Lesenswerter Beitrag, aber du vergisst dabei eine Gruppe, der bei der letzten Wahl nur knapp 2% gefehlt haben um zum allersten Mal stärkste Kraft zu werden: Die der Nichtwähler! Die richtig Abgehängten wählen nicht mal mehr Linke oder AfD, sondern ziehen sich dauerhaft aus der politischen Teilhabe zurück.
Deren Anteil steigt nun schon seit Jahrzehnten kontinuierlich an. Es gab jetzt zwar bei den letzten beiden Bundestagswahlen eine leichte Trendwende, aber ich weiß nicht ob man das als integrativen Erfolg der Mitte deuten kann. Eher ist es so, dass das Wahlrecht in Deutschland es recht einfach macht neue politische Bewegungen zu marginalisieren, solange sich nur die etablierten Parteien untereinander einig sind. Diese Einigkeit muss nicht mal inhaltlicher Natur sein (CDU/FDP haben mit der AfD mehr Schnittfläche als mit den linken Parteien mit denen sie stattdessen koalieren) es reicht reiner Pragmatismus der dem eigenen Machterhalt dient. Die AFD ist ja mittlerweile in einigen Landesteilen bei 30-40% und dennoch ist deren Wählerschaft meilenweit davon entfernt in einer Regierung repräsentiert zu werden, weil der Rest stattdessen aberwitzige Koalitionen schmiedet.
Dies hat dazu geführt, dass sich die politische Mitte durch den Druck der Ränder einander genähert hat. Grüne und SPD unter Schröder wurden zu Realos, die Union hat sich sozialdemokratisiert. Trotz dieser Annäherung wird es aber immer schwerer stabile Koalitionen zu schmieden, weil eben so Niemand so Recht mit den so endstandenen Zweckbündnissen zufrieden ist. Keine der möglichen Koalitionen, egal ob nun Ampel, Jamaika oder gar wieder GroKo, erreicht in Umfragen mehr Zustimmung als Ablehnung - teils nicht mal bei den eigenen Wählern.
Im Allgemeinen wächst in allen politischen Lagern die Unzufriedenheit mit dem Status Quo, dass dies noch zu keinerlei politischen Revolution geführt hat dürfte eher an der Schwäche der Herausforderer gelegen und dass sich diese in aller Regel nur auf ein, zwei Kernthemen fokussiert haben und sich darin dann auch noch uneinig sind. Aber was wenn mal eine Art charismatischer Volkstribun in Erscheinung tritt, der es schafft die unterschiedlichen Strömungen der Unzufriedenheit in sich zu vereinen?