Bestes Land zum Leben?

ANZEIGE

Airsicknessbag

Megaposter
11.01.2010
22.059
16.390
ANZEIGE
Ich bin sicher, dass die meisten oder sogar alle von uns, die westdeutsch sozialisiert sind, Bekannte, Freunde, Verwandte oder sogar Vorfahren kennen, die in den 60ern und 70ern die ersten Akademiker in ihrer Familie waren und ohne Netzwerk und Hintergrund, nur mit Bildung, Ehrgeiz, harter Arbeit und Leistung einen sehr guten Aufstieg hingelegt haben.

Von dem ihre Kinder, bei denen dieser Automatismus heute nicht mehr funktioniert, heute profitieren. (Womit wir bei dem Punkt wären, dass Erbschaftssteuern ungerecht sind, aber das ist eine andere Facette.)
 

Flying Lawyer

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
6.874
4.731
Zum einen sind heute 8 bis 16 Uhr mittlerweile guter Standard geworden.
Leider ist bei uns weder 8 bis 14.00 Uhr noch irgendwas anderes „guter Standard“ für Kindergärten. Du kriegst nämlich keinen Platz, wenn du nicht zu irgendeiner speziellen Bevölkerungsgruppe gehörst. Wir haben eine Versorgung von 39 Prozent in der Stadt. Wir sind alle möglichen Kindergärten abgeklappert. Ohne Erfolg. Und ab 2 Jahren erst recht nicht. Unser jüngster ging dann in den Kindergarten einer Privatschule, die 7.30 bis 16.30 abdeckte, aber auch rund 15000 EUR im Jahr kostete (nebenbei: auch das aus versteuertem Einkommen).

Das reicht rein rechnerisch natürlich noch nicht ganz, um einen Achtstundentag abzudecken, aber mit Home Office - auch so eine familienfreundliche neue Entwicklung/Errungenschaft - geht es.
Ganz sicher in der Behörde und anderswo. Ein Beratungsberuf im Home Office ist ebenso irreal wie ein Handwerker im Home Office. Die müssen nicht nur vor Ort arbeiten, sondern sich auch noch um die Akquise neuer Mandate kümmern

Und selbst wenn es nicht geht: Auf eine Stunde Betreuungslücke mit einer Vollzeitangestellten zu reagieren (und die dann noch nicht einmal mit ein paar anderen Kindern zu teilen), ist auch nicht wirklich effizient
ich weiß nicht wo du regional lebst. Ich hatte mit ÖPNV eine Stunde ins Büro und mit dem Wagen zwischen 30 und 90 Minuten gebraucht. Da ist nix mit einer Stunde oder irgendwas anderem an Betreuungslücne. Wir waren täglich zwischen 10 und 12 Stunden nicht da. Und am Ende haben wir festgestellt, es macht nur Stress und rechnet sich nicht. Wir hatten mehr Geld und Ruhe, wenn einer nicht arbeitete und jetzt arbeiten wir beide nur noch wenn wir Lust haben. Das ist aber für den Staat und die Gesellschaft auch nicht gut. Wer soll denn bitte der Nettozahler sein?

Und vielleicht muss man sich auch mal, ich weiß, das wird jetzt keine besonders populäre Ansicht in der High-Potential-Welt sein, arbeits- und karrieremäßig eine Zeitlang zurückzunehmen. Für die Kinder. Ja, die kosten Geld - manchmal auch in Form von Einkommensausfall. Ein Jahr Elternzeit im jeweils zweiten Lebensjahr hat mir auch niemand bezahlt, und es war und ist mir egal.
Klar. Das ist auch genau der Grund warum wir Leute hoch und lange ausbilden. Damit sie dann sich nach kurzer Berufstätigkeit wieder um Küche, Kirche und Kinder kümmern. Das ist so eine Verschwendung von Ressourcen und Talent und Denke der 50ziger Jahre. Das war einer der wenigen Aspekte, wo der Westen was hätte von der DDR lernen können. Da gab es konsequent Kinderbetreuung, weil man nicht qualifizierte Werktätige von der Arbeit abhalten wollte. Frankreich und Schweden, kriegen das ebenso wie andere auch problemlos hin. Nur wir nicht.
 

