Die Diskussion bezüglich der Intensivbetten in Deutschland kann eigentlich nur abstrakt geführt werden - anhand der Daten von DeStatis oder anderen Statistiken.
Reell sind fast immer alle Betten belegt - zumindest war das während meiner Zeit als Leiter einer universitären Intensivstation in Bayern so. Jeden Tag mußte neu entschieden werden, welche OP stattfindet (anhand des notwendigen postoperativen Bettes), welcher Patient überhaupt verlegt werden kann oder ob Betten für den Notfall vorgehalten werden können. Notfälle sind eigentlich postoperative Komplikationen, Verkehrsunfälle, Herzinfarkt oder alles andere, was man sich darunter vorstellen möchte.
Selten war ein Bett überhaupt frei - und ich überblickte damals fachübergreifend ca. 50 Betten im Rahmen unserer Kooperationen.
Wenn man bedenkt, daß es einerseits einen Stau geplanter Eingriffe oder Operationen gibt (Krebs o.ä.) und andererseits ab Montag alle elektiven (geplanten) Operationen abgesetzt werden, dann ist dies bereits eine Art von Triage. Ich warte also solange, bis der Krebs deutliche Manifestationen an den Tag legt, um dann im Notfall tätig werden zu müssen/können?
Der normale Routinebetrieb nicht chirurgischer Intensivstationen LEBT vom Notfall. Kleinere Krankenhäuser können natürlich auch schon recht viel versorgen auf ihren Intensivstationen, aber das KnowHow und auch die technische Expertise ist nun mal in den 33 Universitätsklinika zentriert. Diese nehmen natürlich auch fast immer Zuweisungen von den anderen Krankenhäusern an. Die anderen Maximalversorger habe ich jetzt mal außen vor gelassen, das würde echt zu kompliziert werden.
Wie soll dann bitte Platz für Covid-19 Patienten frei gehalten werden oder gar geschaffen werden? Eigentlich wieder nur durch Triage. Oder es ist mal gerade nicht viel los (gibt's an Tagen wie Weihnachten natürlich auch).
Und jetzt kommt hinzu, daß im Falle der pulmonalen Manifestation der Infektion bisher keine Therapieoption zur Verfügung steht - wir können nur die Organsysteme am Laufen halten und hoffen, die Lunge entwickelt kein therapierefraktäres ARDS mit nachfolgenden Multiorganversagen.
Da es sich hier wohl meist um ältere Patienten handelt, wird recht rasch die Frage nach der Sinnlosigkeit oder dem Therapieziel ins Rennen geworfen werden; nun mag noch ein kleines Mädchen mit Pfählungsverletzung nach Verkehrsunfall dazu kommen - den Rest könnt Ihr Euch selbst denken.
Daß Italien eine so unglaubliche Letalität zeigt, liegt einerseits tatsächlich an der Qualität des Gesundheitssystems und andererseits an dem Umgang mit Therapiebegrenzung oder Therapiedurchführung (
ETHICUS-Studie, beachtet das Nord-Süd-Gefälle).
Die Ressource Intensivkapazität hängt zudem von den vorhandenen Pflegekräften (gibt's nicht mehr viele mit Fachweiterbildung), den möglich betreubaren Patienten (die DIVI forderte schon immer mindestens 1 Pflegekraft pro 2,5 Patienten als Mindeststandard) und den Ärzten ab. Von den technischen Ressourcen reden wir mal gar nicht. Die Politik hat in den letzten Jahren immer mehr Druck auf gerade die Intensivstationen ausgeübt (Pflegeuntergrenzen - was für eine lächerliche Aktion), dadurch wurden die Stationen eigentlich fast handlungsunfähig im Hinblick auf mehr Bettenkapazität. Wie soll auch eine Kraft zwei kritische Patienten versorgen? Gleichzeitig? Und dabei am besten noch alle Hygienerichtlinien außer acht lassen?
Carotthat