Völlig einverstanden. Aber ich wiederhole es: Eine Alleinschuld der Politik sehe ich nicht und verstehe daher nicht das einseitige Politiker- und speziell Wowi-Bashing hier im Forum und anderswo. Die Basher sind nur zu - sorry - faul, sich um die multifaktoriellen Ursachen einer gewaltigen Bauverzögerung zu scheren.
Das Wowereit-Bashing, zumindest aus lokaler Berliner Sicht, ist sehr einfach zu verstehen: Die Berliner Konservativen und Rechtsliberalen haben weder aus der Opposition, noch aus der derzeitigen Regierungsverantwortung heraus es seit 2001 geschafft, auf politischer und praktischer Ebene auch nur irgendwie gegen die Popularität von Wowereit anzukämpfen.
Seit ungefähr 2003 wird aus eben diesem Lager mehr oder weniger um drei Kernthemen argumentiert: Wirtschaft, Ausländer und Flughäfen in Berlin. Erstere beide möchte ich hier mal aus der hiesigen Diskussion ausklammern.
Beim Thema Flughäfen sind mehrere Phasen eindeutig zu erkennen: eine kurze Debatte Anfang 2004 um Fluglärm (um die Ökos und Linke zu integrieren, was scheiterte), dann ging es um die Offenhaltung Tempelhofs (Tradition und Freiheit und so, weist schon). Das daraus resultierende Volksbegehren ist gescheitert. Dann ging es um die Offenhaltung Tegels (weil ist ja so ein super Flughafen, wegen Wirtschaft und so, auch wenn in der Tempelhof-Debatte Gegenteiliges behauptet wurde) (ohja, und das von Unkenntnis geprägte Würth-Zitat wurde in den einschlägigen Medien auch schon mehrfach aufgewärmt), dann wieder eine im wesentlichen aus Brandenburg ausgehende Fluglärmdebatte (Flugrouten etc., diesmal mit dem Versuch, die regionalen Politikvertreter zu integrieren). Diese Kampagnen sind fast alle auf ganzer Linie gescheitert, es wurden keine Allianzpartner im nenneswerten Umfang aquiriert. Bleibt nur der Versuch einer finalen Attacke, die Wowereit als Alleinschuldigen für alles darzustellen.
In allen drei Phasen sind Gemeinsamkeiten zu erkennen: Unterstützung durch ein Verlagshaus, Forcierung der Diskussion durch eine Partei, eine Agentur-gestützte semi-professionalisierten Medienarbeit im Web 2.0 (Blogs, Internetforen, Sockenpuppenkampagnen), und mindestens einer Anwaltskanzlei für Argumentationen, die zu nahe an der Wahrheit sind.
Ich verzichte aufgrund letzteren auf eine detallierte Darstellung von gewissen Zusammenhängen und belasse es mal wieder beim Versuch einer sachlichen Zusammenfassung:
- das Projekt Großflughafen Berlin-Brandenburg wurde aus einer Koalition von Berliner und Brandenburger SPD, CDU und PDS heraus fast einstimmig beschlossen
- die Standortwahl Schönefeld, die Schliessung von Tempelhof und Tegel waren Grundlage des politischen und planungstechnischen Konsens
- in der Konzeptions- und Planungsphase des Projektes (vor 2000) war die öffentliche Diskussion auf den Größenwahn eines 30-Mio-Passagierflughafens fixiert
- der Konsens für Schönefeld wurde einseitig und nur aus parteipolitischer Strategie heraus aufgebrochen
- seitdem wird versucht, die öffentliche Diskussion auf die provenzielle Auslegung und andere Details der Planungsphase zu fixieren
- das Bauprojekt BER ist in seinem derzeitigen Zustand eine Katastrophe, hebt sich aber weder positiv noch negativ von vergleichbaren Bauprojekten in Deutschland ab
PS: In Berlin läuft richtig viel Sch***. Und zwar nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes über den Bürgersteig (Hunde und so), sondern auch an vielen anderen Ecken und Enden dieser Stadt. Als inzwischen nicht mehr in Berlin steuerlich veranlagter Ex-Berliner fallen mir tausend Dinge ein, wo dringend agiert werden muss, ohne Anspruch auf eine Wichtigkeit in der Aufzählung sind dies: Schulen, Schlaglöcher, Integration, sozialer Zerfall, Wirtschaftsentwicklung, ÖPNV, Wohnungsbau. Flughafen ist irgendwie auf Listenplatz 150 der Dringlichkeiten.