Tag 12 - Vom Kranken- ins Schlammhaus
Auch wenn die indische Hochzeit tatsächlich zeitig beendet war, hatte ich eine unruhige Nacht. Trotz der frisch erworbenen Augentropfen sollte das rechte Auge ordentlich eitern, was zur Folge hatte, dass die Augenlider des rechten Auges zusammenklebten. Das Gefühl, die Lider nicht mehr öffnen zu können, irritierte mich so sehr, dass ich in dieser Nacht nur sehr wenig Schlaf finden sollte.
Beim Frühstück eröffnete ich ArFr daher, dass ich unseren Plan mit den zahllosen Sehenswürdigkeiten auf dem Weg zum nächten Übernachtungsstopp gerne derart abwandeln würde, um als Erstes einen Augenarzt konsultieren zu können. Nicht nur weil mein rechtes Auge mittlerweile aussah, als ob ich eine Faust darauf bekommen hätte, hatte er ein Einsehen.
Zuvor labten wir uns jedoch wieder an dem qualitativ sehr guten Frühstücksangebot des Le Méridien, zu dem heute u.a. Khao Soi, jene superleckere würzige nordthailändische Nudelsuppe, gehören sollte.
Anschließend packten wir die letzten Sachen und checkten aus. Das erste Ziel des Tages sollte das Privatkrankenhaus "Bangkok Hospital Chiang Rai" sein. Am dortigen Empfang erklärte ich mein Anliegen, musste meinen Pass vorzeigen, etliche Dokumente unterschreiben und wurde fotografiert. Anschließend eröffnete man mir, dass man keinen Augenarzt vor Ort hätte, mich aber gerne einer Allgemeinmedizinerin vorstellen würde. Wie in Thailand üblich stand davor noch die Aufnahme der wichtigsten KPIs, also Körpergröße, -gewicht, Blutdruck und Puls.
Nach etwas Wartezeit wurde ich schließlich in ein Behandlungszimmer geführt. Die junge gut englisch sprechende Ärztin sah sich intensiv meine Augen an, leuchtete diese mit einer Taschenlampe aus und kam zu dem wenig überraschenden Schluss, dass ich einen Augenarzt konsultieren müsse. Meine Augen seinen entzündet, das Rechte sehr stark. Sie könne ohne spezielles Equipment nicht feststellen, ob dies durch einen Fremdkörper oder "nur" durch Bakterien verursacht würde. Sie empfahl, die Universitätsklinik Chiang Rai zu besuchen und klärte für mich telefonisch ab, dass dort heute eine Augenärztin vor Ort sei und sie bis 16 Uhr noch Walk-in-Patienten annehmen würden. Sie wies mich allerdings darauf hin, dass es sich bei dem Universitätsklinikum um ein staatliches Krankenhaus und keine Privatklinik handeln würde. Ich solle daher mit einiger Wartezeit rechnen, wenngleich sie mir dringend anriet, zeitnah einen Augenarzt zu konsultieren.
Ich musste vor dem Behandlungsbereich noch eine Weile warten, bis ich die Überweisung und den ärztlichen Bericht erhielt. Die Ärztin verzichtete auf die Berechnung eines Honorars, da sie mir nach eigener Aussage nicht weiterhelfen konnte. Lediglich die 170 THB (ca. 4,40 Euro) Krankenhausgebühr musste ich zahlen.
Bereits das Bangkok Hospital Chiang Rai lag eigentlich auf der für heute geplanten Route gen Nordwesten, aber auch das empfohlene Universitätsklinikum hätten wir mit unserer ursprünglichen Reiseplanung passiert. Ich fuhr die wenigen Kilometer weiter nördlich, bis ich nach einem U-Turn abbiegen musste. Auf dem riesigen Areal des Krankenhauses der Mae Fah Luang Universität parkte ich am Straßenrand ein und wir marschierten zum Eingang.
Am Empfang zeigte ich die Überweisung vor und erklärte, dass ich gerne einen Augenarzt konsultieren wolle.
