Im übrigen gibt es bei mir kein Abwägen. Der Flieger geht raus wenn ich weiß das er safe ist.
Ich bin überzeugt, kein Rampie released seinen Flieger, wenn er persönlich der Ansicht ist, etwas ist unsafe. Aber wir müssen uns hier beide nichts vormachen, teilweise würde sich die Einschätzung von "safe" wahrscheinlich noch ein bisschen verändern, wenn man unbeschränkt Zeit zur Verfügung hätte. Ich weiß, ihr habt in CGN keine Night Curfew, aber stell dir vor, der Flieger kommt late inbound, du hast maximal 35 Minuten zum umdrehen oder der Flieger bleibt stehen, und als das Baggage rausgefahren wird, stellst du fest, dass an einem Gepäck-AKH (Container) die Plane an einer Stelle leicht eingerissen ist. In einer optimalen Welt mit endlos Zeit würde ich jetzt einen anderen AKH liefern lassen, aber hier muss ich dann halt entscheiden, ob ich das Gepäck zurücklasse und es nachschicken lasse, oder ob ich es mit meiner Interpretation von Safety vereinbaren kann, wenn der Container so mitfliegt.
Oft steht man als Rampe ja auch im Spannungsfeld zwischen Crews, Stations-Repräsentanten und unserer europäischen Sicherheits-Mentalität. Gerade, wenn man z. Bsp. russische Airlines abfertigt, würde die Station da manchmal gerne Container oder Cargo mitschicken, wo ich als Rampe nur sehr ungern meine Unterschrift drunter setzen würde. Dann braucht es viel Verhandlungsgeschick und Diplomatie, damit jeder glücklich ist, ich aber weiterhin diese Airline abfertigen darf.
Anderes Beispiel, einige ägyptische Crews gehen gerne im Turn-Around shoppen und wollen explizit erst zurück kommen, wenn der Flieger fertig geboardet ist. Da man mit verstärkter Crew fliegt, lässt man halt den rangniedrigsten FO und zwei Flugbegleiter an Bord. Eigentlich dürfte ich jetzt nach den Regeln den Flieger nicht boarden bzw. maximal nur 100 Leute, aber dann kann ich mich darauf einstellen, dass mich der Kapitän zwei Köpfe kleiner macht, wenn er zurück am Flieger ist. Dann muss ich mit mir selber vereinbaren, ob es okay ist, die Leute zu boarden.
Die sind eigetnlich diejenige die man am ehesten gebrauchen kann auch wenn sie meistens nicht allzu lange dabei bleiben.
Zur Personalsituation muss man feststellen, dass eine ziemliche Aussiebung stattfindet. Meiner Erfahrung nach sind eigentlich die jungen, "dynamischen" Kollegen, die den Job aus Interesse an der Luftfahrt als Zubrot zum Studium oder zur Pilotenausbildung angefangen haben, meistens die Besten. Sie kommen mit einem großen Vorwissen, müssen in den Schulungen nur noch wenig erklärt bekommen und lernen draußen auf der Rampe schnell aus Erfahrungen. Nur leider bleiben die selten länger als ein paar Saisons, weil sich natürlich kaum ein intelligenter, eloquenter Kollege diesen Sch...ß so lange freiwillig antut.
So bleibt eigentlich nur noch der "Best of the Rest" übrig.
Bei denen muss ich oft feststellen, dass die ihre mangelnde situative Intelligenz durch viel Erfahrung ausgleichen, aber oft wie das Reh vorm Scheinwerfer stehen, wenn es einen neuen, anspruchsvollen und komplett andersartigen Kunden gibt. Da wird dann rumgemäkelt, warum dieses und jenes anders ist und was das eigtl. soll und diese Airline ist doch sowieso Dreck, anstatt dass man mal versucht, die eigene Praxis am Flieger zu hinterfragen.
Die paar älteren Kollegen, die wirklich Top-Notch sind, leben eigentlich alle den Spruch, dass man sich diesen Job leisten können muss, und betreiben es neben ihrem eigentlichen Beruf als bezahltes Luftfahrt-Hobby nebenher.