Airsicknessbag

Megaposter
11.01.2010
22.059
16.390
Leider ist bei uns weder 8 bis 14.00 Uhr noch irgendwas anderes „guter Standard“ für Kindergärten. Du kriegst nämlich keinen Platz, wenn du nicht zu irgendeiner speziellen Bevölkerungsgruppe gehörst.

Das ist Mist, das sehe ich ein. Ist hier ähnlich, allerdings ist man als Doppelverdienerpaar Teil einer solchen Gruppe. Prio 1 sogar.

Unser jüngster ging dann in den Kindergarten einer Privatschule, die 7.30 bis 16.30 abdeckte, aber auch rund 15000 EUR im Jahr kostete (nebenbei: auch das aus versteuertem Einkommen).

Wenigstens ein bisschen hilft § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG :( Und ansonsten muss man dann halt wohl den Ganztagsanspruch einklagen.

A propos Ganztag: Das wird dann ja nächstes Jahr im Schulbereich auch besser.

Wir waren täglich zwischen 10 und 12 Stunden nicht da. Und am Ende haben wir festgestellt, es macht nur Stress und rechnet sich nicht. Wir hatten mehr Geld und Ruhe, wenn einer nicht arbeitete und jetzt arbeiten wir beide nur noch wenn wir Lust haben. Das ist aber für den Staat und die Gesellschaft auch nicht gut. Wer soll denn bitte der Nettozahler sein?

Du siehst das aber auch ein bisschen sehr aus Deiner sehr speziellen Perspektive, die weder von der Arbeitszeit noch vom Verdienst her typisch ist. Die meisten Jobs, auch gutbezahlte/Nettozahler/High Potentials you name it funktionieren wenigstens zeitweise mit geregelten Arbeitszeiten. Und wenn nicht: Aren't you barking up the wrong tree, wenn Du dem Staat vorwirfst, schlechte Bedingungen für die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf zu schaffen, wenn es doch eher an Arbeitnehmern liegt, die bei der Work-Life-Balance die Waage ein bisschen zu sehr zu der Schale "Work" neigen lassen? Soll es wirklich die Aufgabe der Gesellschaft sein, eine Betreuungsinfrastruktur zu schaffen, damit Arbeitnehmer (im weiteren Sinne) "zehn bis zwölf Stunden nicht da" sein können?

Ehrlich gesagt meine ich nein, denn das wäre auch wieder Umverteilung von unten nach oben: Die Aldi-Kassiererin soll Steuern zahlen, um einen Betreuungsplatz zu finanzieren, damit Du Deine 60-Stunden-Woche dargestellt bekommst.

Ich finde alles über acht Stunden Betreuung Privatvergnügen; die sollten dann aber auch sein, wenn nicht, s.o., ist das misslich.

Klar. Das ist auch genau der Grund warum wir Leute hoch und lange ausbilden. Damit sie dann sich nach kurzer Berufstätigkeit wieder um Küche, Kirche und Kinder kümmern. Das ist so eine Verschwendung von Ressourcen und Talent und Denke der 50ziger Jahre.

Wir bilden die Leute nicht aus, damit sie 40 Jahre nonstop durchknüppeln. Es gibt Phasen, in denen man einfach weniger leistungsfähig ist. Die Zeit, in der man kleine Kinder hat, ist eine davon. Ausbaufähige Betreuung hin oder her. Denn spätestens, wenn die Kinder krank sind, also gefühlt alle zwei Tage, ist die Betreuung sowieso Makulatur und man sitzt "kinderkrank" zu Hause. (Ich als "High Potential", "Leistungsträger", "Nettozahler", demütiger Arbeiter im Weinberg des Rechtsstaats etc. pp. übrigens im Home Office arbeitend und nicht kinderkrank.)
 
  • Like
Reaktionen: Aladin