Nachdem mein Pass kopiert und abfotografiert worden war, durfte ich Angaben zu Körpergewicht- und größe machen. Schließlich musste ich an einem Automaten noch meinen Blutdruck messen lassen. So abgefertigt wurden wir in die 3. Etage zur Augenklinik geschickt.
Dort angekommen zeigte ich die zuvor erhaltenen Unterlagen und den "Referral Report" des Privatkrankenhauses vor. Ich durfte noch einige weitere Angaben machen und in einem Mischmasch aus Thailändisch und Englisch meine Probleme schildern, denn die äußerst freundliche Krankenhausmitarbeiterin in der Augenklinik sprach trotz starker Bemühungen nur wenig Englisch. Ich hatte aber den Eindruck, dass wir mit unserem Sprachen-Mischmach alle relevanten Informationen austauschen konnten.
Nun stand ein Sehtest an, bei dem ich die üblichen Ziffen in verschiendenen Größen vorlesen durfte. Die Mitarbeiterin, die diesen Test durchführte, sprach rein gar kein Englisch. Da die thailändischen Wörter und Aussprachen für die 10 Ziffern bei mir aber sehr gut sitzen, sollte das kein Problem sein. War auch durchaus ein Erlebnis, so ein Sehtest auf Thailändisch.
Nach dem Sehtest wurden noch die üblichen Untersuchungen (Augeninnendruck- und Sehwertemessung) mit exakt den gleichen Geräten durchgeführt, die auch mein heimischer Augenarzt in München verwendet. Anschließend erhielt ich die Wartenummer 28 angeheftet.
Mir wurde nun eröffnet, dass ich noch einige Zeit warten müsse, da die Mittagspause kurz bevor stehe und noch 7 Patienten vor mir dran seien. Dazu wäre aktuell nur eine Augenärztin im Dienst. Gerne könnten ArFr und ich später (in ca. 1-2 Stunden) wiederkommen. Vielleicht wollten wir ja auch in der Kantine des Krankenhauses essen, wurde mir auf Thailändisch vorgeschlagen.
Dies liessen wir uns nicht zweimal sagen und suchten den Weg in die Kantine. Wie in einem thailändischen Foodcourt konnte man hier Bargeld in Gutscheine tauschen und mit diesen an den verschiedenen Essensausgaben bzw. Garküchen bezahlen. Für uns sollte es knuspriger Schweinebauch mit Thaibasilikum werden.
Als Nachtisch gönnten wir uns noch etwas Ananas, bevor wir schon nach einer Stunde zurück in der Augenklinik aufschlugen.
Es sollte überraschenderweise auch nur noch wenige Minuten dauern, bis ich als "Mr. Michael" aufgerufen wurde. Die junge sehr freundliche Augenärztin inspizierte meine Augen sehr gewissenhaft mit dieser Apparatur, die man auch von Augenärzten daheim kennt. Nach einer Weile sagte sie, dass sie keine Fremdkörper in meinem Augen finden könne. Sie gehe von einer bakteriellen Infektion aus. Die selbst gekauften Augentropfen seien genau richtig. Ich solle diese weiter 4x täglich in beide Augen tropfen. Zusätzlich schrieb sie mir noch eine Salbe auf, die ich abends vor dem Schlafengehen in beide Augen einbringen sollte.
Dann sagte sie noch ein wenig erstaunt, dass die künstliche Linse in meinem rechten Auge sehr sehr gut platziert sei. Sie fragte entsprechend interessiert, wo die Katarakt-OP durchgeführt wurde. Ich überlegte noch, ob ihr die Augenklinik Herzog Carl Theodor in München-Maxvorstadt etwas gesagt hätte, und entschied mich für die Antwort "At home in Germany". Sie nickte anerkennend. Ich verkannte tatsächlich, dass ich wohl ob meiner Thailändischkenntnisse immer wieder als in Thailand lebender Expat wahrgenommen wurde.