Ganz beliebt auch "Ey Alder...bin isch Rampe bin isch König" und dabei die Mädels von der Crew anbaggern.
Oh ja, und am liebsten sind mir die Kollegen, die den lieben langen Tag auf die dummen Loader oder das unfähige Gate schimpfen, aber noch nie auch nur drei Koffer im Rumpf gestapelt haben und denken, Altea ist nur ne Stadt in Spanien. Das ist bei uns auch wirklich ein Problem, weil vielen Rampies ab Tag 1 in der Schulung das Mindset beigebracht wird, 90% der Passage sind eh inkompetent und das OPS ist der heilige Gral, der alles zusammen hält. Ich fänds richtig geil, wenn man die Kings, die immer am lautesten schimpfen, einfach mal selber einen Tag selber an ein paar richtig chaotische Gates stellen würde.
Was das Anbaggern angeht, gilt bei uns eigentlich, dass die Beziehung "Rampe-Gate Agent" das "Pilot mit Stewardess" des kleinen Mannes ist. Aber OK, meine Freundin war auch ne Gate-Agentin, also sollte ich da ganz ruhig sein.
Da darf ich mich selber wohl auch darunter zählen. Wie ich mit meinen im Internet erlesenen Amadeus-Kenntnissen und ohne eine einzige offizielle Schulung ins Ticketing geraten bin, verstehe ich selbst nicht so wirklich
Ach mei, ich habe schon Flieger alleine geboardet, weil bei der Passage wieder Land unter war. Ist schon triumphierend, wenn dann 5 Minuten vor STD die Passage-Schichtleiterin ankommt, um den Kahn zu retten, und man sie wieder wegschicken kann.
Die Fähigkeiten habe ich mir auch nur durch Zugucken am Gate beigebracht. Viele meiner Kollegen haben mich gefragt, woran es liegt, dass ich so viel mehr Flieger On-Time losschicke als sie, und ein Teil der Antwort war auch, weil ich eben am Gate mithelfe, wenn ich sehe, dass es zu viel Workload ist (oder das Gate schlecht trainiert) und ich mich nicht daneben stelle und dem Chaos zuschaue und hinterher schimpfe, wie unfähig alle waren. Das ist auch gut, weil man neuen unerfahrenen Gate-Agents viel Nervosität nehmen kann, weil sie eben nicht ganz alleine ins kalte Wasser geworfen werden.
Was ich auch gerne noch ansprechen würde, ist die Rolle der Crews in diesem ganzen Schlamassel:
Wirklich viele Cockpits haben immer noch keine kompetente Ahnung, wie das sogenannte A-CDM (Airport Collaborative Decision Making) funktioniert. Sprich, der ganze Spaß mit SOBT, TOBT, EOBT, TSAT, CTOT etc. Leider wird dieses System an jedem Airport ein bisschen anders umgesetzt, aber wenn ein Kapitän mit Homebase MUC nach einem Jahr immer noch nicht verstanden hat, dass ich leider seine TOBT (Target Off-Block Time) nicht mehr als 10 Minuten vor seine EOBT (Estimated Off-Block Time), und dass die TOBT durch den Handling Agent, die EOBT aber nur durch sein OCC (Operations Control Center) geändert werden kann, dann langweilt das einfach.
Einige Crews haben auch immer noch nicht begriffen, wie eine TSAT (Target Start-Up Approval Time) funktioniert und funken dann eine halbe Stunde vor dem Slot auf die Handling-Frequenz, dass ja noch kein Pusher da ist und sie den Slot verpassen, und auf die Frage hin, wann denn die TSAT sei, kommt Geheule "Aaaaaber der Slot". Ja Schätzelein, deine TSAT ist passend zu dem Slot, keinem bringt es was, wenn du ne halbe Stunde vor der Runway mit laufenden Triebwerken rumstehst, und es ist auch keinem geholfen, wenn der Pushback-Truck 15 Minuten tatenlos vor deinem Flieger steht, während er drei andere Flieger zurückschieben könnte.
