Der Souverän zahlt knapp 1 Mrd. per annum für seine Volksvertretung. Da sitzen uA 11 Ärzte und 115 Juristen drin. Würde man die Legislative einbeziehen, wie es die Verfassung fordert und keine Oberste Heeresleitung aka Candy Crush Liga damit "beauftragen", gäbe es sicher viele Ideen und Ansätze. Ich bin Rechtsanwalt, nicht Vertreter des Souveräns, habe zwar viel Meinung, aber mich nicht wirklich damit auseinandergesetzt, "wie".
Grundsätzlich teile ich deine Meinung, dass viel mehr Initiative aus dem Parlament kommen müsste, eigentlich schon vor Corona. Aber es ist ja nun auch nicht so, dass die Regierung aktiv verhindert, dass das Parlament Beschlüsse fasst. Dass da viel Parteipolitik (und jetzt auch noch Wahlkampf) eine Rolle spielt, gefällt mir auch nicht.
Ich habe mich aber damit auseinander gesetzt "wie nicht". Und war so wie aktuell. Wenn ich mir anschaue, wo die Menschen sterben und insbesondere
wie alt der durchschnittliche Corona-Tote ist (82 Jahre), dann weiß ich, dass ich diese Leute speziell schützen muss und das nicht erreiche, indem ich die Wirtschaft mit Vollgas gegen die Wand fahre, das öffentliche Leben lahm lege und Kinder auf Rodelhügeln verhafte.
Also erstmal meine Interpretation deiner Aussage: Was machen wir, falls wir dauerhaft mit Corona leben müssen, weil Impfstoffe nicht wirken etc.
Dann funktioniert dein Ansatz nicht. Genauso wenig, wie es in Deutschland funktioniert, sich abzuschotten (und dann auch noch so halbherzig über Flugverbote). Es gibt immer die Unachtsamkeit, die dann für einen Ausbruch im Heim sorgt. Und die landen auf der Intensivstation. Es wird hier ja gerne auf Grundrechte gepocht und das schließt nunmal ein, dass auch die 82-jährigen solange es medizinisch noch Sinn macht (und keine entsprechenden Vollmachten vorliegen), behandelt werden. Genauso wenig kann man mit dem Grundgesetz eine 100% Isolation der betroffenen Personengruppe rechtfertigen.
Da kann man mehrere Konsequenzen draus ziehen:
- Wir investieren massiv in das Gesundheitssystem, um genügend Kapazitäten zu haben, um trotz der 82-jährigen noch den normalen Betrieb am laufen zu halten. Allerdings dauert das... vermutlich Jahre.
- Wir führen eine gesellschaftliche Grundsatzdiskussion, ob wir es wollen, Ü80-jährige Coronapatienten (und in dem Zusammenhang vielleicht auch grundsätzlich) nur noch palliativ behandeln wollen
- Wir uns gesamtgesellschaftlich so einschränken, dass es dauerhaft keine Überlastung der Intensivstationen gibt.
Zurzeit fährt die Politik den letzten Weg. Vielleicht gibt es ja noch andere Wege, die mir jetzt nicht einfallen.
Ob der letzte Weg dauerhaft (ohne dauerhaft jetzt zu definieren) so fortgeführt werden kann, vermutlich eher nicht. Und dann wäre der nächste Schritt sich zu überlegen, was ist schützenswert und auf was kann man verzichten. Schwierige Frage. Um mal an das aktuelle Thema anzuschließen: Ich persönlich würde eher auf (internationale) Reisen verzichten, als auf Kontakte zu verzichten. Würde eine harte Grenze funktionieren und dafür das nationale öffentliche Leben deutlich von Regeln befreit, könnte ich damit erstmal leben (und das, obwohl eine geschlossene Grenze für mich und meine Familie ganz drastische Konsequenzen hätte).
Ich glaube aber nicht, dass man eine solche harte Grenze* dauerhaft betreiben kann. Tja, was bleibt dann... man muss damit Leben, dass es "Wellen" gibt, die man entweder durch Lockdowns einschränkt, oder sich gesellschaftlich über neue Grundsätze einigt, die zu Lasten der Alten geht.
Am Meisten würde uns noch helfen, wenn wir alle uns an die Abstandsregeln halten und ein bisschen zurücknehmen. Aber auch das ist kein Allheilmittel. Dementsprechend tu ich mich auch mit dem "Wie?" schwer. Mir fallen aber zwei Sachen ein, die verbesserungswürdig sind, einen für die Politik und einen für die Gesellschaft:
- Die Politik sollte sich zu einer langfristigen Strategie durchringen und versuchen, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden (ergo: Ein breit abgenicktes Coronagesetz aus dem Bundestag).
- Und die Bevölkerung sollte nicht alles und jeden tropedieren, nur weil es schon scheiße ist und jede neue Regel es noch schlimmer macht. Diese Trotzreaktionen bringen uns halt am Ende in einen Teufelskreis.
Dementsprechend würde ich erstmal nicht ein Flugverbot verteufeln, WENN es funktionieren würde (und uns national mehr Freiheiten geben würde). Damit sowas funktioniert, braucht es aber die langfristige Strategie.
Hoffen wir lieber, dass wir schnell die Bevölkerung durchimpfen können.
* Darunter würde ich z.B. verstehen: Jeder Reisende z.B. 2 Wochen im Flughafenhotel in Quarantäne um das Virus garantiert aus dem Land rauszuhalten - oder ähnlich harte Regeln, s. China, Australien, Neuseeland. Wie gesagt, ich glaube da nicht dran.