Ich musste noch ein wenig im Wartebereich warten, bis der Papierkram erledigt war. Anschließend ging es zur Kasse, wo ich umgerechnet gut 12 Euro bezahlen musste. Wenig später wurde mein Name vom Apothekenfenster aus aufgerufen und ich erhielt die verschriebene Salbe mit den Instruktionen zur Anwendung in thailändischer und englischer Sprache.
Trotz ein wenig Wartezeit war ich mal wieder begeistert vom thailändischen Gesundheitssystem. In einem staatlichen Krankenhaus ohne Termin ca. 2 Stunden nach Eintreffen äußerst freundlich und kompetent durch eine Fachärztin behandelt worden und das für kleines Geld vollkommen ohne jede Ausländerabzocke.
Dennoch war es bereits 14 Uhr geworden. Eigentlich wollten wir vor ein paar Stunden mit unserer heutigen Etappe gestartet sein. Ich lenkte den Yaris daher in Richtung des ursprünglich ersten für heuten geplanten Stopps. Auf dem Weg dorthin liess ich den Mietwagen auftanken, während ArFr Wasser kaufen ging, da wir für den Rest des Tages abgelegenere Regionen erwarteten.
Ca. eine halbe Stunde später hatten wir das avisierte Ziel, die
Choui Fong Teeplantagen, erreicht.
Die Teeplantage war sehr schön anzusehen, sodass wir von einem der Parkplätze diverse Fotos machten. Abgesehen davon gab es hier nur zwei Teehäuser, in welchen man den angebauten Tee wahlweise zubereitet oder zum Selbstzubereiten / als Souvenir kaufen konnte. Da wir Beide keine Teetrinker sind, reichten uns die Fotos.
Die Straße 1130 wurde hier mit zunehmenden Kurven und Steigungen immer anspruchsvoller. Wir kamen dennoch gut vorwärts und hielten ca. 40 Minuten später am
"Mae Salong Nai" Aussichtspunkt, der von beiden Straßenseiten Blicke auf die lokale Bergwelt bot.
Die nächste ursprünglich als Stopp geplante Teeplantage ließen wir in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit ebenso ausfallen wie die ursprünglich für das Mittagessen geplanten Spezialitätenrestaurants. Dafür steuerten wir jedoch den etwas außerhalb von Mae Salong Nok gelegenen
Tempel Phrathat Chedi Srinagarinda Stit Maha Santi Khiri an.
Die Fahrt vom kleinen Ort ging steil bergauf, bis es irgendwann in einem Waldstück nicht minder steil ein Stückchen bergab ging. Am Ende der Straße erreichten wir den besagten Tempel.
Die Aussicht von hier oben war echt gut.
Aber auch die Tempelgebäude gefielen uns sehr.
Noch während wir uns in den Gebäuden umsahen, erreichten mehrere Sammeltaxen die Tempelanlage. Zahllose Thailänderinnen in identischen T-Shirts stiegen aus und sorgten für ein wenig Unruhe. Natürlich wurde ich mal wieder gebeten, Fotos von Teilen der illustren Gruppe zu machen. Als ich thailändischtypisch beim Fotografieren "Nüng Song Sam" sagte, um den genauen Moment des Auslösens zu signalisieren, musste ich mal wieder erklären, woher ich käme und was ich in Thailand machen würde.
Da es uns aber eindeutig zu wuselig wurde, brachen wir wenig später auf. Allerdings kämpfte unser Yaris selbst im ersten Gang, uns beiden Schwergewichte samt vollem Gepäck die steile Straße vom Tempel hinauf zu bringen. Ich hatte Sorge, dass der Kleinwagen absaufen würde, aber japanische Ingenieurskunst ist halt japanische Ingenieurskunst und so erreichten wir den Höhepunkt der Strecke, hinter dem es dann nur noch bergab zurück zur Hauptstraße 1130 ging.
Den nächsten ursprünglich geplanten Punkt, die Märtyrerhalle, ließen wir auch aus, da wir gerne deutlich vor dem Sonnenuntergang unser Etappenziel erreichen wollten. Von der Straße 1130 ging es dann gemäß der Google Maps Navigation irgendwann links ab auf eine sehr schmale steile Straße. Nach einigen Minuten, die mir durchaus Schweißperlen auf die Stirn trieben, erreichten wir unser Ziel, das
"Akha Mudhouse", eine einfache Unterkunft in einem Dorf des Akha-Bergvolkes.