Es ist auch wirklich erschreckend, wie eklatant teilweise die Lücken im zwischenmenschlichen Umgang bei manchen Kapitänen (und Pursern) sind. Crew Ressource Management ist eigentlich ein großes Thema in der Pilotenausbildung, aber offenbar wird dabei an der Türschwelle zum Flieger aufgehört. Das lässt sich nicht auf eine Airline oder eine bestimmte Kultur festmachen, aber es gibt einige Kapitäne, die denken, mit ihren vier Fritten auf der Schulter sind sie Gott persönlich, und wenn sie jetzt in der Position ankommen, hat alles bereitzustehen, und wenn nicht, dann sind alle schuld, nur nicht ihr Arbeitgeber, der vielleicht diese Knebelverträge abgeschlossen hat.
Viele verstehen dabei auch einfach nicht, dass ich bei einem freundlichen, verständnisvollen Kapitän viel eher bereit bin, die Extrameile zu gehen, als bei einem hochnäsigen A...loch. Wenn jemand sehr umgänglich ist, dann ruf ich halt vielleicht mal bei der Loader-Dispo an und besteche mit einer Leberkassemmel, damit ich ne frühere Mannschaft zugeteilt bekomme. Mein Highlight war, dass ein Kapitän schnell auf seinen Feierabend-Leg wollte, und mangels einer Lademannschaft einfach selber angefangen hat, den Flieger zuzuladen. Da helfe ich dann natürlich auch gerne mit, auch wenn ich keinen Cent für diese Extra-Arbeit sehe.
Aber weil hier so viel gemotzt wird; es gibt natürlich auch die schönen Seiten:
Einen Flieger im knallroten Sonnenuntergang abfertigen, von einer Langstrecken-Abfertigung mit 10 Trays voller Business-Class-Essen und literweise Saft zurückkommen, eine Boeing 777 mit dem gewaltigen GE90 zurückpushen und merken, wie es beim Anlassen am ganzen Körper vibriert. Die ganzen Specials, die ich über die Jahre hatte, sei es ein Fußball-Vollcharter vom FC Liverpool mit Jürgen Klopp, der FC Bayern, Regierungsflieger, Frachtcharter voller Bargeld, eine Ilyushin 76 und natürlich die massive Antonov 124 inklusive Barzahlung aller Flughafengebühren mit einem cash-gefülltem Aktenkoffer.
Ich habe einen Flieger wegen einer wegrollenden Schraube beim Pushback zurückgeholt, beim Deboarding steigt als erstes der CEO der Airline aus und bedankt sich bei mir für die gute Entscheidung.
Wenn man eine Langstrecke, an deren Abfertigung bestimmt 30 Personen beteiligt sind, 10 Minuten vor Schedule auf die Reise schickt und man wirklich beeindruckt ist, dass dieses Team-Work so gut funktioniert hat.
Wenn nach einer Doppelabfertigung auf zwei nebeneinander liegenden Positionen beide Flieger genau gleichzeitig pushen und man nur baff dazwischen steht und sich denkt, man war der Dirigent von diesem Ballett.
Diese paar Turnarounds im Jahr, wo alles glatt läuft und das ganze wirklich wie ein gut choreographierter Boxenstop ausschaut, und man einen Flieger rekordverdächtig schnell umdrehen kann. Mein All-Time-Favorit wird eine B737-900 bleiben, die wir auf Grund von verspäteter Ankunft und Nachtflugverbot mit zwei Rampies und 20 Loadern mit 210 Paxen in, 195 Paxen out in 23 Minuten gedreht haben, und alles Gepäck ist mitgegangen. (Hat nix geholfen, die Airline war trotzdem nen Monat später pleite
)
Wenn man bei einer Flugverspätung wegen Technical für die Paxe am Gate eine kurze Ansage macht, und sich die Leute herzlich bedanken, weil man ihnen erklärt hat, was genau kaputt ist und warum es repariert werden muss.
Und was ich nie vergessen werde: Wenn der Kapitän sagt "Komm setz dich ins Cockpit und lass dich aus der Galley bedienen, ich kümmer mich selber". Er war früher selber Rampie.