwischen Türkei und Russland, ist dies auch die Stelle, an welchen Armenier dem für sie heiligen Berg Ararat, welcher nun auf türkischem Staatsgebiet liegt, am nächsten sein können (auf dem Foto sieht man den Grenzstreifen)
Am Parkplatz gab es einen Imbiss, an welchem wir uns unser Mittagessen besorgten, hausgemachte Piroggen, gefüllt mit Frikadellen, Zwiebeln, Tomaten und Petersilie – sehr lecker und mit einem US$ auch ziemlich günstig. Und so kam es auch, dass wir gleich noch eine sehr liebe junge Hündin mit einer fleischgefüllten Pirogge und einem Käse-Lawash versorgten.
Von hier ging es nun über die Autobahn zurück nach Yerewan . immer die Geschwindigkeit im Blick, nie über 99 km/h, da ab 101 die überall präsenten Kameras zuschlagen.
In Yerewan angekommen ging es zuerst zum Bahnhof, welcher die Stadt mit Tbilisi in Georgien (seit 1902) und Julfa in Persien (ab 1908) verband.
Das aktuelle Bahnhofsgebäude ist im klassischen stalinistischen Stil gehalten, wurde 1956 eröfffnet,
und weist den üblichen palastähnlichen Innenraum auf.
Da sich von SIXT natürlich niemand gemeldet hatte, entschloss ich mich selbst anzurufen. Eine freundliche Dame versprach mir einen Rückruf, welcher auch wirklich kam. Ein Nissan Patrol stände für uns bereit – allerdings nicht am Stadtbüro, sondern am Flughafen.
Da dieser auch nur 20 Minuten von der Innenstadt entfernt liegt, machten wir uns auf den Weg, tanken den Chevrolet voll und stellten diesen im Parkhaus ab und nahmen unseren NISSAN Patrol in Empfang – nichtmal die Sparausführung mit V6, nein, es gab den V8 mit Allrad und wundervoll weichen, plüschigen Veloursitzen.
Wieder zurück in die Stadt, zum Hotel, wo sich Valentyna ausruhte und ich für eine Stunde ins Hotel-Gym ging.
Zwar nicht opulent ausgestattet, aber für das heutige Brust- und Bizepsprogramm reichte es.
Kurz noch den Spa-Bereich nebenan betrachtet
und wieder ins Zimmer, es war an der Zeit ein Restaurant fürs Abendessen auszuwählen.
Eines war sicher: kein Kebab, kein Shashlik, kein Lawash – denn das kommt uns langsam zu den Ohren raus.
So fiel die Wahl auf Thailändisch, Thaiwine Republik (nicht zu verwechseln mit Wine Republic) auf der Northern Avenue, lustigerweise im selben Hotel wie das SIXT-Stadtbüro.
Schon beim Hinlaufen war uns bewusst, dass auch diese Wahl ein Risiko ist – Thailändische Küche in Armenien...
Die Speisekarte bot thailändische, japanische, chinesische und in indonesische Gerichte – Multicuisine: ein schlechtes Zeichen. Normalerweise bedeutet das: nix ist wirklich richtig gut.
Wir bestellten Tom Kha Gai mit Kokosnussmilch, einen scharfen Salat mit gegrilltem Rindfleisch, Grünes Curry mit Huhn sowie Pad Thai Gai – sehr skeptisch was uns erwarten würde.
Das Aufgetischte sah schon mal ganz ordentlich aus.
Als wir es dann aber probierten verschlug es uns die Sprache: das Essen war super lecker, kein Stück schlechter als z.B. bei Baan Khanithai in Bangkok. Nein, keine Übertreibung, wir waren uns einig: wir haben in Thailand schon viel schlechter thailändisch gegessen.
Des Rätsels Lösung war, dass das Restaurant einen Koch aus Thailand, einen aus China, einen aus Japan und einen aus Indonesien beschäftig. Aber dass wirklich alle Zutaten original vorhanden waren, selbst Thaiaubergine, Thaibasilikum – das war ein Wunder !
Die Rechnung kam inklusive Getränken (Tee & Wasser) sowie 10% Trinkgeld auf US$ 36 – oder 1'100 Baht.
Noch völlig überrascht von unserem Glück und dem megaleckeren Essen liefen wir die nächtlich beleuchtete Northern Avenue entlang,
vorbei an einem dieser typischen sowjetischen Bauten (dies ist einfach das dekorative Dach einer Tiefgarage),
zurück zum Hotel.