Zum Buchungszeitpunkt war das Akha Mudhouse nicht über die gängigen Buchungsportale buchbar. Nachdem mein Kontaktversuch über Facebook keine Früchte getragen hatte, hatte +1 die Buchung telefonisch durchgeführt und vorab für uns per Banküberweisung von seinem thailändischen Bankkonto bezahlt.
Wir wurden von zwei Frauen empfangen, die sich später als Schwester und Nichte des Inhabers herausstellen sollten, die jedoch Beide kaum Englisch sprachen. Sie fragten etwas entgeistert "You have reservation?", was ich auf thailändisch mit der Information beantwortete, dass +1 (unter Nennung seines vollen Namens) für uns zwei Zimmer gebucht hatte. Ich wurde noch entgeisterter angesehen. Ich wiederholte die Information auf Englisch und nochmal auf Thailändisch, aber das klappte nicht. Die jüngere Dame bemühte Google Translator, während ich versuchte, +1 per Telefon zu Hilfe zu rufen, ihn aber leider nicht erreichte. Ich bemühte mich, sehr langsam und möglichst korrekt betont auf Thailändisch zu erklären, dass mein Freund für uns zwei Zimmer gebucht und bezahlt hätte. Zusätzlich hatte ich endlich auf meinem Handy den Screenshot von +1s Online-Banking gefunden, der die Zahlung der zwei Zimmer bestätigte. Nachdem ich diesen vorgezeigt hatte, lief es dann. Wir erhielten Tee und konnten den Ausblick genießen, während man unsere Zimmer vorbereitete.
Die Zimmer waren schon ziemlich ausgefallen, aber dennoch urig. Mich besorgten ein wenig die u.a. im Boden eingelassenen leeren Bierflaschen, da ich mir nicht sicher war, ob diese mein Kampfgewicht aushalten würden, aber sie sollten halten.
Kurz nach der Zimmerübergabe trafen ArFr und ich uns wieder im Aufenthaltsbereich, um unser erstes Bier für den Tag auf die Aussicht zu trinken. Nach dem zweiten Bier holten wir ein paar Sachen aus unseren Koffern, die wir der Einfachheit halber im Kofferraum des Yaris beließen. Wenig später wurde dann das optionale Abendessen für 300 THB pro Person serviert.
Es gab Omelett und Hackfleisch mit Kräutern, die für die Essenszubereitung aus dem eigenen Garten frisch gepflückt worden waren, eine Suppe sowie verschiedene gebratene Gemüse und eine Erdnuss-Chillie-Paste. Alles schmeckte sehr gut und wir durften nachordern, so viel wir wollten. Dazu fiel das Geschirr und insbesondere die ausgefallenen Löffel aus Bambus auf.
Bei kühlem Bier hatten wir auch nach dem Essen noch viel zu quatschen. Irgendwann um kurz nach 20 Uhr verabschiedeten sich unsere Gastgeber ins Bett. Auch die anderen Gäste (eine Thailänderin mit einem offenbar indischstämmigen Partner sowie ein recht junges thailändisches Paar) waren bereits auf ihren Zimmern. Wir hingegen genossen das frische Bergklima Nordthailands bei noch etwas Bier und versuchten, möglichst leise zu sein.
Gegen 21:30 war es dann genug und auch wir begaben uns in unsere Zimmer und zu Bett, wenngleich ich nun feststellen sollte, dass das thailändische Pärchen nebenan, das sich ihr Bier selbst mitgebracht hatte, noch bei thailändischen Youtube-Videos durch die dünnen Wände gut hörbar war. Ich hingegen war jedoch so müde, dass ich erstmal schnell einschlafen sollte, nachdem ich mir beide Augen mit der heute erhaltenen Salbe zugekleistert hatte.